Ich präsentierte Ihnen heute die Kernforderung des heutigen Positionspapieres. Die Invalidenversicherung ist nur in ein derartiges Schlamassel geraten, weil sie die Türen für Leute geöffnet hat, …
Referat von Nationalrat Dominique Baettig, Delsberg (JU)
Ich präsentierte Ihnen heute die Kernforderung des heutigen Positionspapieres. Die Invalidenversicherung ist nur in ein derartiges Schlamassel geraten, weil sie die Türen für Leute geöffnet hat, welche in der IV keine Heimat hätten finden dürfen. Es handelt sich dabei um Personen mit neuartigen Krankheitsbildern, welche nicht definierbar sind. Dies gilt es nun im Rahmen der 6. IV-Revision zu korrigieren.
Unendliche Ausdehnung von subjektiven psycho-sozialen IV-Gründen
Seit Bestehen der Invalidenversicherung (IV) im Jahr 1960 ist die Anzahl IV-Rentner immer angestiegen. Besonders stark ist der Anstieg seit Beginn der 1990er-Jahre. Viele Personen, welche keinen Anspruch auf eine IV-Rente gehabt hätten, wurden grosszügig und entgegen dem Willen des Gesetzgebers mit IV-Renten versehen. Die Zahl der IV-Rentner stieg von 1990 bis ins Jahr 2006 von rund 164’000 auf gegen 300’000. In den letzten zwei Jahren ist die Rentnerzahl etwas zurückgegangen, im Moment liegt sie bei rund 294‘000 Personen. Es ist klar, dass jemand der einmal eine Rente hat, kaum mehr darauf verzichten möchte – der Schritt zurück ins Erwerbsleben ist schwierig. Mit der breiten Definition des IV-Begriffs kreierte man einen vom Arbeitsmarkt geschützten Ort, aus welchem es ausserordentlich schwierig ist, wieder heraus zu kommen, es sei denn, man bemühe sich aktiv darum. Die Rentnerzahl ist in den letzten 20 Jahren vor allem deshalb so stark angestiegen, weil immer mehr Personen mit unklarer IV-Ursache eine Rente bekamen. Es handelt sich um Personen, bei welchen kein Kausalzusammenhang zwischen der Rentenursache und der Erwerbsunfähigkeit besteht. Dort, wo neue Krankheitsbilder geschaffen wurden, geschah dies zum Teil auch unter dem Einfluss der Immigranten und deren kulturellen Hintergründe. Die Ärzte müssen wieder optimistischer werden und Anreize schaffen, und die verbleibenden Restfähigkeiten betrachten, statt die Summe aller vorhandenen Defizite und Probleme zu bilden.
Aus der beruflichen Erfahrung eines Psychiaters
Wenn man sich schon dafür beglückwünscht, ein neues verständliches psychologisches Konzept eingeführt zu haben, so liegt das Interesse beim Stressverhalten und bei der Lebensqualität. Gleichzeitig muss man aber auch feststellen, dass mit der Öffnung dieses neuen Geistes in der IV ein Übermass an Diagnosen eingeführt wurde, welche nicht objektiv messbar sind, aber auf die Wiedergutmachung der psycho-sozialen Defizite mit Renten und weiteren Unterstützungsleistungen abzielen. Gleich verhält es sich etwa beim starken Anstieg der undefinierbaren Rückenleiden, welche sich nicht wegtherapieren lassen. Am Schluss kann oftmals nur die Depression festgestellt werden. Die Fälle werden an einen Psychiater überwiesen, welcher anschliessend eine bleibende Erkrankung feststellt. Trotz der medikamentösen Unterstützung wird die Depression chronisch, was zu einer Rente berechtigt. Wenn man sich genügend lange über ein Leiden beklagt, kommt man als Patient, der immer den Spezialisten aufsucht, mit Sicherheit zu einem neuen Krankheitsbild, welches durch eine subjektive Depression ausgelöst wurde.
Es gilt daher, die Versäumnisse seit Beginn der 90er-Jahre wieder zu korrigieren. Ich werde Ihnen aufzeigen, dass unser Vorschlag von einer moderaten Kürzung des Rentnerbestandes ausgeht. Zusammen mit der demographischen Entwicklung, wäre es mit dieser Massnahme machbar, bis zu 800 Millionen Franken pro Jahr einzusparen. Das ist weder unmöglich, noch unrealistisch!
Von 1990 bis 2006 hatte die IV jedes Jahr einen durchschnittlichen Rentner-Netto-Zugang von knapp 10’000 Personen. Aufgrund der Demographie der IV-Rentner wird es in den nächsten 10 Jahren altersbedingt zu einem natürlichen Rentner-Abgang von 10‘000-12’000 Personen kommen. Würde sich also die Anzahl der Neurentner auf 6000-8000 Netto-Neuzugänge reduzieren, könnten pro Jahr netto 4000 Renten und Zusatzleistungen eingespart werden. So käme die IV im Jahr 2020 noch immer auf eine Rentnerzahl, welche höher ist als der Bestand im Jahr 2001.
Dass dieses Ziel erreichbar ist, wird umso klarer als wir verschiedene zielführende Massnahmen zeigen:
Es gilt nicht nur die subjektiven Defizite medizinisch zu hinterfragen, sondern sie in den wirklichen Arbeitskontext zu stellen. Die Arbeitsunfähigkeit muss durch den Patienten in einer realen Situation bewiesen werden. Es darf nicht nur auf das medizinische Attest des Arztes abgestellt werden.
Gelingt es mit all diesen Massnahmen sowie dem demographiebedingten Ausscheiden von jährlich rund 10‘000 bis 12’000 Rentnern, die Zahl der Neurentner in der IV auf durchschnittlich 6000-8000 zu reduzieren, können pro Jahr netto mindestens 4000 IV-Renten eingespart werden. Eine durchschnittliche IV-Rente beträgt 1’435 Franken pro Monat, respektive 17’220 Franken pro Jahr. 4000 IV-Rentner weniger bedeuten daher gegen 70 Millionen zusätzliche Einsparungen pro Jahr alleine bei der IV. Hinzu kommen erhebliche Einsparungen bei den Ergänzungsleistungen, bei der Unfallversicherung sowie bei der beruflichen Vorsorge. Das Sparpotential für die IV beträgt bis ins Jahr 2020 insgesamt 5 Milliarden Franken (68 Millionen Franken im Jahr 2009 – rund 800 Millionen Franken im Jahr 2020).
Reisekosten
Die IV erstattet heute diverse Kosten im Zusammenhang mit Reisekosten, die bei Inanspruchnahme von Massnahmen der IV anfallen. Allerdings erfahren diese Leute dadurch eine Besserstellung gegenüber Personen, die keine IV-Leistungen beziehen. Daher sollten die Fahrkosten (70 Millionen Franken) sowie das Kostgeld (40 Millionen Franken) durch die Betroffenen selber übernommen werden.
Berufliche Massnahmen
Das heutige System der Finanzierung bevorzugt institutionelle Massnahmen, indem die IV sämtliche in beruflichen Eingliederungsstätten entstehenden Kosten übernimmt. Grundsätzlich sollte aber konsequent zwischen üblichen Ausbildungskosten, Entschädigung (Lohn), Unterkunft, Verpflegung, Transport – diese sollten jeweils dem Normalisierungsprinzip folgen – und behinderungsbedingt notwendiger Anpassung von Lehrmaterialien sowie Bedarf an persönlicher Hilfe und Förderung unterschieden werden. Das Einsparpotential beträgt jährlich 50 Millionen Franken für Jugendliche in Erstausbildung und 120 Millionen Franken für übliche Ausbildungs- und Lebenshaltungskosten.