Der Titel ist polemisch, das gebe ich zu. Dennoch widerspiegelt er die Realität des ungewollten Abdriftens der Entwicklungshilfe seit dem letzten Weltkrieg. Die Statistiken zeigen es auf grausame Weis
Der Titel ist polemisch, das gebe ich zu.
Dennoch widerspiegelt er die Realität des ungewollten Abdriftens der Entwicklungshilfe seit dem letzten Weltkrieg. Die Statistiken zeigen es auf grausame Weise: Die Länder, die die höchsten Beiträge im Rahmen der Entwicklungshilfe erhielten, gehören heute zu den Ärmsten der Dritten Welt.
Weshalb?
Ganz einfach deshalb, weil man sich nur um den Input kümmerte, nur um die Geldströme, die in den Süden geleitet wurden. Die Weltbank, die UNO und die EU sorgten sich um nichts anderes als die von ihnen selbst auferlegten Regeln, ohne an die Definierung von Kriterien zu denken, um den Erfolg der unternommenen Anstrengungen zu messen und die Wirkung der investierten Gelder zu kontrollieren.
Der Output wurde somit gänzlich vernachlässigt, ebenso die Analyse der konkreten Resultate, die mit den investierten Milliarden erzielt wurden.
Und weshalb das?
Offensichtlich weil die investierten Beiträge eher dazu dienten, ein auf die Kolonialzeit zurückgehendes Schuldgefühl zu beruhigen, als den Ländern des Südens zu helfen, aus ihrer Abhängigkeit zu kommen. Oder war es ein unterschwelliger und unausgesprochener Rassismus, der als Paternalismus getarnt ein für allemal dekretierte, dass die armen Länder durch die westliche Welt gerettet werden sollten? Das Instrument, um dieses angeblich edle Ziel zu erreichen, erhielt die Bezeichnung „Entwicklungshilfe“. Und man versah die zuvor als „barbarisch oder nicht zivilisiert“ bezeichnetet Länder mit dem Etikett „unterentwickelte Länder“. Was die so genannt „wilden Völker“ aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg angeht, erhielten sie die noblere Appellation „Dritte Welt“.
Aus diesem Vorgehen reiften sehr rasch gefährliche Früchte heran. Mit der Entwicklungshilfe, welche in 40 Jahren die wahnwitzige Summe von einer Billiarde Dollar erreichte, wurden vor allem die Korruption, die Faulheit, die angelernte Abhängigkeit subventioniert, dann auch aufgeblähte Staatsverwaltungen und Diktaturen, denen man die Möglichkeit gab, mit ihren Nachbarn Krieg zu führen. Im Bestreben, gut und grosszügig zu sein, haben wir vergessen, diese Hilfe an strikte Regeln zu binden, welche Marktgesetze, Reformen sowie andere Prozesse und Haltungen vorantreiben sollten. Schauen wir uns Ghana und Malaysia an, zwei ehemalige britische Kolonien. Während sich die beiden Länder nach der Unabhängigkeit anfänglich in fast vergleichbaren Situationen befanden, weist Malaysia heute ein Bruttoinlandprodukt auf, das jenes von Ghana um das Zehnfache übersteigt, obschon es sich um ein Land handelt, das über viele Rohstoffe verfügt und von der Entwicklungshilfe stark profitierte.
Die Statistiken sind grausam. Was Afrika betrifft, zeigen sie sehr klar, dass sich das Wachstum umgekehrt proportional verhält zu den Beträgen, die ihm Rahmen der Entwicklungshilfe investiert wurden.
Um makellos dazustehen, scheut man sich also nicht, die Entwicklung der Drittweltländer durch eine zwar gut gemeinte, aber kontraproduktive Hilfe zunichte zu machen.
Paradoxerweise kommen die kritischsten Stimmen bezüglich Entwicklungshilfe ausgerechnet aus Afrika. Der Südafrikaner Thembo Sono stellt fest, „dass im Grunde die Entwicklungshilfe das ist, was Afrika am wenigsten braucht“. James Shikwati aus Kenia schilderte im „Spiegel“, wie die Entwicklungshilfe „enorme Bürokratien finanziert, die Korruption und die Vetternwirtschaft fördert und die Afrikaner zur Bettelei und Abhängigkeit erzieht“. June Arunga, ebenfalls aus Kenia, erklärte im Jahr 2004 sogar gegenüber der BBC sogar, dass „Entwicklungshilfe nur die Fortsetzung des Kolonialismus mit andern Mitteln darstellt“.
Man könnte noch viele Aussagen zitieren, aber ich will hier aufhören. Der sozialistische Egalitarismus, welcher überall die gleichen Normen aufzwingen will, bedeutet in Tat und Wahrheit die totale Missachtung der kulturellen Unterschiede, Partikularismen und Identitäten. Ausserdem zeugt er von Arroganz und mangelndem Vertrauen in die Fähigkeit der Länder des Südens, ihre Situation selber in die Hand zu nehmen. Im Bestreben, den ganzen Planeten ausbrüten und bemuttern zu wollen, unterdrückt diese kollektivistische Mentalität jeglichen Willen zu Unabhängigkeit und Autonomie. Heute ist es für ein afrikanisches Land lukrativer, arm und somit für die Entwicklungshilfe attraktiv zu bleiben statt durch eine gute politische Staatsführung seriöse Investoren anzulocken.
Die Feststellung des Misserfolges sollte uns zwingen, die Wahrnehmung unserer Rolle als entwickeltes Land gegenüber den Entwicklungsländern zu überdenken. Wir müssen damit aufhören, die Welt durch die ethnozentristische Brille des weissen Mannes zu sehen; wir müssen damit aufhören, der ganzen Welt ein Funktionieren auferlegen zu wollen, das mit der Kultur anderer Länder und Kontinente nicht kompatibel ist, als ob es das einzig mögliche Modell wäre.
Anstatt gedankenlos enorme Summen zu überweisen, die es korrupten Staatsführern erlauben, teure Limousinen zu kaufen, sollten wir vielmehr zur Bedingung machen, dass jeder investierte Franken dem Ausbau der wirtschaftlichen und politischen Freiheiten zugute kommt sowie das Verantwortungsbewusstein und auch eine gerechte Besteuerung, vor allem der Reichsten, fördert. Es dürfte sich auch lohnen, eine gerechtere Handelsbilanz herzustellen.
Afrika, der arme Kontinent, kann gerettet werden. Aber er kann sich nur selber retten. Ihn unter einer Geldlawine, die wir gewissermassen als Almosen an Arme verteilen, abhängig zu halten, bedeutet mangelnden Respekt vor dem schwarzen Menschen, der weder dümmer noch weniger arbeitsam ist als der Weisse.
Lassen wir Afrika auf seine Art arbeiten, damit es sich auf der Grundlage seiner eigenen Initiativen und Kräfte retten kann. Wir müssen Vertrauen haben in den Afrikaner, der zwar anders ist als wir, aber über eine reiche Geschichte und tiefgreifende Wurzeln verfügt.