Referat

Falsche Erwartungen bezüglich Agrarfreihandelabkommen

In seiner Botschaft zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes, mit welcher er den Weg für das in kürze weiterverhandelte Agrarfreihandelsabkommen ebnen will, prognostiziert der Bundesrat eine…

Ernst Schibli
Ernst Schibli
Nationalrat Otelfingen (ZH)

In seiner Botschaft zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes, mit welcher er den Weg für das in kürze weiterverhandelte Agrarfreihandelsabkommen ebnen will, prognostiziert der Bundesrat eine dauerhafte Erhöhung des BIP um 0.5% oder 2 Milliarden Franken jährlich, da die Schweizer Landwirtschaft unter dem Druck des globalen Agrarmarktes zu weiteren Senkungen der Produktionskosten gezwungen würde. Die Bürgerinnen und Bürger werden jedoch die versprochenen sinkenden Preise bei noch grösserer Vielfalt an Produkten nicht lange geniessen können, sondern mit vielfältigen negativen Auswirkungen konfrontiert. Ebenso werden die Bauern sich nicht über neue Exportmöglichkeiten freuen können. Weniger Produktion, geringere Qualität, sinkende Produzentenpreise, Abbau und Export von Arbeitsplätzen, deshalb eine massive Zusatzbelastung der Sozialwerke und keine spürbare Senkung der Verkaufspreise, das werden die Konsequenzen einer wenig durchdachten, wenn nicht sogar kopflosen Liberalisierungsbestrebung in der Schweiz sein.

Das Hohelied der unendlichen Marktchancen, bei offenen Grenzen, im EU-Raum mit einigen hundert Millionen Einwohnern ist derart abgedroschen, dass es selbst die Promotoren eines solchen Unterfangens allmählich zugeben müssten – die viel gepriesenen Vorteile werden vernachlässigbar sein. Der Freihandel mit dem Käse zeigt musterhaft auf, dass die Schweiz im Agrarsektor immer auf der Verliererseite stehen wird. Die leichte Zunahme der Käseexporte von 3.2% (+ 1’888 Tonnen) wird bejubelt, den deutlich gewichtigeren Zuwachs der Importe von 10% (+ 3’751 Tonnen) verschweigt man hingegen – wahrlich ein zweifelhafter Erfolg. Es ist zu hoffen, dass nicht zuerst alles Bewährte vernichtet wird, bis man einsieht, dass ein falscher Weg eingeschlagen wurde.

Cassis-de-Dijon als Qualitäts- und Jobkiller
Die einseitige Einführung des Cassis-de-Dijon Prinzips wird sich in den kommenden Jahren sehr negativ auf die Qualität, die Produktion und die Arbeitsplätze in der Schweiz auswirken. Aus unerklärlichen Gründen sind der Bundesrat und die Mehrheit des Parlamentes bereit, ohne Gegengeschäft, Wettbewerbsvorteile preiszugeben, die unseren Lebensstandard massiv belasten und strapazieren werden. Qualitativ hochwertige Schweizer Erzeugnisse werden durch minderwertige Produkte aus der EU konkurrenziert und verdrängt. Dadurch werden Schweizer Unternehmen gezwungen, die Qualität ihrer Produkte nach unten anzupassen, um einigermassen wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die andere Variante ist, die Produktion auf dem Werkplatz Schweiz einzustellen und die Produktionsstandorte in die EU zu verlagern. Dadurch werden Arbeitsplätze verloren gehen und nebst den unmittelbar betroffenen Familien auch die ohnehin strapazierten Sozialwerke zusätzliche Belastungen tragen müssen.

Agrarfreihandelsabkommen als Todesstoss für die Landwirtschaft
Sollte das Cassis-de-Dijon Prinzip wirklich auch die letzten Hürden im Parlament nehmen und zudem das Agrarfreihandelsabkommen zustande kommen, wäre dies für die Schweizer Landwirtschaft ein sehr harter, wenn nicht gar tödlicher Schlag. Den Produzenten der Landwirtschaft ist es nämlich – im Gegensatz zu Technologie- und Industrieunternehmen – in sehr vielen Fällen schlicht nicht erlaubt, die Qualität ihrer Produktion nach unten anzupassen. Somit wird vielen Betriebe letztlich nur die Schliessung übrigbleiben. Dessen ist sich der Bundesrat bewusst, denn er rechnet aufgrund der aussenhandelspolitischen Szenarien (wie er die Abkommen nennt) mit einer kumulierten Einkommenslücke von 3 – 6 Milliarden zusätzlich zum ohnehin erwarteten jährlichen Einkommensrückgang von 2.5%. Gerade nach den jüngsten Attacken auf die Schweiz seitens mächtiger Länder, darunter auch Nachbarstaaten, welche bedeutende Handelpartner der Schweiz sind, wäre es fahrlässig, überstürzt nun auch noch im Agrarsektor einseitige sowie die eigene Volkswirtschaft schädigende Verhandlungen zu führen und Zugeständnisse zu machen.

Die Kosten-Preisschere öffnet sich weiter
Aufgrund der eklatant höheren Vorschriften in den Bereichen Tier-, Pflanzen- und Umweltschutz haben die Schweizer Bauern zum Teil doppelt so hohe Produktionskosten wie ihre Berufskollegen in der EU. Ein Gutachten der Universität St. Gallen zeigt mit unmissverständlichen und aufschlussreichen Vergleichszahlen, dass die einheimischen Landwirte eine ausgezeichnete Arbeit leisten. Hinlänglich bekannt ist, dass ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt lediglich rund 10% des Einkommens für Lebensmittel ausgibt , wogegen EU-Bürger wesentlich tiefer in ihre Tasche greifen müssen und rund 19.4% für Nahrung ausgeben . Trotzdem werden den Bauern die nominal höheren Preise gegenüber der EU dauernd zum Vorwurf gemacht. Trotz ständig steigender Kosten, machen es die Schweizer Bauern den Konsumenten durch Sparanstrengungen und sinkende Produzentenpreise möglich, gemessen am Einkommen, europaweit aus dem günstigsten Nahrungsmittelkorb auswählen und sich ernähren zu können. Das beweist, dass die Schweizer Bauern ihre Hausaufgaben gemacht haben und unter den gegeben Bedingungen effizient und produktiv arbeiten. Die SVP erwartet, dass auch der Bundesrat seien Hausaufgaben macht und die Interessen des Landes, seiner Bevölkerung und der Landwirtschaft richtig gewichtet. Wenn er das tut, wird er die Verhandlungen zum Agrarfreihandel abbrechen.

Ernst Schibli
Ernst Schibli
Nationalrat Otelfingen (ZH)
 
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