Der Bundesrat hat am Mittwoch einen schwierigen aber auch einen wichtigen Entscheid gefällt: Die Beschaffung neuer Flugzeuge, die den Tiger ersetzen sollen, dieser sogenannte Tigerteilersatz oder…
Zurück zur Realität
Der Bundesrat hat am Mittwoch einen schwierigen aber auch einen wichtigen Entscheid gefällt: Die Beschaffung neuer Flugzeuge, die den Tiger ersetzen sollen, dieser sogenannte Tigerteilersatz oder TTE, wird verschoben.
Schwierig war dieser Entscheid deshalb, weil die Schweiz neue Kampfflugzeuge braucht. Die Tiger wurden mit den Rüstungsprogrammen 76 und 81 angeschafft. Sie sind jetzt seit rund dreissig Jahren im Einsatz. Die Wartungsarbeiten werden teurer und die Technologie ist veraltet. Diese Flugzeuge müssen ersetzt werden.
Wichtig war der Entscheid darum, weil wir uns damit etwas Handlungsspielraum gewahrt haben. Ein Kauf hätte bedeutet, dass wir für mehrere Jahre auf ein Rüstungsprogramm hätten verzichten müssen. Wir brauchen unsere knappen Mittel dringend und zwingend in den Bereichen wie der Logistik, die für das tägliche Funktionieren der Armee in den Schulen und Wiederholungskursen absolut entscheidend sind. Es blieb nichts anderes übrig, als die Notbremse zu ziehen. Wir sind leider in einer Situation, in der wir nur noch das Allerdringendste beschaffen können und auf Dringendes verzichten müssen.
Man muss diesen Entscheid in einem grösseren Gesamtbild sehen: Sicherheit kostet. Dieses Bewusstsein ist in den letzten Jahren verloren gegangen. Mit dem Entscheid zum TTE sind wir in der Realität angelangt, die viel zu lange verdrängt wurde. Darin liegt seine Bedeutung.
Einerseits hat die Armee in den vergangenen Jahren grosse Sparleistungen erbringen müssen. Wenn man irgendwo von einer schmerzhaften Sparschraube sprechen kann, dann sicher bei der Armee. Die vermeintliche Friedensgewissheit nach dem Fall der Berliner Mauer liess viele glauben, Sicherheit sei ein Naturzustand und deshalb umsonst zu haben. Es fehlte das Bewusstsein, dass Sicherheit immer auch Anstrengung, Aufwand und Ausgaben bedeutet.
Andererseits hatten auch in der Armee Einzelne etwas gar ehrgeizige Ambitionen gehegt. Bildlich gesprochen: Sie wollten bei den ganz Grossen mitmarschieren und haben dabei einen viel zu schweren Tornister geschultert. Man orientierte sich an der NATO. Entsprechend wurde vieles für viel Geld umgestellt; vieles wurde angeschafft, was für die Milizarmee eines Kleinstaates zu teuer ist. Auch da war das Kostenbewusstsein verloren gegangen.
Wir leiden heute unter den Folgen dieser Illusion, Sicherheit sei gratis, und unter den Folgen dieses Wunsches, dabei zu sein, so zu sein wie die grossen Armeen. Illusion und Wunsch waren für einige Jahre stärker als der Sinn für die Realität. Aber diese Realität hat uns jetzt eingeholt.
Wie viel Sicherheit wollen wir?
Nach der Euphorie kommt jetzt die Nüchternheit zurück. Der Kater nach dem Rausch ist nicht angenehm, das ist verständlich. Aber wir sind jetzt daran, wieder mit klarem Kopf und ungetrübtem Blick die Fakten zu analysieren.
Ein erster Schritt war der Sicherheitspolitische Bericht. Ein wichtiger Schritt war nun diese Verschiebung der Flugzeugbeschaffung. Und ein weiterer wird der Armeebericht sein.
Alle diese Schritte machen wir auf dem Weg zu einer Armee für die Miliz, zu einer Armee, in der wir Bürger für die Sicherheit unseres Landes sorgen. Und genau darum geht es: Um die Sicherheit unseres Landes.
Die Armee ist kein Selbstzweck. Das Geld, das uns die Armee kostet, ist eine Investition; eine Investition in die Sicherheit und damit in die Zukunft unserer Schweiz. Wenn wir Waffen beschaffen, dann beschaffen wir damit Instrumente, um den Frieden zu wahren. Wenn wir Soldaten ausbilden, dann bilden wir sie zu Garanten unserer Sicherheit aus.
Das alles kostet. Aber auf die Dauer zahlt es sich aus. Es zahlt sich aus in Frieden und damit auch in Wohlstand. Indirekt also sogar in Franken. Für Militärausgaben gilt: Der Zins ist der Frieden. Und der Zinseszins ist der Wohlstand.
Wir müssen deshalb jetzt die wichtige Frage beantworten: Wie viel Sicherheit wollen wir. Ich betone: wollen. Denn es ist nichts anderes als eine Willensfrage. Es ist ja nicht so, dass wir kein Geld mehr hätten. Vielmehr haben wir zu entscheiden, wofür wir es ausgeben. Die Verteidigungsausgaben betragen nur gut 8% der Bundesausgaben, vor zwanzig Jahren waren es noch über 18%.
Die Schweiz gehört bei den Verteidigungsausgaben nun schon zu den Schlusslichtern in Europa. Im Gegensatz zu andern Staaten vernachlässigen wir also die Investitionen im Bereich Sicherheit. Das heisst genau dort, wo wir heute die Grundlage für den Wohlstand von morgen schaffen. Denn Sicherheit ist für die Stabilität in Wirtschaft und Gesellschaft unabdingbar. Und Stabilität ist Voraussetzung für Wohlstand. Wer mit der Sicherheit experimentiert, der experimentiert mit der Grundlage unseres Wohlstandes.
Konsequenzen bedenken
Das ist bedenklich genug. Aber noch bedenklicher ist, dass wir in einem Ernstfall unsere Soldaten mit zu wenig und veraltetem Material und mit veralteten Waffen in den Einsatz schicken müssten.
Bei der Armee geht es um etwas sehr Ernstes. Um etwas wortwörtlich Todernstes. Ja: es geht dabei um Leben und Tod.
Die Ausrüstung, die wir beschaffen, beschaffen wir für die jungen Schweizerinnen und Schweizer, die uns den Frieden sichern. Wir müssen uns konkret vorstellen, was das heisst: Da bekommt jemand den Auftrag, ein wichtiges Objekt zu schützen. Zum Beispiel einen grossen Bahnhof. Er sorgt für die Sicherheit von zehntausenden Passagieren, die dort verkehren. Vom berufstätigen Pendler bis zur Klasse auf der Schulreise. Er setzt dafür aber sein eigenes Leben ein – er setzt sein Leben für andere ein!
Was für ein Land wären wir, wenn wir diesen Leuten nicht die bestmögliche Ausbildung ermöglichen und die bestmögliche Ausrüstung besorgen würden? Wir können es doch mit unserem Gewissen nicht vereinbaren, dass wir Menschen mit lebensgefährlichen Aufgaben betrauen und ihnen dazu die optimale Ausrüstung verweigern – ich zumindest kann das nicht.
Und wie lange könnten wir wohl auf junge Leute zählen, die sich für diese Gesellschaft einsetzen, wenn ihnen diese Gesellschaft nicht das beste Material für ihren gefährlichen Auftrag zur Verfügung stellt?
Ich will auf jeden Fall niemanden in den Einsatz schicken, für den wir nicht durch Ausbildung und Ausrüstung die besten Voraussetzungen geschaffen haben, dass er auch wieder heil zurückkommen kann.
Das ist zur Zeit nicht der Fall. Wir könnten heute viele Truppen nicht einsetzen. Zur Zeit können wir von zwanzig Infanteriebataillonen gerade mal drei vollständig ausrüsten, von sechs Panzerbataillonen und fünf Artillerieabteilungen sind es jeweils zwei.
Ich habe darum mit dem Armeebericht eine Auslegeordnung vorgenommen. Darin schlage ich verschiedene Varianten vor. Klar ist aber, dass eine einsatzfähige Armee mehr kostet als die jetzige, auch wenn sie kleiner ist.
Es liegt jetzt an Bundesrat und Parlament zu entscheiden. Und das ist ein Entscheid von grosser Tragweite. Es geht nicht nur um die Zahlen in der Buchhaltung. Es geht darum, wie sich die Schweiz auf die Zukunft einstellt. Es geht um die Grundlagen der Sicherheit. Um die Grundlage des Wohlstandes. Und vor allem geht es auch um Menschenleben.
Wer unsern Soldaten die bestmögliche Ausrüstung verweigert, der trägt letztlich die Verantwortung für unnötige Opfer. Ich sage es nochmals: Wir stehen hier vor wichtigen und folgenschweren Entscheidungen. Wer nicht bereit ist, für die Ausrüstung die erforderlichen Mittel zu sprechen, der spielt mit dem Leben unserer jungen Frauen und Männer, die Militärdienst leisten.
Konsequenterweise aber sollten diese dann auch die Departementsführung des VBS übernehmen und den Mut haben, damit auch formell zu dieser schweren Verantwortung zu stehen. Ich möchte nicht ein Departement führen, dem wichtige Entscheide aufgezwungen werden, die möglicherweise Menschenleben betreffen.
Fazit
Ich fasse zusammen: Wir gehen Schritt für Schritt auf dem Weg zu einer Milizarmee, wie sie den Sicherheitsbedürfnissen des neutralen Kleinstaates Schweiz entspricht. Dabei nehmen wir Abschied von hochfliegenden Plänen und Projekten aus den Jahren, da die Schweiz die Hightech-Armeen anderer Staaten kopieren wollte. Wir konzentrieren uns auf eine Armee, in der die Bürger für die Sicherheit der Bürger sorgen.
Hinter uns lassen müssen wir auch die Vorstellung, Sicherheit sei gratis zu haben. Sicherheit gibt es nicht umsonst. Sicherheit kostet. Und wir müssen jetzt entscheiden, wie viel uns diese Sicherheit wert ist.
Denn mit unserer Armee stehen wir heute am Scheideweg: Es geht darum, ob unsere Mitbürger, die unsere Sicherheit gewährleisten sollen, auch die Mittel bekommen, die sie für ihren Auftrag brauchen.