Am 9. Juli 2003 sprach das Bundesgericht überraschend ein Verbot von Urnenabstimmungen zu Einbürgerungsverfahren aus. Im gleichen Urteil verlangte es ein Rekursrecht gegen negative Einbürgerungsentsch
Am 9. Juli 2003 sprach das Bundesgericht überraschend ein Verbot von Urnenabstimmungen zu Einbürgerungsverfahren aus. Im gleichen Urteil verlangte es ein Rekursrecht gegen negative Einbürgerungsentscheide.
Dieser Bundesgerichtsentscheid durchbrach das Prinzip der Gemeinde-Autonomie und verletzte die Gewaltentrennung. Faktisch entmachtete das Urteil den Souverän als oberstes Organ in der direkten Demokratie.
Die Initiative
Als Antwort auf diesen Entscheid beschloss eine Delegiertenversammlung der SVP am 13. September 2003 auf Älggi-Alp (OW) die Lancierung einer Volksinitiative. Deren Text lautet:
«Die Stimmberechtigten jeder Gemeinde legen in der Gemeindeordnung fest, welches Organ das Gemeindebürgerrecht erteilt. Der Entscheid dieses Organs über die Erteilung des Gemeindebürgerrechts ist endgültig.»
Damit soll der Einbürgerungsentscheid als endgültiger Entscheid der Wohngemeinde abgesichert und ein Rekursrecht gegen ablehnende Entscheide ausgeschlossen werden. Wer für den Entscheid zuständig ist, entscheidet in jeder Gemeinde der Souverän. Die Initiative verlangt keineswegs generell die Urnenabstimmung. Sie schliesst die Urnenabstimmung aber auch nicht aus.
Bundesgericht und Bundesverfassung
Die Bundesverfassung legt zur Bürgerrechtserteilung folgenden Grundsatz fest:
«Schweizerbürgerin oder Schweizerbürger ist, wer das Bürgerrecht einer Gemeinde und das Bürgerrecht des Kantons besitzt.» (BV, Art. 37, Abs. 1)
Dieser Artikel – und das ist von Bedeutung – ist aufgeführt im 2. Kapitel der Bundesverfassung, betitelt «Bürgerrecht und politische Rechte» – er findet sich nicht etwa im Kapitel «Grundrechte». Anlässlich der Nachführung der Bundesverfassung Ende der Neunzigerjahre wurde am Grundsatz, wonach der Einbürgerungsentscheid der Gemeinde vorbehalten ist, nichts geändert.
Nach Durchsicht aller Protokolle aller Kommissionen beider Räte zu allen Beratungen zum Bürgerrecht im Rahmen der Nachführung der Bundesverfassung wird völlig klar: Der demokratische Entscheid zur Bürgerrechtserteilung ist und bleibt den Gemeinden vorbehalten. Der Bund anerkennt im Rahmen des ordentlichen Einbürgerungsverfahrens den Entscheid der Gemeinde ohne Einschränkung. Und weil der Einbürgerungsentscheid unter den politischen Rechten aufgeführt bleibt, wurde dazu nie ein Rekursrecht in Erwägung gezogen – weil es zum Inhalt politischer Entscheide des Souveräns nie ein Rekursrecht gibt in der Demokratie.
Diese Feststellung wird erhärtet durch die Tatsache, dass sich alt Bundesrat Arnold Koller, der als «Vater» der nachgeführten Bundesverfassung gilt, vom Bundesgerichts-Urteil in Sachen Einbürgerungsverfahren klar distanziert hat.
«Kalte Verfassungsänderung»
Das Urteil des Bundesgerichts verwandelt den durch Rekurs nicht anfechtbaren politischen Einbürgerungsentscheid faktisch in eine reine Verwaltungs-Verfügung, gegen welche Betroffenen grundsätzlich ein Rekursrecht offen steht. Das ist nichts anderes als eine Verfassungsänderung «auf kaltem Weg», die – selbst wenn sie sich auf internationales Recht abstützen wollte – nicht haltbar ist. Denn die Europäische Staatsbürgerschaftskonvention wurde von der Schweiz nie ratifiziert. Wer in der Schweiz eine Verfassungsänderung herbeiführen will, hat dafür den von der Verfassung vorgesehenen Weg zu beschreiten. Er hat entweder einen dem obligatorischen Referendum unterstellten Entscheid der Bundesversammlung zu erwirken oder mittels Volksinitiative eine Verfassungsabstimmung anzustreben. Per Gerichtsfestlegung und unter Umgehung des Souveräns die Verfassung zu ändern, ist ein unzulässiger Weg.
Zur Begründungspflicht
Das Bundesgericht verbietet in seinem Entscheid vom 9. Juli 2003 Urnenentscheide über Einbürgerungen deshalb, weil Urnenentscheide nie begründet werden müssten und könnten und damit «willkürlich» seien. In der Tat: Der Souverän hat seinen demokratischen Entscheid nie gegenüber einer Ober- oder Aufsichtsbehörde zu rechtfertigen. Er ist schliesslich der Souverän.
Ein Blick auf aktuelle Entwicklungen erläutert, wie unhaltbar und weltfremd das Ansinnen ist, bestimmte, mit der Einbürgerungsfrage eng verbundene, hochpolitische Positionen als «willkürlich» verbieten zu wollen: Als Begleiterscheinung der Ausschreitungen in den französischen Vorstädten treten gegenwärtig wiederholt junge Leute vor Kameras und Mikrofone, wo sie sich dann als «eingebürgerte Nicht-Franzosen» erklären und daraus eine Berechtigung zu Gewalttätigkeit gegenüber öffentlichen Institutionen ableiten. Jeder Bürger, der sich zu diesen Vorgängen Gedanken macht, hat doch das selbstverständliche Recht, für sich zu entscheiden, es nie so weit kommen zu lassen, dass auch in unserem Land rasch und oberflächlich Eingebürgerte sich als «Eingebürgerte Nicht-Staatsbürger» erklären.
Er kann aus dieser Absicht heraus durchaus verantwortungsbewusst die politische Schlussfolgerung ziehen, generell Zurückhaltung gegenüber forcierter Einbürgerung zu üben. Und eine solche politische Haltung – sie hängt schliesslich auch mit seiner Mitverantwortung als Staatsbürger für die innere Sicherheit des Landes zusammen – darf ein Stimmbürger auch zum Ausdruck bringen, ohne dass er sich mit jedem Einzelfall speziell auseinanderzusetzen hat. Dies ausdrücklich auch an der Urne! Wer ihm dies verwehren wollte, muss sich nachsagen lassen, wohl einem Rückfall in die Zeiten der Obrigkeitstaats-Mentalität zum Opfer gefallen zu sein. Zustände, welche, zum Glück, in unserem Land doch seit Jahrzehnten überwunden sein sollten.
Untauglicher Gegenvorschlag
Nur die Initiative der SVP gewährleistet die uneingeschränkte Respektierung der Demokratie bei Einbürgerungsentscheiden. Der Gegenvorschlag des Ständerats will zwar das Verbot der Urnenabstimmungen über Einbürgerungen rückgängig machen. Aber gleichzeitig institutionalisiert er das Rekursrecht gegen negative Einbürgerungsentscheide. Damit würde der demokratische Entscheid, ja die Demokratie insgesamt zur Farce. Der Gegenvorschlag zur SVP-Initiative ist damit klar untauglich.
Recht auf freie Willensbildung
Dass gewisse Gemeinden und auch ganze Kantone trotz teilweise markanten Widerstands der Stimmbürger sich dem neuen, in der Bundesverfassung nicht verankerten Verfahren à la Bundesgericht anzupassen bereit sind, ist eine Tatsache. Den in diesen Gemeinden und Kantonen getroffenen Einschränkungsentscheiden bezüglich Einbürgerungsrecht fehlt indessen die Legitimation durch die Verfassung. Allein die SVP-Initiative kann diese Fehlentwicklung korrigieren, indem sie der Respektierung des Rechts auf freie Willensbildung, wie sie dem Stimmbürger in der Bundesverfassung (Artikel 34, Absatz 2) garantiert wird, wieder Nachachtung verschafft. Dieses Recht auf freie Willensbildung lautet:
«Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.»
Das Recht der unverfälschten Stimmabgabe gilt auch für den Einbürgerungsentscheid, der in der Bundesverfassung bewusst bei den politischen Rechten aufgeführt ist.