Die Arbeitslosenversicherung (ALV) hat Ende Juni 2010 CHF 7 Mia. Schulden angehäuft. Dazu kommt jährlich ein strukturelles Defizit von CHF 1 Mrd. …
Die Arbeitslosenversicherung (ALV) hat Ende Juni 2010 CHF 7 Mia. Schulden angehäuft. Dazu kommt jährlich ein strukturelles Defizit von CHF 1 Mrd. (d.h. Schulden, die auflaufen, unabhängig von der Wirtschaftslage). Die Arbeitslosenversicherung (ALV) hat Ende Juni 2010 CHF 7 Mia. Schulden angehäuft. Dazu kommt jährlich ein strukturelles Defizit von CHF 1 Mrd. (d.h. Schulden, die auflaufen, unabhängig von der Wirtschaftslage). So kann es nicht weitergehen. Mit der ALV steckt ein weiteres Sozialwerk in der Schuldenfalle. Vor weniger als einem Jahr, am 27. September 2009, haben wir einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4% zur Sanierung der Invalidenversicherung (IV) zugestimmt. Vor zwei Wochen hat der Bundesrat angekündigt, dass die Erwerbsersatzordnung (EO) für die Mutterschaftsversicherung um 0,2% Lohnprozente erhöht werden muss, weil sich auch hier ein Schuldenberg anhäuft. Löcher sind auch bei den Krankenkassen und der AHV zu stopfen. Die angekündigten Prämienerhöhungen belaufen sich auf rund 10% und die AHV braucht wegen der gestiegenen Lebenserwartung rund 1 bis 2 zusätzliche Mehrwertsteuer-Prozente. Kurzum: Alle Sozialwerke sind in Schieflage geraten. Gelingt es uns nicht, diese so rasch als möglich zu sanieren, kollabiert das System – und dies zum Schaden unserer Kinder.
Die Arbeitslosenversicherung – ein wichtiger Stabilisator in der Krise
Der letzte Wirtschaftseinbruch hat gezeigt, wie wichtig die ALV ist. Sie stabilisiert das gesamte Wirtschaftssystem und gewährleistet, dass der private Konsum nicht einbricht. Das schafft Vertrauen. Dank der ALV kann der Staat auf teure Konjunkturprogramme verzichten, die entweder gar nicht oder zu spät wirken.
Die ALV ist sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Unternehmer ein wichtiges Sozialwerk. Niemand will auf die ALV verzichten; weder heute noch in Zukunft. Alle sollten deshalb ein Interesse haben, dass die Finanzierung der ALV auf gesunden Füssen steht. Die angehäuften Schuld von CHF 7 Mrd., die jährlich um eine weitere 1 Mrd. ansteigt, muss abgebaut werden. Wir können diese nicht einfach unseren Kindern weitergeben. Andernfalls gilt für sie nur noch: Ausser Spesen nichts gewesen.
Ausgeglichene Reform – die Lasten sind verteilt
Die ALV ist in Schieflage geraten, weil bei der letzten Revision eine zu niedrige Sockelarbeitslosigkeit angenommen wurde. Das heisst, es wurde mit zu optimistischen Zahlen operiert. Damals glaubte man, dass im Durchschnitt nicht mehr als 100’000 Arbeitslose gemeldet sein würden (Arbeitslosenquote von 2,5%). Die Erfahrung hat nun aber gezeigt, dass die durchschnittliche Arbeitslosigkeit bei 125’000 Arbeitslosen liegt, was einer Arbeitslosenquote von 3,3% entspricht. Aufgrund der zu optimistisch angenommenen Arbeitslosenzahlen funktioniert der Finanzierungsmechanismus nicht. Dieser hätte es erlauben sollen, während der Rezession Schulden anzuhäufen, um sie im Aufschwung wieder abzubauen. Die ALV hat von Beginn weg Schulden angehäuft. Deshalb müssen jetzt:
Um diese beiden Ziele zu erreichen, können drei Stellschrauben betätigt werden, es sind diese:
Die Revision, über die wir am 26. September 2010 abstimmen, setzt an allen drei Stellschrauben an.
Auf der Einnahmenseite:
Revision |
Wirkung |
Erhöhung des Beitragssatzes von 2 auf 2,2%. |
Plus CHF 460 Mio. pro Jahr |
Zusatzsatz von 1% auf Einkommen zwischen CHF 126’000 und 315’000 (sogenannter Solidaritätsbeitrag) |
Plus CHF 160 Mio. pro Jahr |
Anpassung des Bundes- und Kantonsbeitrags |
Plus CHF 160 Mio. pro Jahr |
Zusatzeinnahmen Total |
CHF 646 Mio. pro Jahr |
Auf der Ausgabenseite:
Revision |
Bisherige Regelung |
Einsparung |
Anpassung der Bezugsdauer an Beitragsdauer: – 1 Beitragsjahr – 1,5 Beitragsjahre – +2 Beitragsjahre – Bezugsdauer von Personen ohne Beitragszahlungen (Mutterschaft, Ausbildung) |
immer 400 Taggelder wie bisher immer 520 Taggelder immer 260 Taggelder |
Jährliche Einsparung: = CHF 189 Mio.
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Arbeitsmarktliche Massnahmen nicht mehr als Beitragszeit anerkannt |
Bisher anerkannt |
Jährliche Einsparung: |
Wartezeit für Schul- oder Studienabgänger von 120 Tagen |
Bisher Ausnahmen anerkannt |
Jährliche Einsparung: |
Personen unter 25 ohne Familie = 200 Taggelder |
Bisher 400 Taggelder |
Jährliche Einsparung: |
Personen mit Einkommen über CHF 60’000 ohne Familie haben zwischen 10 und 20 Wartetage |
Bisher 5 Wartetage
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Jährliche Einsparung: |
Weitere Massnahmen
Keine Anrechnung der Kompensationszahlungen zur Aufbesserung des Zwischenverdiensts |
Bisher angerechnet |
Jährliche Einsparung: |
ALV bezahlt für arbeitsmarktliche Massnahmen von Nichtversicherten 50%. Rest übernimmt Kanton |
Bisher übernahm ALV 80% der Kosten |
Jährliche Einsparung: |
Reduzierung der Beiträge an Kantone zur Finanzierung von Arbeitsmarktlichen Massnahmen |
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Jährliche Einsparung: |
Keine Verlängerung der Bezugsdauer in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit |
Kantone konnten Taggelder auf 520 erhöhen |
Jährliche Einsparung: |
Austausch zwischen ALV und Ausländerbehörden wird verbessert |
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Total Einsparungen (inkl. abnehmende MWSt-pflicht) |
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CHF 622 Mio. pro Jahr |
Lasten gerecht verteilt
Die Lasten zur Sanierung der ALV sind gerecht verteilt. Auf der Einnahmeseite werden die Beiträge um 0,2% erhöht und bei den hohen Löhnen zwischen CHF 126’000 und 315’000 ein Solidaritätsbeitrag von einem zusätzlichen Lohnprozent erhoben. Gleichzeitig werden auf der Ausgabenseite verschiedene Leistungen gekürzt. Von besonderer Bedeutung sind die Anpassung der Bezugsdauer an die Beitragsdauer oder die Leistungskürzungen bei den Wiedereinsteigern – beispielsweise nach Mutterschaft oder Aus-/Weiterbildung – sowie bei jüngeren Personen. Damit werden die falschen Anreize eliminiert und potenziellem Missbrauch von Beginn weg ein Riegel geschoben. Zudem kann jüngeren Menschen, die noch keine familiären Verpflichtungen haben, eine gewisse Flexibilität zugemutet werden.
ALV-Leistungen bleiben gut
Insgesamt bleiben die ALV-Leistungen in der Schweiz grosszügig. Dies zeigt ein Vergleich mit Deutschland, den Niederlanden, Dänemark oder Österreich, alles Länder die bzgl. Sozialleistungen nicht eben knauserig sind.
ALV-Leistungen bleiben gut
Land |
Beitragszeit |
Leistungsdauer | Vers. Lohn in % | Max. Taggeld in CHF |
Schweiz |
12 Monate |
18 Monate > 55J. = 24 Mt. | 80/70% | 8’400 |
Deutschland |
12 Monate |
6-12 Monate > 50J. = 15-24 M. | 67/60% |
5’427 West 4’556 Ost |
Dänemark |
12 Monate |
4 Jahre | 90% bis Max. Tagggeld | 2’900 |
Niederlande |
6 – 38 Monate |
= Beitragszeit | 75% bis 2 Monate 70% danach | 4’275 |
Österreich |
12 Monate |
4.6-9 Monate > 50J. = 12 Mt. | 55% netto | 3’300 |
Es kann also nicht die Rede davon sein, dass die Revision zum Ausverkauf der ALV führt. Dies ist weder im Interesse der Arbeitnehmer noch der Unternehmen. Wir alle wollen eine gesunde ALV, damit diese auch in Zukunft ihre wichtige Funktion als Konjunkturstabilisator erfüllen kann. Dazu muss aber:
Was passiert bei einem „Nein“?
Sagen wir „nein“ zur Revision, muss der Bundesrat aufgrund des geltenden Gesetzes die Lohnabzüge um 0,5% erhöhen. Das heisst, die Lohnabzüge steigen mehr als doppelt so stark an. Dem Bürger bleibt noch weniger in der Tasche, was sich negativ auf den Konsum auswirkt. Die Unternehmen liefern dem Staat noch mehr ab, was ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter verschlechtert. Insgesamt werden bei einer Ablehnung der Revision mehr Arbeitsplätze gefährdet.