Kampf für die Volksrechte: Keine EU-Verhältnisse in der Schweiz

Was sich die Regierungsparteien in der Juni-Session geleistet haben, ist wohl einmalig: In schlaumeierischer und hinterhältiger Manier haben sie zwei völlig verschiedene Gesetzesvorlagen…

Christoph Blocher
Christoph Blocher
a. Bundesrat Herrliberg (ZH)

Das „Päckli“
Was sich die Regierungsparteien in der Juni-Session geleistet haben, ist wohl einmalig: In schlaumeierischer und hinterhältiger Manier haben sie zwei völlig verschiedene Gesetzesvorlagen zusammengebunden, damit nicht mehr einzeln darüber abgestimmt werden kann. Eine betrifft die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien und die zweite betrifft die Weiterführung der bisherigen Personenfreizügigkeit mit den alten EU-Staaten. Diese beiden Vorlagen haben die Politiker in ein schmuddeliges „Päckli“ zusammengebunden, um eine echte Stimmabgabe des Stimmbürgers zu verunmöglichen.

Was ist die Folge dieses „Päcklis“? Der Stimmbürger, der zur einen Vorlage NEIN und zur anderen Vorlage JA sagen will, kann nicht mehr abstimmen! Sagt er JA, so heisst er eine Vorlage gut, die er ablehnen möchte, und sagt er NEIN, so verwirft er eine Vorlage, die er bejahen will!
Meine Damen und Herren: Eine solch verfassungswidrige Abstimmungsfrage zu unterbreiten, ist unerhört!
Wer nun ein Referendum zu dieser Vorlage ergreift, nimmt teil an diesem betrügerischen Spiel, nimmt diese Scheinfrage ernst, und hilft, sie dem Stimmbürger vorzulegen, was einer direkten Demokratie unwürdig ist!

Warum dieses Trauerspiel?
Die Regierungsparteien wissen: Die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien in der vorgelegten Form und zum jetzigen Zeitpunkt stösst auf grosse Skepsis und könnte vom Schweizer Volk abgelehnt werden. Die SVP hat klar entschieden: Das Abkommen betreffend Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien ist abzulehnen.
Das Parlament versucht nun mit einer Schein-Abstimmung ein JA zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien hinzuschwindeln. Später wird man dann aber die Verantwortung dem Schweizer Volk zuschieben. Wir hören schon die Ausreden: „Ja, das war der Wille des Volkes, das Volk hat JA gesagt“ und man wird verschweigen, dass es sich um gar keine echte Volksabstimmung gehandelt hat.
Ebenso wird man dann der EU freudig mitteilen: „Ihr seht, die Schweiz ist das einzige Land Europas, wo das Volk über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit abstimmen konnte, und dieses Volk hat JA gesagt zu dieser Ausdehnung“. Selbstverständlich wird man auch hier die Tatsache unterschlagen, dass das Volk nicht an einer freien Abstimmung teilnehmen konnte.
Meine Damen und Herren, Sie ahnen es bereits: Die Schweiz soll sich den undemokratischen Zuständen in der EU annähern. Haben Sie die Volksabstimmung in Irland und die Reaktionen in den EU-Staaten miterlebt? Einem Demokraten muss es bange werden. Und jetzt soll es bei uns ähnlich zugehen.

Totengräber und Falschmünzer am Werk
Was haben Regierung und Parlament nicht alles versprochen, als es darum ging, die Personenfreizügigkeit dem Schweizer Volk schmackhaft zu machen? Lesen Sie in diesem Zusammenhang das Abstimmungsbüchlein zur Personenfreizügigkeit mit der EU im Jahre 1999.
Ich zitiere: „…; im siebten Jahr nach Inkrafttreten entscheidet die Bundesversammlung, ob das Abkommen über die Freizügigkeit weitergeführt wird. Darüber kann das Volk erneut abstimmen, sofern das Referendum ergriffen wird.“
Der Bundesrat fährt weiter: „Das Parlament wird zudem entscheiden, ob das Abkommen über die Freizügigkeit auch für Staaten gilt, die später der EU beitreten. Auch darüber kann das Volk im Falle eines Referendums abstimmen.“
Nach dem Päckli-Beschluss in der Juni-Session 2008 sind diese Versprechen gebrochen worden: Über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien kann das Schweizer Volk nicht mehr abstimmen!

Lesen Sie auch das Abstimmungsbüchlein zur erweiterten Personenfreizügigkeit mit der EU im Jahre 2005.
Ich zitiere: „Im Jahr 2009 entscheidet das Parlament, ob das Freizügigkeitsabkommen weiterzuführen ist; im Falle eines Referendums haben die Stimmberechtigen erneut das letzte Wort.“ Und dann wird weiter gesagt: „Auch eine Ausdehnung der Freizügigkeit auf künftige neue EU-Staaten muss vom Parlament genehmigt werden und untersteht dem fakultativen Referendum.“

Auch dieses bundesrätliche Versprechen vom Jahre 2005 ist gebrochen worden. Der Stimmbürger kann nicht über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien entscheiden.
Das ist eines Landes wie der Schweiz unwürdig.

Was hat die SVP nun zu tun?
Meine Damen und Herren, wenn man jetzt die Sache in der ganzen Tiefe betrachtet und die Folgen des verfassungswidrigen Einbruchs in unsere Rechtsordnung bedenkt, hat man keine Möglichkeit für ein Referendum mehr, sondern lediglich noch für ein Schein-Referendum. Darauf muss aber eine demokratische Partei wie die SVP verzichten.
Ein „Schein-Referendum“ und eine „Schein-Volksabstimmung“ ist der schweizerischen Demokratie unwürdig!
Die SVP darf hier nicht mitspielen. Wir spielen nicht mit verzinkten Karten.
Wir bedauern, dass man kein Referendum ergreifen kann und dass das Parlament dem Stimmbürger wichtige Vorlagen – die EU betreffend – entzieht.
Wirklich helfen kann dabei letzlich wirksam nur eines, nämlich dass man in Zukunft die Schweizerische Volkspartei wählt. Sie ist die Partei, welche noch zur direkten Demokratie steht und undemokratische Tricks gegenüber dem Souverän ablehnt.
Darum meine Damen und Herren, ich beantrage Ihnen auf dieses Schein-Referendum zu verzichten und auch kein Schein-Referendum zu unterstützen. Die Verantwortung für dieses geradezu diktatorische Vorgehen betreffend die Personenfreizügigkeit mit Bulgarien und Rumänien sollen die Regierungsparteien tragen! Als Totengräber der direkten Demokratie.

Christoph Blocher
Christoph Blocher
a. Bundesrat Herrliberg (ZH)
 
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