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Geht das NEAT-Konzept überhaupt auf?

Mit der Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs verfolgt die Schweiz eine ehrgeizige Verkehrspolitik. 2 Jahre nach…

Peter Föhn
Peter Föhn
Nationalrat Muotathal (SZ)

Mit der Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs verfolgt die Schweiz eine ehrgeizige Verkehrspolitik. 2 Jahre nach Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels sollen nur noch 650’000 Fahrten durch die Schweiz stattfinden. Dazu muss die NEAT einen entscheidenden Beitrag leisten können. Die Entwicklung in den vergangenen Jahren zeigt allerdings eine stetige Zunahme des Güterverkehrs auf der Strasse. Zwischenzeitlich Abnahmen beim Verkehr auf der Strasse sind eher mit konjunkturellen Schwankungen zu erklären, als mit allfälligen Effekten der Verkehrsverlagerung. Dazu bemerkt selbst der Bundesrat in seinem aktuellsten Bericht:


„Der Trend zum Transport hochwertiger, aber leichterer Güter erschwert die Konkurrenzfähigkeit der Bahnen.“

Dieser Trend dürfte allerdings nicht nur auf die Schweiz beschränkt sein. Er ist auch nicht der einzige Grund, warum nicht mehr Güter mit der Bahn transportiert werden. Seit Jahren beklagen sich die Transportunternehmen, dass nicht genügend passende Angebote bereit stehen. Vor diesem Hintergrund ist es umso zweifelhafter, warum beim Bau der NEAT vor allem der Personenverkehr im Vordergrund steht.

Zuläufe

Hier deutet sich ein Problem der NEAT an, das bisher noch kaum angesprochen, geschweige denn gelöst ist! Die Schweiz verfügt über den weltweit dichtesten Mischverkehr. Insgesamt belasten vier verschiedene Verkehre das schweizerische Schienennetz. Das sind neben dem Güterverkehr der regionale und der nationale Personenverkehr, sowie künftig in noch weit stärkerem Masse auch der internationale Personenverkehr. Sie alle verkehren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und beeinflussen damit die Kapazitäten der NEAT. Probleme dürften sich insbesondere bei den Zuläufen zu den Basistunneln ergeben. Neben der Frage, wie der Güter- und Personenverkehr zu koordinieren sind, damit kürzere Reisezeiten ebenso wie die Verlagerungsziele erreicht werden können, stellt auch die Durchquerung der Agglomerationen ein grosses Problem dar. In den Ballungsgebieten laufen die verschiedenen Verkehre zusammen und beanspruchen die Infrastruktur gemeinsam. Insbesondere Basel und Lugano sind in diesem Zusammenhang angesprochen, ungelöst sind aber auch die Probleme in Olten, Bern, Zürich und zu einem späteren Zeitpunkt wohl auch in Luzern.

Europäischer Verbund?

Die NEAT ist zudem immer als Teil des europäischen Hochleistungsnetzes bezeichnet worden. Ohne die Erstellung der entsprechenden Zuläufe auch im Ausland, muss die NEAT ihre Wirkung verfehlen. Zwar bestehen zwischen der Schweiz und den Nachbarstaaten Deutschland, Frankreich und Italien Staatsverträge, welche den Ausbau der Zufahrtslinien regeln. Inzwischen hat Deutschland allerdings angekündigt, dass die Strecke Karlsruhe-Basel nicht per 2014 fertig gestellt werden kann. Das Land Baden-Würrtemberg rechnet damit, vom Bund in den kommenden fünf Jahren von den benötigten 2.8 Milliarden Euro nur gerade 140 Mio. zu erhalten. Als Hauptgrund werden fehlende Einnahmen aus der Strassenmaut genannt. Indes ist fraglich, ob und wann das deutsche Mautsystem funktionieren und die erwünschten Mehreinnahmen in die Kassen spülen wird.

Zudem verschiebt sich der Fokus mit der EU-Osterweiterung vom Nord-Süd-Transit zur Ost-West-Achse. Mit der kürzlich erzielten Einigung zwischen Italien und Österreich über den Bau des Brennerbasistunnels könnte sich die veränderte Perspektive noch einmal verschärfen. Das Tunnelbauwerk gilt als Herzstück der Verbindung Berlins mit Mailand und den süditalienischen Häfen.

Das wirft auch ein neues Licht auf die Situation in Oberitalien. Trotz Staatsvertrag ist bisher unklar, wo der Verkehr an der Grenze abgenommen werden soll. Ein Problem dabei ist, dass noch ungeklärt ist, wie der Verkehr ab Bellinzona geführt werden soll. Zudem stellt sich Italien auf den Standpunkt, dass der Ausbau der Strecke über Luino von der Schweiz zu finanzieren sei.

Projektänderungen

Noch bevor diese Fragen beantwortet und die Probleme, die einem reibungslosen Betrieb der NEAT im Weg stehen könnten, gelöst wurden, sind die Reserven der NEAT inzwischen erschöpft worden. Neben den unterschiedlichsten Vergabe- und Ausführungsmisserfolgen ist über die Reserven eine Vielzahl Projektänderungen finanziert worden. Den grössten Brocken stellt dabei mit 651 Millionen der Ausbau des Ceneri-Basistunnels dar.

Es wird hier nicht der Tunnel als solcher in Frage gestellt. Im Gegensatz zu anderen Teilprojekten war er immer auch Teil der Abstimmungsvorlagen. In Frage gestellt werden muss aber der hohe Sicherheitsstandard, mit dem der Ceneri ausgebaut werden soll. Er wird mit den Empfehlungen der International Union of Railways, die erst im vergangenen Sommer veröffentlicht worden sind. Ohne dass je eine eigene relevante Sicherheitsanalyse gemacht worden wäre, sollen diese Mehrkosten bewilligt werden!

Es spricht Bände, dass solche Änderungen nicht ordentlich mit einem Zusatzkredit dem Parlament beantragt werden. Um mühselige Begründungen und die zu erwartenden Widerstände zu umgehen, strapaziert der Bundesrat lieber sein Recht auf die Bewirtschaftung der Reserven.

Weiteres Beispiel für eine festgefahrene Planungspolitik ist der Entscheid über die Erstellung des Verzweigwerkes Uri. Sie schlägt mit geschätzten zusätzlichen 100 Millionen zu Buch. Es ist verständlich und erstrebenwert, die Urner Bevölkerung vor weiteren Belastungen schützen zu wollen. Mit dem Vorentscheid für die Variante Berg lang hat man aber ein Patentrezept gefunden, das alle weiter führenden Überlegungen verbietet. Bei einem Vollausbau würde der Gotthard-Basistunnel so auf 75 bzw. gar auf 85 Kilometer verlängert. Warnungen von Experten, dass die Kosten beim Tunnelbau mit der Länge exponentiell zunehmen, werden offenbar nicht gehört.

Andere Varianten, die Durchquerung des Urnerbodens, eine Linienführung über Stans oder eine Seelisberg-Variante sind kaum auf Vor- und Nachteile geprüft worden. Einige dieser Möglichkeiten hätten das Potenzial, in Luzern den Anschluss der Innerschweiz zu optimieren. Zusammen mit einem Tiefbahnhof in Luzern würden sie auch zur Erreichung der Ziele der Bahn 2000 beitragen.

ETCS

So aber bleiben auch hier die sich abzeichnenden Probleme im Zusammenhang mit dem Mischverkehr bestehen. Als wesentlicher Beitrag zur Erreichung der benötigten Geschwindigkeiten ist immer die elektronische Führerstandsignalisierung European Train Controll System bezeichnet worden. Auf der Neubaustrecke der Bahn 2000 ebenso wie am Lötschberg musste festgestellt werden, dass das neue System noch nicht betriebsbereit ist und dass für mehrere Millionen Rückfallebenen mit konventioneller Signalisation erstellt werden müssen. Daraus resultieren verringerte Geschwindigkeiten und verringerte Aufnahmekapazitäten der Infrastruktur. Doch sind das nicht die einzigen Konsequenzen. Gemäss Landverkehrsabkommen kann die LSVA erst dann auf den Höchstsatz angehoben werden, wenn die vereinbarten Kapazitäten bereit gestellt sind.

Die Fragen, ob und wie die künftige NEAT betrieben werden kann und zu welchen Kosten, müssen beantwortet werden. Dazu gehört auch die Beantwortung der Frage, welchen Einfluss ein verringerter Betrieb auf den Finanzierungsmechanismus der NEAT haben wird. Vor diesem Hintergrund sind alle überbordenden Projektänderungen abzulehnen ebenso wie der beantragte Zusatzkredit. Mehrkosten sind zwingend durch Verzichte zu kompensieren. Es kann nicht sein, dass so massive Projekterweiterungen wie diejenige des Ceneribasistunnels vorgenommen werden, ohne dass eine eigene Sicherheitsanalyse erstellt worden ist. Insofern kann die SVP auch nicht der Freigabe der gesperrten Mittel für die 2. Phase zustimmen.

Peter Föhn
Peter Föhn
Nationalrat Muotathal (SZ)
 
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