Referat

Ein Buch ist keine Raviolibüchse

Ist ein Buch vergleichbar mit einer Raviolibüchse? Oder mit einem Gurkenglas? Oder gar mit einer Waschmaschine? Wohl kaum. Und wenn nicht, womit ist ein Buch dann vergleichbar? Wohl eher mit dem..

Oskar Freysinger
Oskar Freysinger
Nationalrat Savièse (VS)

Ist ein Buch vergleichbar mit einer Raviolibüchse? Oder mit einem Gurkenglas? Oder gar mit einer Waschmaschine? Wohl kaum. Und wenn nicht, womit ist ein Buch dann vergleichbar? Wohl eher mit dem Menschen selber, dessen individuellster Ausdruck es darstellt.

Überall in der Welt wo Bücher geschrieben und gelesen werden hält sich die Barbarei in Grenzen. Doch wo man Bücher verbietet oder verbrennt, werden bald einmal auch Menschen eingesperrt und verbrannt. Somit kann uns das, was im Buchhandel passiert, nicht gleichgültig sein. Es geht um unsere Zivilisation, um die Qualität unseres Denkens, um individuelle Phantasie, um kulturelle Vielfalt. In einer Zeit, wo überstaatliche Grossgebilde wie die EU auf undemokratische Weise alles gleichmachen wollen, ist Widerstand angesagt. Und Widerstand gegen Gleichmacherei ist nur über Vielfalt möglich. Insbesondere über die Vielfalt im Bereich des geschriebenen Wortes. Nun mal im Ernst: Ungeachtet ihrer Herkunft oder Marke fällt der Unterschied zwischen zwei Bohnenbüchsen äusserst bescheiden aus. Ganz anders steht es mit dem Buch: Jedes davon ist das Resultat eines individuellen kreativen Prozesses und daher unvergleichbar und einmalig. Und paradoxerweise sind oft die Bücher mit den kleinsten Auflagen, also die am wenigsten lukrativen, die literarisch kostbarsten. Rilke und Kafka haben zu ihren Lebzeiten kaum Bücher verkauft und gehören inzwischen zur Weltliteratur.

Die Frage, die sich uns am 11. März stellt, ist daher Folgende: Wollen wir die verlegerische und kulturelle Vielfalt in unserem Land aufrecht erhalten und den kleinen Verlagen und Buchhandlungen die Möglichkeit geben, diese auch weiterhin anzubieten, oder genügen uns ein paar Grossbuchhandlungen und Supermarktketten, in denen nur das angeboten wird, was gewinnbringend ist, meist amerikanische Bestseller? Wollen wir Kafka, Rilke und jungen Talenten eine Chance geben oder nur Harry Potter und Dan Brown? Liebe SVP-Freunde! Wir sind die Partei der Souveränität! Wir verteidigen die politische und wirtschaftliche Souveränität. Wir verteidigen zu Recht die Souveränität im Energiebereich sowie die Ernährungssouveränität. Ich habe im Parlament immer für unsere einheimische Landwirtschaft und gegen ein Freihandelsabkommen gestimmt. Heute möchte ich, dass die SVP im Gegenzug auch die kulturelle Souveränität unterstützt. Bedenkt, dass der Buchhandel in der Schweiz einen Umsatz von jährlich 700 Millionen Franken darstellt. Das ist im Vergleich zu den 8 Milliarden der Landwirtschaft denkbar wenig. Und im Jahr 2011 ging dieser Umsatz auch noch um 7,5% zurück. Tendenz sinkend. Soll auf das Bauernsterben nun auch das Büchersterben folgen? Hier muss sich die SVP positiv einbringen und als Hüterin der einheimischen Kultur ein politisches Zeichen setzen!

In Grossbritannien und Schweden, wo der Buchmarkt vor ein paar Jahren liberalisiert wurde, kam es in einer ersten Phase ausschliesslich im Bestsellersegment in der Tat zu Preissenkungen, weil die Grossverteiler und Supermärkte massenweise Bestseller einkauften und zu Spottpreisen veräusserten. Das Resultat davon war ein Rückgang der Anzahl Buchläden in Grossbritannien von 4000 auf etwas über 2000 zwischen 2005 und 2011, weil die Kleinen bei solchen Tiefstpreisen nicht mithalten konnten, da sie keine vorteilhaften Mengenrabatte auszuhandeln vermochten. Es blieben ihnen lediglich Spezialbestellungen, Kleinauflagen oder wissenschaftliche Bücher usw., die zu wenig Gewinn brachten. Daraufhin wurden viele der kleinen Buchläden, die nicht dichtgemacht hatten, von den grossen aufgekauft. Resultat: die Bestseller, die in der ersten Phase als Lockmittel für die Kunden gebraucht wurden, waren plötzlich teurer als vor der Liberalisierung. Das Sortiment verkümmerte und Spezialbestellungen waren, wenn sie überhaupt getätigt wurden, nur mehr unter der Bedingung von wochenlangen Fristen und horrenden Preisen zu haben. In Schweden musste der Staat sogar eingreifen und die überlebenden Buchhandlungen subventionieren, um einen Rest an verlegerischer Vielfalt zu gewährleisten.

Liebe SVPler, wundert es euch nicht, dass das Referendum gegen die Buchpreisbindung hauptsächlich durch die Ex Libris der Migros zustande kam? Wollt ihr im Büchersektor das gleiche Monopol wie im Lebensmittelbereich? Wollt ihr, dass sich auch in diesem Segment ein paar Grosse absprechen und die Konsumenten an der Nase herum führen? Was ich hier sage, ist traurige Wirklichkeit. In der Westschweiz gibt es schon seit 1993 keine Buchpreisbindung mehr. Mit welchem Resultat? Die Anzahl der Buchläden ist drastisch zurückgegangen, aber die Preise sind heute 40% höher als in Frankreich und 20% höher als in der Deutschschweiz. Keine Frage von Preissenkung!

Wer glaubt, private Monopole würden die Preise drücken, der sieht sich schwer getäuscht. Es ist im Buchhandel nicht anders als im Lebensmittelsektor. Den kleinen Produzenten wird die Luft zugedrückt und die paar Grossen lachen sich ins Fäustchen. Wer also weder Einheitsbrei noch übertriebene Buchpreise will, der stimmt am 11. März JA zur Buchpreisbindung.

 

Oskar Freysinger
Oskar Freysinger
Nationalrat Savièse (VS)
 
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