Der Ausstieg aus der Milchkontingentierung ist ein reines Desaster. Wir sind heute weiter denn je von einer nachhaltigen und für die Bauernfamilien verträglichen Milchproduktion entfernt…
von Martin Haab, Milchproduzent und Co-Präsident Verein BIG-M, Mettmenstetten (ZH)
Der Ausstieg aus der Milchkontingentierung ist ein reines Desaster. Wir sind heute weiter denn je von einer nachhaltigen und für die Bauernfamilien verträglichen Milchproduktion entfernt.
Der Ausstieg war als geordneter Übergang in eine privatwirtschaftliche Regelung des Milchmarktes geplant. „Die Kontingentsaufhebung heisst nicht, dass es keine Grenzen mehr gibt. Die Sortenorganisationen können dann die Mengen vertraglich regeln. Es wird nicht einfach Anarchie herrschen.“
(Zitat alt BR Pascal Couchepin im « Schweizer Bauer » 6. Juli 2002)
Was daraus geworden ist, haben wir in den vergangenen Monaten alle zusammen mitverfolgen können. Die BOM (Branchenorganisation Milch) hat sehr viele Beschlüsse und Entscheide gefällt, diese wurden aber laufend von den eigenen Vorstandsmitgliedern und deren Organisationen unterlaufen und nicht umgesetzt. Dies passierte auch mit Massnahmen, für welche der Bundesrat die Allgemeinverbindlichkeit beschlossen hatte.
Anarchie im Milchmarkt ist allgegenwärtig.
Für Bundesrätin Doris Leuthard war das Verhalten der Branchenorganisation eine riesige Enttäuschung. „Ich habe den Glauben in die Branche tatsächlich verloren. Denn seit zwei Jahren höre ich nur Versprechungen und Vorschläge in Bezug auf Massnahmen“ so lautete das Verdikt von Bundesrätin Leuthard anlässlich der Diskussionen im Nationalrat zur Motion Aebi im Oktober 2010.
Für die Milchbauern mündet diese Übungsanlage der industriegesteuerten und selbstherrlichen Branchenorganisation in einem finanziellen Desaster. Die hohen Milchmengen können vom Markt nicht mehr aufgenommen werden. Der Milchpreis sinkt kontinuierlich, parallel dazu steigt der Butterberg bereits wieder in astronomische Höhen. Obwohl in sämtlichen Nachbarländern der Auszahlungspreis für die Produzenten in den vergangenen 12 Monaten um bis zu 30 % angestiegen ist.
Zwar hat der Bund ab 2009 zusätzlich 103 Millionen Franken als Raufutterbeiträge für Milchkühe ausbezahlt. Trotzdem sind die Einkommen der spezialisierten Milchviehbetriebe im Talgebiet innerhalb eines Jahres um 23% gefallen.
Im internationalen Umfeld, und dies ist auch ein Teil unseres Milchmarktes, zeigt sich indes eines: Der Wettbewerb spielt sich ausschliesslich auf der Preisebene ab. Die Qualität spielt nur eine untergeordnete Rolle. Diese Tatsache vermögen auch ein paar wenige Ausnahmen nicht aus der Welt zu schaffen. Die zunehmende Öffnung der Grenzen, sowie auch die Entfesselung der Milchproduktion sind die besten Voraus-setzungen, um die vielgelobte Qualitätsstrategie zu versenken.
Im Milchmarkt muss wieder die Vernunft regieren: „Milchproduktion nach Mass – nicht masslos!“ muss die Devise heissen. Das Mass, nach dem sich die Produktion zu richten hat, ist nicht die Verarbeitungskapazität unserer Abnehmer. Das Mass ist auch nicht diejenige Milchmenge, welche wir Bauern produzieren könnten. Das Mass ist einzig und allein diejenige Menge, welche am Markt zu einem vernünftigen Preis abgesetzt werden kann. An diese Menge haben sich die Produzenten zu halten. Und zwar alle Schweizer Milchbauern, inklusive vereinzelter Schlaumeier, welche mit gerissenen Milchhändlern an der Seite sämtliche Mengenregelungen wieder zu unterlaufen versuchen werden.
Die SMP, als Dachorganisation aller Milchbauern, muss die Chance bekommen, die Verantwortung über die zu produzierende Menge übernehmen zu können.
Die von Industrieseite mit zu hohen Abnahmeverträgen bewusst herbeigeführten Überschüsse müssen verursachergerecht beseitigt werden! Eine lineare Abgabe bedeutet eine zu tiefst ungerechte Belastung sämtlicher Produzenten. Die Fettent-sorgung muss durch die Verursacher dieser Überschüsse geschehen. Von der BOM können wir definitiv keine akzeptierbare Lösung in dieser Frage erwarten. Der Ständerat hat es aber in den kommenden Wochen in der Hand, hier ein Wort der Vernunft zu sprechen. Ich hoffe, die Standesvertreter sind sich ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, den Regionen und den Bauernfamilien bewusst.