Was bedeuten bilaterale Verhandlungen? Die EU interpretiert sie als Befehlsausgaberapport. Und die offizielle Schweiz versteht darunter eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Weder das Eine noch das Andere
Was bedeuten bilaterale Verhandlungen? Die EU interpretiert sie als Befehlsausgaberapport. Und die offizielle Schweiz versteht darunter eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Weder das Eine noch das Andere trifft zu. Es geht um eine Ausmarchung. Es geht um „do ut des“, um Geben und Nehmen zwischen zwei Verhandlungspartnern. Und es geht um die Vertretung der eigenen Interessen.
Eigentlich ist das klar und bedürfte keiner genaueren Erläuterung. Im Privatleben handelt jeder so: Wenn unsere weitgereisten und weitreisenden Bundesräte – ich denke etwa an Herrn Couchepin auf seiner kürzlichen Marokkoreise oder an Frau Calmy-Rey auf ihrer Afrika-Fahrt im letzten Sommer – sich auf einem Basar ein hübsches Souvenir erstehen wollen, gehen sie nicht auf die erste, dreiste Forderung des Basari ein; hartes, lautes, langes Feilschen ist selbstverständlich – zumindest dann, wenn sich der erworbene Gegenstand nicht auf die Spesenrechnung setzen lässt.
Aussenpolitik ist Interessenpolitik
In der Diplomatie ist das nicht anders. Aussenpolitik ist Interessenpolitik. Wer nicht seine eigenen Interessen vertritt, stellt sich automatisch in den Dienst fremder Interessen. Und das ist entweder Dummheit oder Verrat.
Das müssen wir uns vor Augen halten, wenn wir uns gegenüber der EU positionieren. Die Interessen unseres Landes sollen die Richtschnur schweizerischer Aussenpolitik sein. Auf eine eingängige Formel gebracht heisst das: Den Fortbestand unserer freiheitlichen, souveränen, direktdemokratischen und florierenden Schweiz sichern. Allein daran haben wir uns zu orientieren.
Betrachten wir das derzeitige Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU, ist seitens der EU eine klare und konsequente Interessenpolitik auszumachen, wenn auch kaschiert durch einen Schwall blumiger Worte. In der Schweiz dagegen sind die blumigen Worte offizielles Programm. Folglich schlittern Bundesrat, Classe politique und Diplomatie kopf- und konzeptlos einem Desaster entgegen. Die EU verlangt in drohendem Ton, gewisse Regelungen kantonaler Steuerregimes aufzuheben. Dabei versteigt sie sich zu einer absurden Neuinterpretation des Freihandelsvertrags aus dem Jahr 1972. Das ist juristischer Unfug, trotzdem – oder gerade deswegen – aber hoch gefährlich.
Stellen wir klar, was das bedeutet: Steuerfragen sind von besonderer Brisanz. Wenn es um Steuern geht, tritt der Staat dem Bürger mit hoheitlicher Gewalt gegenüber, greift auf dessen Privateigentum. Art und Intensität des Eingriffs sind deshalb ein Gradmesser für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und respektierter Privatautonomie. Die Steuerpflicht ist deshalb in der Schweiz mit dem Recht verknüpft, frei über die Steuerordnung zu befinden. Darin liegt ein wirtschaftliches Erfolgsrezept unseres Landes. Das sei auch gewissen Vertretern der Wirtschaft in Erinnerung gerufen, die für eine hochproblematische Ostzuwanderung unsere freiheitliche Ordnung zur Disposition stellen wollen.
Angriff auf unsere Souveränität
Wenn nun die EU mit der Forderung an uns herantritt, die Steuerregimes nach ihren Vorstellungen zu gestalten, ist das nicht nur ein Angriff auf unsere Standortattraktivität, sondern ein direkter Angriff auf demokratisch erlassene Gesetze, unsere freiheitliche Ordnung und unsere Eigenstaatlichkeit.
Aus heiterem Himmel kommen die Anmassungen der EU-Diplomaten freilich nicht. Vielmehr sind sie das Resultat einer mutlosen Haltung der Schweiz. Das innenpolitische Klima der Schweiz, durch Willenlosigkeit und Willfährigkeit geprägt, hat längst auf die aussenpolitische Interessenwahrung durchgeschlagen. Rot-Grün, Etikettenbürgerliche, linke Medien und linke Intellektuelle diffamieren, wer sich für unsere Schweiz einsetzt. Nachdem Christoph Blocher im Albisgüetli die aussenpolitische Lage erläutert und dafür plädiert hat, unser Interessen zu verteidigen, war man sich in der Regierungs-Allianz von Hans-Jürg Fehr über Christophe Darbellay bis zu den Bundesräten Merz und Couchepin in der Reaktion einig: Es sei ungehörig und pervers, für sich selbst zu schauen. Damit mache man die Steuerfrage verhandelbar – dabei ist jedermann klar, dass es bei der Garantie der Schweizer Steuerautonomie keineswegs um Verhandlungen, sondern um eine Erklärung der EU geht. Ich bin mir sicher: Spielten diese Politiker Schach, sie würden sich selbst schachmatt zu setzen – am liebsten noch vor der Partie.
Mit unserem kampflosen Nachgeben jedoch wecken wir nur immer neue Begehrlichkeiten. Wenn wir die Schwächespirale durchbrechen wollen, müssen wir den Forderungen der EU mit Entschiedenheit und Entschlos-senheit entgegentreten.
Ausgangslage nutzen!
Nehmen wir eine Auslegeordnung vor, stellen wir fest, dass sich die Schweiz insgesamt in einer guten Position befindet. Folgende Dossiers werden verhandelt:
Umgekehrt sind diese Verhandlungspunkte für die EU wichtig. Ähnlich verhält es sich mit weiteren, immer wieder genannten Bereichen, wie etwa Agrarfreihandel, öffentliche Gesundheit, Satelliten-Navigations-system Galileo oder Abschluss eines Rahmenabkommens. Allesamt sind sie ebenso Anliegen der EU. Mit Ausnahme vielleicht des Letzteren, das auch von Diplomatenkreisen im EDA als Vehikel zu ihrer Machterweiterung freudig begrüsst wird.
Dieser Ausgangslage entsprechend müssen wir uns aufstellen:
Nur so können wir erreichen, dass die Schweiz ihre eigenen Interessen vertritt und nicht jene der EU – Das ist die Classe politique dem Volk schuldig!