Die Volksrechte – eine lästige Hürde auf dem Weg nach Europa

Eigentlich sind die Zuständigkeiten bei ordentlichen Einbürgerungen klar: Bund und Kantone setzen die Voraussetzungen für die Erteilung des Bürgerrechts fest. Den Entscheid treffen die Gemeinden, wobei sie bei der Bestimmung des dafür zuständigen Organs völlig frei sind. Ihr Entscheid ist endgültig. So will es die Verfassung.

Felix Müri
Felix Müri
Nationalrat Emmenbrücke (LU)

Eigentlich sind die Zuständigkeiten bei ordentlichen Einbürgerungen klar: Bund und Kantone setzen die Voraussetzungen für die Erteilung des Bürgerrechts fest. Den Entscheid treffen die Gemeinden, wobei sie bei der Bestimmung des dafür zuständigen Organs völlig frei sind. Ihr Entscheid ist endgültig. So will es die Verfassung.

Am 9. Juli 2003 hat nun das Bundesgericht in zwei landesweit für Aufregung sorgenden Urteilen erklärt, Einbürgerungen seien reine Verwaltungsakte und müssten als solche begründet werden. Da dies bei Urnenabstimmungen systembedingt nicht möglich ist, seien diese verfassungswidrig. Ungültig erklärt wurde damit eine Initiative der Stadtzürcher SVP für Einbürgerungen an der Urne. Gutgeheissen wurden die Beschwerden von fünf Einbürgerungswilligen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die in Emmen in der Volksabstimmung durchgefallen waren.

Am 12. Mai dieses Jahres segnete das Bundesgericht zudem die neue Regelung des Kantons Schwyz über Einbürgerungen an Gemeindeversammlungen ab. Dort muss künftig ein begründeter Antrag auf Nichteinbürgerung gestellt werden, sonst werden die Gesuchsteller ohne Abstimmung eingebürgert. Mit anderen Worten: Die Entscheide einer Gemeindeversammlung werden – im Gegensatz zu den Urnenabstimmungen – noch geduldet, aber in ein enges Korsett geschnürt: Der Souverän wird künftig negative Einbürgerungsentscheide begründen müssen. Würde dagegen rekurriert, müssten Juristen darüber befinden, ob die Begründung stichhaltig ist oder nicht.

Seither ist in den Schweizer Gemeinden und Kantonen das Chaos bei Einbürgerungsentscheiden perfekt. Wir in Emmen zum Beispiel nehmen vorderhand überhaupt keine Einbürgerungen mehr vor, solange die Rechtslage nicht endgültig geklärt ist. In gewissen Kantonen greifen Regierungsräte – ohne irgendwelche Rechtsgrundlage – unverblümt in Einbürgerungsentscheide von Gemeinden ein. Teilweise stossen sie auf Widerstand, teilweise beugen sich die Gemeindebehörden. Im luzernischen Buttisholz wurde kürzlich das Einbürgerungsgesuch einer Ex-Jugoslawin auf Empfehlung des Gemeinderates mit nur zwei Gegenstimmen an der Gemeindeversammlung abgelehnt. Was macht die Unterlegene? Sie will den Entscheid beim Regierungsrat anfechten.

 Ein weiteres Beispiel dieser Rechtsunsicherheit kommt aus meiner Nachbargemeinde Littau, wo ebenfalls kürzlich ein Einbürgerungsgesuch durch den Einwohnerrat in geheimer Abstimmung zurückgewiesen wurde. Trotz mehrmaliger Aufforderung durch den Gemeindepräsidenten meldete sich kein einziger Einwohnerrat, um eine Begründung für den negativen Entscheid abzugeben. Ob aus Angst vor Repressalien oder um die verfassungsmässig garantierte Privat- und Geheimsphäre des Gesuchstellers zu schützen, bleibe dahingestellt.

Masseneinbürgerungen vorprogrammiert

Mit seinen jüngsten Entscheiden zur Einbürgerungsfrage stellt das Bundesgericht die demokratische Ordnung unseres Landes auf den Kopf und mischt sich in die Politik ein. Der Verfassungsgrundsatz, wonach der Entscheid ein freier, der Gemeinde vorbehaltener Entscheid sei, wird durch die Bundesgerichtspraxis klar verletzt. Darunter leidet die Demokratie in unserem Land. Dafür werden Masseneinbürgerungen Tür und Tor geöffnet. Ganz zur Freude linker Umverteilungsparteien, die sich davon zusätzliches Stimmvolk erhoffen, was wiederum nicht ohne belastenden Einfluss auf unsere Sozialeinrichtungen bliebe. Als könnte die alarmierend hohe Ausländerquote dadurch beseitigt werden, dass man Zehntausende von Ausländern kurzerhand zu Schweizern erklärt. Inklusive Kriminelle, wie es kürzlich in der Stadt Luzern geschehen ist. Vielleicht versucht man damit, die jahrelange unverantwortliche Verniedlichung des Ausländer- und Asylproblems zu vertuschen. Diese Manipulationen der Statistik können nur gelingen, wenn zuvor der Souverän entmachtet worden ist.

Gegen diese Gelüste, den Souverän zu entmachten, ist Widerstand angesagt. Am 13. September 2003 hat die Delegiertenversammlung der SVP auf Aelggi-Alp (OW) deshalb die Lancierung einer Volksinitiative zur Sicherung der Souveränität der Gemeinden in Einbürgerungsfragen lanciert. Sie kennen sie und haben hoffentlich schon alle unterschrieben. Sonst haben sie hier und heute die Gelegenheit, dies nachzuholen. Konkret verfolgen wir mit der Initiative zwei Ziele:

Selbstbestimmung der Gemeinden

Erstens sollen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger jeder Gemeinde selbständig festlegen können, ob der Einbürgerungsentscheid durch den Souverän im Rahmen einer Gemeindeversammlung oder an der Urne erfolgen soll, oder aber durch dessen Vertreter im Gemeinderat, im Einwohnerrat oder in einer durch das Volk gewählten Kommission. Diese Leute kennen die spezifischen Gegebenheiten und Bedürfnisse ihrer Gemeinde und können daher am besten beurteilen, wen sie als Vollmitglied in ihre Gemeinschaft aufnehmen wollen und wen nicht.

Und sowieso: Wenn Ausländer gegen den Willen einer Bevölkerungsmehrheit eingebürgert werden, führt das genau zu jener Ausländerfeindlichkeit, die man eigentlich bekämpfen möchte. Man erweist damit jenen Ausländern, die sich mit allen Rechten und Pflichten, aber auch mit dem Herzen bei uns integrieren wollen, einen Bärendienst. Die mit der Einbürgerungsfrage verbundenen Traditionen und Emotionen lassen sich nicht einfach so mit juristischen Mitteln wegfegen.

 

Freie Meinungsäusserung

Im Weiteren will die Initiative auf Verfassungsebene verankern, dass eine Begründung oder gar eine Rechtfertigung für einen demokratisch getroffenen Entscheid nicht nötig ist. Nur so ist die unverfälschte und freie Meinungsäusserung gewährleistet. Offenbar genügt es dem Bundesgericht nicht, dass die Bundesverfassung in Artikel 34, Absatz 2 den Stimmbürgern bei der Ausübung ihrer politischen Rechte ausdrücklich garantiert, dass sie nach „freier Willensbildung" mit „unverfälschter Stimmabgabe" entscheiden können. So wie es bei jeder anderen Wahl auch der Fall ist. Bei den Nationalratswahlen zum Beispiel wählen wir ja auch Politikerinnen und Politiker, die wir nicht kennen, und trotzdem unterstellt uns niemand Willkür bei unseren Entscheiden.

Einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung gibt es nicht. Die beiden Artikel zu den Bürgerrechten stehen in der Bundesverfassung unter dem Titel „Bürgerrecht und politische Rechte", nicht etwa im Kapitel „Grundrechte". Auch keine internationale Konvention bezeichnet das Bürgerrecht als elementares, über dem Landesrecht und damit über der nationalen Verfassung stehendes Menschenrecht. Die Menschenrechte werden in der Schweiz auch gegenüber Nicht-Bürgern mehr als nur respektiert.

Willensnation Schweiz

Die Gemeinden wissen mit Einbürgerungen sehr wohl umzugehen. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Die Schweiz ist nach wie vor eine Willensnation. Sie wurde geschaffen aus dem Willen heraus, Menschen unterschiedlicher Kultur und Sprache friedlich zusammenleben zu lassen. Dabei hat der föderalistische Staatsaufbau sowohl dem Einzelnen als auch jeder sprachlichen Gruppierung ein Maximum an Freiheit und Autonomie zu sichern. Dieses Bekenntnis der Eidgenossenschaft kommt in der geltenden Bundesverfassung vom 18. April 1999 zum Ausdruck. Im Rahmen einer Willensnation hat ein jeder Bürger das fundamentale Recht, zu fragen, ob jemand, der um Einbürgerung ersucht, die der Willensnation Schweiz zugrunde liegenden Wertvorstellungen und deren Umsetzung in die Realität mit trägt oder nicht – eine Frage, die immer mit ja oder mit nein beantwortet werden kann.

Die Begründung des Bundesgerichtsurteils, wonach die Erteilung des Bürgerrechts einer Verwaltungsverfügung gleichkommt, gegen welche eine Einsprachemöglichkeit zu schaffen sei, erweist sich als dürftiger Versuch, die Legitimität des Souveräns zur Weiterentwicklung des Rechtsstaats zu untergraben. An der Urne kommen Entscheide zum Ausdruck, die geprägt sind vom Willen, gemeinsam am Land weiter zu bauen. Die Einbürgerung als Zugang zum Stimm- und Wahlrecht auf allen Ebenen ist deshalb wichtig und mehr als ein Verwaltungsakt. Es geht hier klar um einen politischen Entscheid.

 

Fazit

Unsere direkte Demokratie, auf die wir in der Schweiz zu Recht immer stolz waren, wurde von ein paar Gesetzeslesern gleichsam ausser Kraft gesetzt. Das Recht des Volkes wird mit Füssen getreten. Der Ausverkauf der Heimat ist vorprogrammiert. Wir aber sagen nein zur Verschleuderung der Bürgerrechte. Wir brauchen keine Justiz, die beurteilt, ob das, was das Volk entscheidet, richtig oder falsch ist – und schon gar nicht eine Justiz, die die Gesetze gleich selber schreibt. Die Aufnahme von Ausländern in unsere Bürgergemeinschaft ist nicht einfach ein administratives Verfahren, das man den staatlichen Behörden oder den Richtern überlassen darf. Sie ist Sache eines freien Volkes, der Gemeinden und Kantone. Das Volk soll bestimmen können, wen es als Vollmitglied in seine Gemeinschaft aufnimmt und wen nicht. So war es Jahrhunderte lang und so soll es auch in Zukunft bleiben.

Das müssen wir allen klar machen, mit unserer Volksinitiative „für demokratische Einbürgerungen", aber auch mit einer klaren Abfuhr für die beiden Bürgerrechtsvorlagen vom 26. September. Jeder von uns ist in den nächsten Wochen gefordert, hierzu seinen Beitrag zu leisten!

 

Felix Müri
Felix Müri
Nationalrat Emmenbrücke (LU)
 
Wir verwenden Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten und Zugriffe auf unsere Webseite analysieren zu können. Ausserdem geben wir Informationen zur Nutzung unserer Webseite an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.Details ansehen Details ansehen
Ich bin einverstanden