Die Reserven der NEAT von insgesamt 1.947 Milliarden Franken sind erschöpft! Jetzt wird vom Parlament erwartet, dass es einem…
Die Reserven der NEAT von insgesamt 1.947 Milliarden Franken sind erschöpft! Jetzt wird vom Parlament erwartet, dass es einem Zusatzkredit von noch einmal 900 Millionen zustimmt, obschon der aktuellste Bericht zum Schluss kommt, dass weitere ungedeckte Kosten von 814 Millionen ins Haus stehen. Vor diesem Hintergrund stellt sich zuerst einmal die Frage, wie die Reserven aufgebraucht worden sind.
Bereit gestellt worden sind sie, um Mehrkosten aufzufangen, die durch ungünstige geologische und hydrologische Verhältnisse verursacht werden. Gemäss der Botschaft hätte aber die Freigabe von Mitteln aus den Reserven nur erfolgen sollen, wenn das Parlament einem Zusatzkredit zugestimmt hätte. Eine weitere Voraussetzung wäre zudem die Prüfung einer Verzichtsplanung gewesen. Zwar obliegt es dem Bundesrat, die Reserven zu bewirtschaften, er unterliegt aber einer Auskunftspflicht gegenüber den eidgenössischen Räten. Diese scheint umgangenen worden zu sein, um langwierige und mühsame Diskussionen im Parlament zu vermeiden!
Die Kostenüberschreitungen und die Art, wie sie kommuniziert werden, legen zudem den Schluss nahe, dass das Controlling nicht funktioniert. Nachdem die zuständige Kommission des Ständerats dem Zusatzkredit bereits zugestimmt hatte, sind zu Beginn dieses Jahres erneut Mehrkosten von mehreren hundert Millionen bekannt geworden. Während Tagen haben sich danach Ersteller und Bundesamt für Verkehr die Schuld zugeschoben.
Besonders unglücklich ist, dass die Reserven jetzt erschöpft sind, noch bevor alle geologisch heiklen Zonen erreicht worden sind. Es muss damit gerechnet werden, dass bei einer Häufung von Ereignissen frische Mittel gesprochen werden müssen.
Bevorschussungslimite
Es sind aber nicht allein die Mehrkosten, welche die Finanzierung der NEAT aus dem Lot zu bringen drohen. Schon länger haben Zweifel darüber bestanden, ob die Bahnen in der Lage sind, die ihnen vom Bund gewährten Darlehen im Umfang von 25 % der gesamten Kosten nicht nur zu verzinsen, sondern auch in vollem Umfang zurückzuzahlen. Immerhin hat man dafür eine Amortisationsfrist von 60 Jahren vorgesehen. Ein wichtiges Argument war, dass die Kosten auch den kommenden Generationen belastet werde sollten, die auch den grössten Nutzen aus der NEAT ziehen. Nachdem die Bahnen schon im vergangenen Jahr durchsickern liessen, diese Kosten nicht tragen zu können, bestätigen diese Tatsache nun auch das Departement und das Bundesamt für Verkehr. Diese Entwicklung hat allerdings weitreichende Konsequenzen für den Spezialfonds zur Finanzierung der Eisenbahngrossprojekte.
Um eine notwendige Flexibilisierung insbesondere zu Beginn des Projektes zu schaffen und Baufortschritte nicht zu behindern, wurde vorgesehen, dass der Bund den Fonds bevorschussen kann. Damit ist ermöglicht worden, dass zwischenzeitlich Ausgaben gedeckt werden können, welche die laufenden Ausgaben übersteigen. Ab etwa dem Jahr 2010 hätte dann die sukzessive Rückzahlung der bevorschussten Mittel erfolgen sollen. Für diese Bevorschussung wurde eine Limite von 4.2 Milliarden Franken definiert.
Die Prognose der Bahnen wirft nun dieses Konzept über den Haufen! Es erscheint unumgänglich, die Bevorschussungslimite zu erhöhen. Dazu hat das Bundesamt für Verkehr verschiedene Szenarien formuliert, die eine Erhöhung der Bevorschussungslimite auf 7, 7.7 und 9 Milliarden vorsehen. Zudem sollen nach dem Wegfall der Verzinsung und Rückzahlung durch die Bahnen die übrigen drei Finanzierungsinstrumente zeitlich erstreckt werden. Daraus ergeben sich aber einige Probleme.
Zum einen wird verschwiegen, dass mit der Erhöhung der Bevorschussungslimite auch die Zinslast ansteigt. Bei 7 Milliarden resultieren zusätzliche Kosten von 120 Millionen jährlich, bei 9 Milliarden gar über 214 Millionen. Dies sind zusätzlich Kosten, die den Fonds belasten und durch die übrigen Finanzierungsinstrumente gedeckt werden müssen. Ob dies möglich sein wird, ist aber mehr als fraglich.
Sollte die Verkehrsverlagerung tatsächlich erfolgreich sein, verringern sich damit fast schon zwangsläufig die Einnahmen aus der LSVA. Mit einer allfälligen Umsetzung des CO2-Gesetzes und der Einführung einer Abgabe dürften sich zudem auch die Einnahmen bei den Mineralölsteuererträgen verringern. Als letztes Finanzierungsmittel bleibt nur der Anteil der Mehrwertsteuer, und die Frage ist berechtigt, ob dieser Anteil und vielleicht sogar die Mehrwertsteuer insgesamt erhöht werden müssen. Ungeklärt bleibt zum aktuellen Zeitpunkt, wie gross die zeitliche Erstreckung sein muss bis alle durch die Bahnen verursachten Ausfälle ausgeglichen sind. Unklar sind auch die Konsequenzen für die übrigen Eisenbahngrossprojekte, die aus diesem Fonds bezahlt werden sollten, und für eine allfällige NEAT 2!
Unterhalts- und Betriebskosten
Zu den Befürchtungen die im Hinblick auf die Baukosten der NEAT bestehen, kommen noch die Sorgen um die Unterhalts- und Betriebskosten der Infrastruktur. Zwar wird das Bundesamt für Verkehr nicht müde zu betonen, dass es nach aktuellen Schätzungen den Betreiber möglich sein sollte, diese Kosten selber zu tragen. Gleichzeitig weist das Amt aber auch darauf hin, dass die Infrastruktur insgesamt defizitär sei. Der Bund ist schliesslich verpflichtet, alle ungedeckten Kosten für Betrieb und Unterhalt der Infrastruktur zu übernehmen. Damit wird es wahrscheinlich, dass die NEAT die Finanzrechnung des Bundes erst recht belasten wird, wenn die Basislinien einmal eröffnet sind!
Ob die NEAT tatsächlich auch Gewinne erwirtschaften kann, die diese Mehrbelastungen der Bundesfinanzen auszugleichen vermögen, ist mehr als fraglich! Die Bedürfnisse des Personenverkehrs werden prioritär behandelt. Dennoch soll die NEAT zur Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene beitragen. Andererseits ist es der Güterverkehr, aus dem den Bahnen Gewinne entstehen könnten. Insofern stellt sich schon die Frage, ob beim Bau der NEAT nicht falsche Prioritäten gesetzt werden.
Welche Bedeutung die NEAT schliesslich für den gesamteuropäischen Güterverkehr haben wird, ist letztlich völlig offen. Zwar ist uns immer wieder versichert worden, dass mit dem Abschluss des Landverkehrsabkommens Europa unsere ehrgeizigen Ziele und Instrumente der Verkehrspolitik übernehme. Ironischerweise behaupten das dieselben Leute, die sonst immer den mangelnden Einfluss der Schweiz in der EU beklagen! Wie dem auch sei: Im vergangenen Jahr hat der deutsche Verkehrsminister Stolpe anlässlich seines Besuches deutlich gemacht, dass für die EU die Strasse der wichtigste Verkehrsträger sei und vorläufig auch bleibe. Man muss auch feststellen, dass mit der Osterweiterung der Blick weg von der Nord-Süd-Achse und hin zur Transit zwischen Ost und West gewandt wird. Damit gewinnt auch der geplante Brennerbasistunnel eine viel grössere Bedeutung, verbindet er doch den Osten Deutschlands mit den Häfen in Italien.
Die SVP kann dem Zusatzkredit nicht zustimmen. Angesichts aller Unsicherheiten und der drohenden Folgekosten verbietet es sich allein schon aus finanzpolitischen Überlegungen dem Zusatzkredit zuzustimmen. Voraussetzung für einen verantwortungsbewussten Entscheid ist mit Sicherheit die Beantwortung der offenen Fragen. Bevor entschieden werden kann, muss geklärt werden, wie Unterhalt und Betrieb der neuen Infrastruktur die Finanzrechnung des Bundes belasten. Es ist auch aufzuzeigen, durch welche Verzichte die Mehrkosten kompensiert werden können. Es muss schliesslich dargelegt werden, welche Auswirkungen der Wegfall eines Finanzierungsinstrumentes auf den FinöV-Fonds hat. Und in diesem Zusammenhang stellt sich auch die dringende Frage, ob nicht die gesamte Finanzierung angesichts der veränderten Ausgangslage dem Volk erneut zur Abstimmung vorgelegt werden muss.