In den Grundsätzen des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist festgehalten, dass die Angleichung der Volkswirtschaften aller EU-Länder eines der Hauptziele der Integration…
Nationalrat Otto Laubacher, Kriens (LU)
In den Grundsätzen des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist festgehalten, dass die Angleichung der Volkswirtschaften aller EU-Länder eines der Hauptziele der Integration Europas darstellt. Zu diesem Zwecke schuf die EU im Jahre 1994 einen Fonds, der den Mitgliedstaaten helfen soll, wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zu verringern und deren Wirtschaft zu stabilisieren. Unterstützt werden nur Mitgliedstaaten mit einem Pro-Kopf-Bruttoinlandprodukt (BIP) von weniger als 90 % des Gemeinschaftsdurchschnitts. Gespiesen wird der Fonds von den reichen, wirtschaftlich wohlhabenden Länder der Europäischen Union. Seit der EU-Osterweiterung vom 1. Mai 2004 wird dieser Kohäsionsfonds jedoch arg strapaziert, denn neben Spanien, Portugal und Griechenland sind auch alle 10 neuen EU-Staaten bezugsberechtigt. Neue Nettozahler allerdings sind mit der Osterweiterung nicht dazugekommen.
Die EU-Osterweiterung kostet Geld
Vor diesem Hintergrund sah sich die EU gezwungen, nach neuen Einnahmequellen zu Gunsten des Kohäsionsfonds zu suchen. Zunächst wurden die drei EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein vermehrt zur Kasse gebeten. Die Beiträge, welche diese drei Staaten bereits zuvor an die EU zu leisten hatten, wurden mit der EU-Osterweiterung massiv erhöht. Begründet wurden diese Beitragserhöhungen mit der Vergrösserung des Binnenmarktes, welcher diesen Staaten Nutzen bringe.
Am 14. Mai 2003 wandte sich der damalige EU-Kommissar für Aussenbeziehungen, Lord Chris Pattern, in einem Brief auch an die Schweiz. Dies mit dem „Wunsch der Europäischen Union nach einem Erweiterungsbeitrag der Schweiz“. Pattern begründete auch diese Forderung damit, dass die Integration Osteuropas in die „Familie demokratischer Staaten und Marktwirtschaften“ eine „historische Aufgabe“ darstelle, an welche jeder Staat – ergo auch die Schweiz – seinen Beitrag zu leisten habe. Man erwarte von der Schweiz deshalb einen finanziellen Beitrag an die EU-Osterweiterung im Ausmass etwa der EWR-Staaten. Der Schweizer Beitrag, so war dem Schreiben von Chris Pattern weiter zu entnehmen, müsse jedoch nicht notwendigerweise in den Kohäsionsfonds fliessen, sondern könne den neuen EU-Staaten auch direkt zukommen. Zwar nannte der EU-Aussenkommissar dem Bundesrat noch keine Zahl, wies jedoch diskret darauf hin, dass das BIP der Schweiz gegenüber jenem von Norwegen doch erheblich grösser sei.
Bilaterale II erkauft
Der Zeitpunkt der Forderung kam selbstverständlich nicht von ungefähr: Die Schweiz und die EU befanden sich damals mitten in den Verhandlungen über die Bilateralen II und die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit. Die Schweiz werde mit der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit massiv vom erweiterten EU-Binnenmarkt profitieren. (Vergessen geht dabei, dass die 10 neuen EU-Staaten durch die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit ebenfalls einen äusserst interessanten Zugang zum Schweizer Markt erhalten). Als die Bilateralen II ins Stocken gerieten, versprach Bundesrätin Calmy-Rey Kommissar Chris Pattern, einen Beitrag in der Höhe von einer Milliarde Schweizer Franken über eine Verpflichtungsperiode von fünf Jahren „zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU“ zu leisten. Geld löst eben doch alle Probleme: Plötzlich konnten alle noch offenen Punkte in den verschiedenen Dossiers in einem sogenannten „bilateralen Aufwisch“ gelöst werden. Um die Schweizer Abstimmungen nicht zu gefährden, wollte der Bundesrat denn auch eine Verknüpfung dieser Zahlung mit dem erweiterten Personenfreizügigkeitsabkommen vermeiden. Man unterstrich, dass es sich bei der Schweizer Zahlung um eine eigenständige Lösung handle, die nicht als Leistung an den EU-Kohäsionsfonds zu verstehen sei. Der Schweizer Beitrag sei ein Akt der Solidarität und werde in bilateralen Projekten und Programmen zugunsten der zehn neuen EU-Mitgliedstaaten bestehen.
Die Vorlage: das Osthilfegesetz
Das Versprechen von Bundesrätin Calmy-Rey wurde in der Folge am 12. Mai 2004 im Bundesrat beschlossen. Gerne hätte der Bundesrat diese Zahlung gerne ohne Befragung des Parlamentes und geschweige denn des Volkes geleistet und die ganze Angelegenheit rein brieflich geregelt. Nur dank massivem Druck der SVP konnte erreicht werden, dass der Bundesrat dieses Zahlungsversprechen in ein referendumsfähiges Bundesgesetz fasste. Der Bundesrat sah vor, als Rechtsgrundlage für diese Milliardenzahlung das Gesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas und der GUS – das so genannte Osthilfegesetz – zu verwenden, welches zu diesem Zeitpunkt in der parlamentarischen Beratung war. Das Bundesgesetz soll den bisherigen allgemeinverbindlichen und auf 10 Jahre befristeten Bundesbeschluss ersetzen.
Das vorliegende Bundesgesetz definiert den Betrag der Kohäsionszahlungen nicht. Das heisst: Mit diesem Gesetz stimmt man nicht nur der Zahlung von einer Milliarde Franken zu, sondern man erteilt dem Bundesrat quasi einen Freipass für weitere, unbegrenzte Zahlungen. Es ist kein Wunder, dass bereits wieder von zusätzlichen 350 Millionen Franken die Rede ist, welche die Schweiz anlässlich des EU-Beitritts von Rumänien und Bulgarien im kommenden Jahr überweisen soll. Kommt hinzu, dass diese enormen Ausgaben nicht – wie ursprünglich versprochen – im Bundeshaushalt kompensiert werden.
Nach den parlamentarischen Beratungen, zu welchen mein Kollege Nationalrat Walter Wobmann Stellung nehmen wird, ergriff die SVP gegen das am 24. März 2006 von der Bundesversammlung beschlossene Osthilfegesetz das Referendum. Unsere Partei reichte am 12. Juli dieses Jahres über 70’000 Unterschriften ein. Dank der SVP hat nun am kommenden 26. November das Volk das letzte Wort.