Ich möchte Ihnen über einige Erfahrungen berichten, welche insbesondere der Kanton Bern mit dem neuen allgemeinen Teil des Schweizerischen Strafgesetzbuches gemacht hat. Dabei stütze ich mich auf…
Regierungsrat Christoph Neuhaus, Belp (BE)
Ich möchte Ihnen über einige Erfahrungen berichten, welche insbesondere der Kanton Bern mit dem neuen allgemeinen Teil des Schweizerischen Strafgesetzbuches gemacht hat. Dabei stütze ich mich auf Abklärungen, die der Kanton macht, um die Umfrage der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren zu beantworten. Die KKJPD ist ja auf Wunsch des EJPD an alle Kantone gelangt, um deren Erfahrungen mit den Neuerungen auszuwerten.
Um das Hauptergebnis vorweg zu nehmen: Die Fachleute im Kanton Bern teilen in den Hauptpunkten die Forderungen, die Ihnen meine Vorredner bereits vorgetragen haben:
Als untauglich wird jedenfalls die bedingte Geldstrafe erachtet. Bedingte Geldstrafen werden seitens eines Täters oder einer Täterin nicht als „richtige“ Strafe verstanden.
Dazu kommen riesige Probleme beim Vollzug der Geldstrafe. Es gibt eine Kaskade von Möglichkeiten, sich gegen den Vollzug zu wehren: Z.B. Gesuch um Verlängerung der Zahlungsfrist, Gesuch um Ratenzahlungen, Gesuch um Herabsetzung der Tagessatzhöhe, Gesuch um Umwandlung in Arbeitsstrafe in Form einer gemeinnützigen Arbeit, nachher Nichtantritt der gemeinnützigen Arbeit, anschliessend Umwandlung in Freiheitsstrafe, usw. Auch wenn all diese Schritte seitens der zuständigen Behörden rasch bearbeitet werden, vergeht jedenfalls viel Zeit und es droht die Verjährung, bevor die Strafe vollzogen ist.
Also: Die Geldstrafe ist zu Recht in der Kritik, und die bedingte Geldstrafe ist keinesfalls sinnvoll. Zudem ist die richtige, d.h. der Bundesgerichtspraxis entsprechende Bemessung des anwendbaren Tagessatzes aufwendig und führt bei vielen fast mittellosen Tätern zu Geldstrafen, die nicht als ernsthafte Strafe erlebt werden.
Als unzweckmässig wird auch erachtet, gemeinnützige Arbeit in bedingter Form auszusprechen. Auch diese Sanktion wirkt eher lächerlich als abschreckend.
Offenbar gibt es genügend Arbeitsplätze für gemeinnützige Arbeit. Es ist deshalb nicht einzusehen ist, weshalb gemeinnützige Arbeit nur mit Zustimmung des Täters oder der Täterin verhängt werden kann.
Auch über den Ansatz von Arbeitsstunden pro Tag müsste diskutiert werden. 4 Stunden Arbeit pro Tag sind tief.
Der Vollzug der gemeinnützigen Arbeit wird in rund 30% der Fälle abgebrochen, was dann wiederum einen nachträglichen richterlichen Entscheid erfordert.
Als Fazit kann ich folgende Schlüsse ziehen: