Am 12. Mai 2004 sicherte der Bundesrat der Europäischen Union – ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein – eine Zahlung von einer Milliarde als Beitrag zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozial
Am 12. Mai 2004 sicherte der Bundesrat der Europäischen Union – ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein – eine Zahlung von einer Milliarde als Beitrag zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU zu. Weitere Zahlungen sollen folgen. Die SVP hat aus finanzpolitischen Gründen das Referendum ergriffen.
Der Bund hat 130,3 Milliarden Franken Schulden. Allein die Schuldzinsen dafür betragen täglich Fr. 9,8 Millionen. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Schuldenwirtschaft unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Gröbste untergräbt. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, hinzugehen und für neue Märkte, welche durch die Erweiterung der Personenfreizügigkeit Richtung Osten nun vorhanden sein sollen, weitere Zahlungen geleistet werden. Dies umso mehr, als keine Verpflichtung für diese Zahlungen besteht, und die Schweiz keine direkten Gegenleistungen dafür erhält. Und selbst wenn die Zahlung dieser Milliarde Franken – aus welchen Gründen auch immer – als absolut erforderlich eingestuft werden müsste, so ist es angesichts unseres desolaten Staatshaushaltes doch ebenso unabdingbar, dass neue Ausgaben durch die Streichung anderer Ausgaben zu kompensieren sind.
Zwar war vorgesehen, im Seco und im EDA jährlich Fr. 100 Millionen einzusparen. Davon ist heute keine Rede mehr. Dem Bundesrat kam es zudem sehr gelegen, dass das Parlament eine Motion überwiesen hat, welche Einsparungen bei der Entwicklungshilfe ablehnen. Nachdem die ersten Einnahmen aus dem Zinsbesteuerungsabkommen recht positiv ausfielen, überprüfte der Bundesrat eine Anzapfung der künftigen Erträge des Zinsbesteuerungsabkommens. Und auch sein neuster Kompensationsvorschlag von Mitte Juni ist nichts anderes als ein Trick: Der Bundesrat will die Kohäsionsmilliarde zwar im EDA und dem EVD kompensieren. Dies jedoch nicht etwa über Einsparungen, sondern zu einem grossen Teil über eine so genannte „Refinanzierung“. Diese wird in der Realität so aussehen, dass Geld aus neuen Steuern und aus anderen Departementen ins EDA und EVD gepumpt wird, damit diese die Kohäsionsmilliarde berappen können. Die SVP wehrt sich entschieden dagegen, dass weitere Mehrausgaben und neue Steuern in Kauf genommen werden. Die bisherigen Vorlschläge des Bundesrates unter dem Titel „Kompensation“ sind schlicht ungenügend.
Es sind also innenpolitische Gründe und finanzpolitische Aspekte, welche die SVP das Referendum gegen die Kohäsionsmilliarde und damit gegen das Osthilfegesetz ergreifen liessen. Wer für geordnete öffentliche Finanzen einsteht, kann diesen unkontrollierbaren Milliardenzahlungen nicht zustimmen.
Der guten Ordnung halber gilt es hier auch festzuhalten, dass es der SVP nicht um die Bilateralen Verträge geht. Unsere Partei steht voll und ganz hinter diesen Verträgen (sie hat schliesslich den bilateralen Weg gefordert) und akzeptiert als demokratisch orientierte Partei die Volksentscheide zu Schengen/Dublin und zur Personenfreizügigkeit. Mit diesen Entscheiden jedoch hat das Referendum nichts zu tun. Der Bundesrat selber hat bei den Abstimmungen zu Schengen und der Personenfreizügigkeit betont, dass die Kohäsionszahlungen nicht Teil der bilateralen Verträge sind. Dementsprechend war dies auch im Abstimmungsbüchlein kein Thema.
Es ist davon auszugehen, dass der Bundesrat, wenn die Milliarden-Vorlage unter Dach ist, dem Volk eröffnen wird, die Schweiz habe bei künftigen EU-Erweiterungen noch weitere Millionen zu bezahlen. Hinter den Kulissen spricht man bereits von rund 350 Mio. Franken Kohäsionszahlung bei einem EU-Beitritt von Rumänien und Bulgarien. Vor der Abstimmung erfährt das Volk sicher nichts davon. Noch offen sind allfällige Kohäsionszahlungen der Schweiz bei einem EU-Beitritt der Türkei und der Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Bundesrätin Calmy-Rey schloss weitere Zahlungen bei der künftigen EU-Erweiterung denn auch nie aus. Und Bundesrat Deiss hat dazu in der Sonntagszeitung vom 26. März ausgeführt: „Ich verstehe die Aufregung nicht. An Bulgarien und Rumänien bezahlen wir schon seit über 15 Jahren Geld, um ihnen beim Wandel in moderne Marktwirtschaften zu helfen. Allein dieses Jahr gehen 26 Millionen Franken in diese beiden Länder. Niemand hat gegen diese Zahlungen opponiert.“
Wenn das Osthilfegesetz in Kraft tritt, haben das Parlament und das Volk zu weiteren Zahlungen nichts mehr zu sagen. Mit dem Gesetz steht es dem Bundesrat nämlich frei, solche Zahlungen im Parlament lediglich als Budgetposten vorzulegen. Und die wenig sparsame Mehrheit des Parlamentes wird es zweifellos durchwinken. Diesen Blankoscheck sollte das Volk dem Bundesrat und dem Parlament in dieser Frage nicht erteilen.
Die traditionelle Osthilfe wird mit dem Nein zum Osthilfegesetz nicht abgeschafft
Die Schweiz hat seit 1990 im Rahmen der Osthilfe insgesamt Fr. 3,4 Mia. Franken bereitgestellt und somit jährlich fast Fr. 200 Mio. Franken an die Oststaaten geleistet. Das ist ein beträchtlicher Betrag. Doch darum geht es uns ebenfalls nicht. Wenn mit einem erfolgreichen Referendum gegen die Kohäsionsmilliarde also die traditionelle Osthilfe betroffen wäre, wie dies der Bundesrat behauptet, so stimmt dies nicht. Die Osthilfe kann auch in Zukunft weitergeführt werden. Der Bundesrat könnte dem Parlament dieselbe Vorlage unter Streichung des Artikels über die Kohäsionszahlungen erneut vorlegen und damit die fristgerechte Genehmigung der notwendigen rechtlichen Grundlage für die traditionelle Osthilfe sicherstellen.