Nationalrätin Ursula Haller, Thun (BE)
Die AHV basiert auf der Solidarität zwischen den Generationen, aber auch zwischen Männern und Frauen. Diese Solidarität droht jedoch aus dem Gleichgewicht zu geraten. Nämlich dann, wenn es uns nicht gelingt, auf die demographischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten rechtzeitig und richtig zu reagieren. Wir brauchen die 11. AHV-Revision, damit die AHV auch in Zukunft noch funktioniert und auch unsere Nachkommen davon profitieren können!
Gesellschaftliche Veränderungen
Denn aus einer Gesamtsicht kommt man nicht um die Feststellung herum, dass die Altersvorsorge bei uns – wie in fast allen europäischen Ländern – zu einer grossen Herausforderung wird, nicht zuletzt auf Grund der gesunkenen Geburtenzahlen. 2003 hat uns diesbezüglich ein historisches Tief beschert. Auch ist die durchschnittliche Lebenserwartung seit der Gründung der AHV im Jahr 1948 für Männer und Frauen stetig gestiegen, d.h. Rentner beziehen ihre Rente immer länger, die Frauen noch länger als die Männer. Und immer weniger Beitragszahlende müssen für die Rentenbezüger und -bezügerinnen aufkommen. Kamen bei der Einführung der AHV auf einen Rentner 9 Erwerbstätige, so sind es heute 3,6 und in 20 Jahren verschiebt sich das Verhältnis auf 2,5 Beitragszahlende zu einem Rentenbezüger. Diese negative Entwicklung kann auch durch ein überdurchschnittliches Wachstum der Wirtschaft nicht aufgefangen werden.
Gleiches Rentenalter für Frauen und Männer, mehr Flexibilisierung
Die 11. AHV-Revision sieht deshalb das gleiche Rentenalter für Frauen und Männer ab dem Jahr 2009 vor. Die bereits bei der 10. AHV-Revision eingeführte Flexibilisierung wird weitergeführt und für die Frauen der Übergang von 64 auf 65 vergünstigt. Ab 59 Jahren kann man resp. frau eine halbe Rente und ab Alter 62 eine ganze Rente mit mathematischer Kürzung vorbeziehen. Oder anders gesagt: Männer und Frauen können insgesamt 36 ganze oder 72 halbe Monatsrenten vorbeziehen. Zusätzlich zum erleichterten Vorbezug, der den Frauen bereits mit der 10. AHV-Revision zugestanden wurde, können Frauen der Jahrgänge 1948 bis 1952 zwölf ganze Monatsrenten mit dem privilegierten Kürzungssatz von 3,4% vorbeziehen.
Anpassung der Witwenrenten
Kinderlose Witwen sind zunehmend erwerbstätig. Auch Frauen mit Kindern sind dank guter Ausbildung und besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt immer häufiger berufstätig (Erwerbsquote der Frauen 1990: 61,2 Prozent, 2000: 70,2 Prozent). Die heutigen Witwenrenten basieren noch auf einem traditionellen Rollenverständnis. Vor allem die Ansprüche kinderloser Witwen scheinen nicht mehr zeitgemäss. Ihre Renten entfallen künftig, sofern die Witwe keine Betreuungsaufgaben erfüllt, die Anspruch auf Betreuungsgutschriften geben. Die 11. AHV-Revision sieht zahlreiche weitere Schutzbestimmungen und grosszügige Übergangsfristen vor. Bundesrätin Ruth Dreifuss wollte seinerzeit weiter gehen und beantragte im Zeichen der Gleichstellung gar eine Streichung der Renten für alle Witwen ohne Kinder unter 18 Jahren.
Wegen der zunehmenden Berufstätigkeit der Frauen mit Kindern sieht die 11. AHV-Revision eine Kürzung der Witwenrenten von 80 auf 60 Prozent vor. Diese Kürzung wird aber mit einer Erhöhung der Waisenrenten von 40 auf 60 Prozent kompensiert. Sozialpolitisch ist es aus meiner Sicht sinnvoller, Hinterbliebene mit Kindern mit einer besseren Waisenrente zu stärken, weil es in den anderen Fällen zumutbar ist, dass eine Frau wieder ins Erwerbsleben einsteigt.
Die 11. AHV-Revision ist diesbezüglich immer auch mit der 1. BVG-Revision zusammen zu beurteilen. Durch die Senkung der Eintrittsschwelle wurde der Vorsorgeschutz insbesondere für Frauen ausgebaut, vor allem kleine Einkommen erfahren hier eine Verbesserung.
Fazit
Ich weiss, dass neben den Gewerkschaften, der SP und den Grünen auch Frauenorganisationen kritisieren, dass es sich bei der vorliegenden Revision um eine reine Abbauvorlage handle, die auf dem Buckel der Frauen ausgetragen werde. Weil ich aber der festen Überzeugung bin, dass es die eingangs erwähnte Solidarität zwischen den Generationen, zwischen Männern und Frauen braucht, damit unsere AHV eine Zukunftschance hat, stimme ich dieser Vorlage zu.