Gute Rahmenbedingungen für die Schweizer KMU

Heute habe ich zum ersten Mal die Gelegenheit, mich als Wirtschaftsminister an Sie zu wenden. Ich freue mich sehr, das hier im Kanton Thurgau tun zu dürfen – einem Kanton, der meinem Waadtland sehr ähnlich ist und in dem der Puls der Schweizer Wirtschaft stark zu spüren ist. Vielen Dank an unsere Thurgauer Freunde für ihre Gastfreundschaft!

Guy Parmelin
Guy Parmelin
Bundesrat Bursins (VD)

Als Schweizer Wirtschaftsminister funktioniere ich ähnlich wie ein Dirigent: Ich geniesse zwar gewisse Vorteile, aber ohne Orchester und ohne Publikum kann ich nichts bewirken. Die Wirtschaftspolitik ist denn auch mit einem Konzert vergleichbar: Es geht nicht um einzelne Klänge, die die Luft erfüllen, sondern um eine ganze Partitur, die sich aus den Entscheidungen des Bundesrates, des Parlaments und des Volkes ergibt.

Diesbezüglich darf ich sagen, dass sich die Entscheide des Volkes in wirtschaftlichen Belangen in den letzten Jahren als weise und weitsichtig erwiesen haben. Dafür spricht, dass der Schweizer Wirtschaftsstandort heute weltweit einer der wettbewerbsfähigsten ist. Das verdanken wir insbesondere der direkten Demokratie und dem Föderalismus, die zusammen den richtigen Nährboden für eine Politik des gesunden Menschenverstandes bilden – dieser gesunde Menschenverstand, von dem der grosse französische Philosoph Marmontel im 18. Jahrhundert sagte, er sei «die grundlegende Stärke des Genies».

Dieses Genie erlaubt es uns auch, trotz aller Widrigkeiten den engen Handlungsspielraum, über den die Schweiz als Nicht-Mitglied der EU verfügt, vollumfänglich auszuschöpfen und für unsere Wirtschaft und unsere Unternehmen möglichst gewinnbringend zu nutzen.

Die Schweiz verfügt über erstaunliche und bewundernswerte Stärken. In erster Linie denke ich an ihre Widerstandsfähigkeit. So ist es unserem Land dank unserer bemerkenswerten Anpassungsfähigkeit gelungen, die grössten Schwierigkeiten seit der Jahrtausendwende relativ gut zu meistern, von der Finanzkrise bis zum Frankenschock.

Die Schweiz hat diese Hürden letztlich recht gut überstanden, weil sie ein unternehmerisches, ausdauerndes und vorausschauendes Land ist. Die Schweiz ist auch deshalb widerstandsfähig, weil sie ihre internationalen Beziehungen sorgfältig pflegt. Ich denke dabei an die Kontakte zu unseren europäischen Partnern, aber auch Beziehungen darüber hinaus, die wir, wenn immer möglich, durch den Abschluss von Freihandels- und anderen Abkommen weiterentwickeln.

Unsere Wirtschaft zählt zahlreiche international ausgerichtete Unternehmen, die an verschiedenen Standorten tätig sind. Dank ihrer Flexibilität und ihrer breit abgestützten geografischen Präsenz können sie rasch auf Änderungen der Rahmenbedingungen reagieren. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sie in der Schweiz bleiben.

Doch wir dürfen auch unsere inländische Wirtschaft und die zahlreichen KMU, die einen Grossteil unsers Wirtschaftsgeflechts ausmachen, nicht vernachlässigen. Diese KMU sichern unsern Wohlstand und unzählige Arbeitsplätze. Im Gegenzug erwarten sie von uns, dass wir ihnen weiterhin die bestmöglichen Rahmenbedingungen bieten.

Aber «gute Rahmenbedingungen» darf nicht einfach ein Mantra sein für Politikerinnen und Politiker, denen gerade kein anderes Motto einfällt! In der Schweiz verstehen wir darunter vielmehr ein aktives und entschlossenes Engagement von Regierung und Parlament für einen ausgeglichenen Staatshaushalt, ein attraktives Steuersystem, einen schlanken regulatorischen Rahmen und eine auf Qualität ausgerichtete Bildungspolitik.

Gerne möchte ich einige Faktoren aufgreifen, die in meinen Augen für eine funktionierende Wirtschaft unabdingbar sind:

1. Ein wettbewerbsfähiges Steuersystem

Aus Sicht der KMU muss ein wettbewerbsfähiges Steuersystem sowohl die Unternehmen als auch die Privatpersonen berücksichtigen. Momentan blicken diesbezüglich alle gespannt auf die Referendumsabstimmung vom 19. Mai zum Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung, die sogenannte STAF. Für die Unternehmen, die Kantone und den Bund ist diese Vorlage notwendig, um bei der Unternehmensbesteuerung Planungssicherheit zu gewährleisten. Entsprechend unterstütze ich die Bemühungen meines Kollegen Ueli Maurer in diesem Bereich voll und ganz.

2. Bürokratieabbau und administrative Entlastung

Ich sage es Ihnen ganz ehrlich, meine Damen und Herren: Bürokratieabbau ist eine Sisyphusarbeit. Ein ständiger Kampf. Und ich kann mir gut vorstellen, wie kleine und mittlere Unternehmen sich damit abmühen, die administrativen Kosten, mit denen sie konfrontiert sind, in den Griff zu bekommen. Hier spreche ich von KMU, die sich kein Heer von Juristinnen und Juristen oder sogar einen eigenen Rechtsdienst leisten können, um die Konformität ihrer Produkte und Dienstleistungen zu gewährleisten. Diese KMU stehen manchmal vor beinahe unüberwindbaren administrativen Hürden, – dabei wären ihre Patrons viel lieber bei den Kunden als im Büro.

Hier gibt es erhebliches Verbesserungspotenzial. Dessen ist sich mein Departement durchaus bewusst. Noch vor Ende Jahr wird das WBF dem Bundesrat in diesem Bereich Berichte vorlegen und Vorschläge machen, wie Entlastungen vollzogen werden können. Diese basieren teilweise auch auf parlamentarischen Vorstössen aus unseren Reihen.

Weitere Möglichkeiten für Vereinfachungen wurden erkannt, insbesondere in der Landwirtschaft. Diese können – unabhängig von der Agrarpolitik 22+ – schon auf den Beginn des nächsten Jahres umgesetzt werden.

3. Wettbewerb

Der Wettbewerb ist Thema zahlreicher Anfragen und Vorschläge, die der Bundesrat noch dieses Jahr behandeln muss, insbesondere im Zusammenhang mit der «Hochpreisinsel Schweiz». Hier möchte ich die «Fair-Preis-Initiative» speziell hervorheben, für die der Bundesrat momentan einen Gegenvorschlag ausarbeitet.

Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass Wettbewerb und Preisbildung immer zwei Seiten haben, die in einem Spannungsfeld stehen: Gute Preise ermöglichen gute Löhne. Diese müssen aber dann auch wieder im Wettbewerb erwirtschaftet werden, im Idealfall mit einer Produktion, die möglichst kostengünstig erfolgen kann.

4. Bildung / Innovation

Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen in unserem Land gehören die Qualität der Berufsbildung und unser duales Bildungssystem. Sie stellen die Grundlage für unseren Wohlstand und das Rückgrat unserer KMU dar. Ohne sie gibt es keine Berufsleute und ohne Berufsleute keine Entwicklung und kein Wachstum. Das zeigt deutlich, wie wichtig dieser Bereich ist und dass wir ihm Sorge tragen müssen.

Hier ist auch Weitsicht gefragt. So haben der Bund, die Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt verschiedene Projekte lanciert, um die duale Berufsbildung auf die Herausforderungen der Digitalisierung vorzubereiten. Auch die KMU sind direkt davon betroffen, denn schliesslich geht es darum, ihre Anpassungsfähigkeit an dieses neue Umfeld sowohl zu wahren als auch zu stärken.

Die Robustheit des Wirtschaftsstandortes Schweiz hängt aber genauso sehr von Lehre und Forschung ab, wie sie auf Hochschulebene stattfinden. Akademische Institutionen, die sich der modernen Wissenschaft widmen, müssen über ausreichende Mittel und geeignete Einrichtungen verfügen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass sie sorgfältig auf die Bedürfnisse unseres Landes und unserer Unternehmen abgestimmt sind.

Für die Weiterentwicklung des bestehenden Systems − das vor allem durch die mehrjährigen Finanzierungsbotschaften konkretisiert wird − muss daher stets auch die Frage nach den Bedürfnissen unserer KMU im Zentrum stehen, beispielsweise bei der Berufsbildung, bei der Innovationsförderung und beim Wissenstransfer.

5. Digitalisierung

Dieser Begriff ist bei den politischen Akteuren momentan in aller Munde. Bei den KMU steht er aber schon länger auf der Liste der Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. Wenn ich sehe, wie viele Unternehmen in der Schweiz sich mit Themen wie Fintech, Cyber-Sicherheit oder Blockchain befassen, bin ich optimistisch, dass wir hier ein grosses Potenzial haben, um weltweit führend zu sein. Da sich diese Bereiche rasch weiterentwickeln, muss der Bund die nötige Rechtssicherheit gewährleisten. Dabei kann es nicht unser Ziel sein, alles sofort zu regulieren, was angesichts der rasanten Entwicklung dieser Technologien auch illusorisch wäre. Vielmehr müssen wir hier sicherstellen, dass wir allen Unternehmen, die den digitalen Wandel bei sich vollziehen wollen, einen sicheren Rechtsrahmen bieten.

6. Landwirtschaft

Auch die landwirtschaftlichen Berufe, die ich gut kenne, müssen sich laufend verändern.

Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Wirtschaft. Landwirtinnen und Landwirte müssen heute als Unternehmerinnen und Unternehmer handeln, auch wenn sie sich das ursprünglich vielleicht nicht so vorgestellt hatten.

Eine produzierende Landwirtschaft hat auch in Zukunft wichtige Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehören die Ernährung der Bevölkerung, die Erhaltung der Landschaft und die Entwicklung des ländlichen Raumes.

Diese Stossrichtungen müssen im Zentrum der geplanten Agrarpolitik 22+ des Bundes stehen. Die Vernehmlassung zu dieser Vorlage ist nun abgeschlossen und die Verwaltung analysiert momentan allfällige Anpassungen. Persönlich habe ich beim zuständigen Amt bereits angeregt, dass alle Möglichkeiten zur Stärkung der unternehmerischen Freiheit und zur Vereinfachung administrativer Abläufe geprüft werden. Mit diesem Ziel vor Augen wird in den nächsten Monaten an der Vorlage weitergearbeitet und gefeilt werden.

7. Förderung der regionalen Entwicklung

Aus Sicht der KMU ist es wichtig, dass gewisse Regionen nicht einfach vergessen gehen, nur weil sie in der Peripherie, ausserhalb der grossen Zentren und abseits der wichtigen Verkehrsachsen liegen. Dabei denke ich vor allem an die Bergregionen, die heute stark unter Druck sind. Ein relativ schneereicher Winter darf nicht über die tiefer liegenden Probleme hinwegtäuschen. Mein Departement nimmt dieses Problem sehr ernst und prüft alle möglichen Optionen, um das wirtschaftliche Entwicklungspotenzial der Berggebiete zu stärken. Lösungsansätze sollen anschliessend aufgezeigt werden.

Meine Damen und Herren, liebe Delegierte

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch einige Worte zum Föderalismus und zur Sozialpartnerschaft sagen, die meines Erachtens zwei grundlegende Stützen für die Stabilität unseres Landes darstellen.

Der Föderalismus prägt unsere Rechtsordnung und stellt sicher, dass Entscheidungen so bürgernah wie möglich getroffen werden. Der Föderalismus geht auf die effektiven Bedürfnisse der Bevölkerung ein. Es ist der Föderalismus, der die Grundlage für unsere geschätzte Basisdemokratie bildet. Irgendwelche leeren Aufrufe für ein «harmonisches Zusammenleben» hingegen bringen da nichts.

Vor diesem Hintergrund und auch weil das Wohlergehen der Wirtschaft von lokalen Faktoren abhängt, müssen wir stets darauf achten, dass wir einen aktiven Dialog mit den Kantonen pflegen, um so den nationalen Zusammenhalt zu gewährleisten.

Die Sozialpartnerschaft ihrerseits erlaubt es den direkt Betroffenen, einschneidende Interventionen des Bundes zu vermeiden. Denn sie bietet ihnen die Möglichkeit, selbst geeignete Regeln für ihre Zusammenarbeit festzulegen. Deshalb halte ich es für sinnvoll, den Sozialpartnern den notwendigen Handlungsspielraum zu gewähren, um gemeinsam und ohne Einmischung von aussen Lösungen zu finden.

Eine solche Zusammenarbeit hat viele Vorteile, denn hier geht es nicht länger um das reine Kräftemessen, das – wie sich in unseren Nachbarländern beobachten lässt – in vielen Fällen zu Blockaden führt. Die Sozialpartnerschaft ermöglicht einen flexibleren Umgang mit dem Arbeitsmarkt, was unseren Unternehmen eine rasche Anpassung erlaubt, ohne dass wir dabei Abstriche beim Arbeitnehmerschutz in Kauf nehmen müssen – deshalb auch die grosse Vorsicht, mit der diesbezüglich der Entwurf des Rahmenabkommens mit der EU angegangen werden muss.

Ich glaube, ich konnte Ihnen hiermit zeigen, dass mein Departement in sehr vielen verschiedenen Bereichen noch viel Arbeit vor sich hat. Erwarten Sie jedoch nicht überall nur Erfolge und bitte schon gar keine Wunder! Die Themen sind zahlreich, aber auch komplex und werden Zeit brauchen, noch dazu in einem angespannten politischen Kontext. Ich danke Ihnen für die Unterstützung und Ihre Aufmerksamkeit.

Guy Parmelin
Guy Parmelin
Bundesrat Bursins (VD)
 
Wir verwenden Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten und Zugriffe auf unsere Webseite analysieren zu können. Ausserdem geben wir Informationen zur Nutzung unserer Webseite an unsere Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.Details ansehen Details ansehen
Ich bin einverstanden