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Konsolidierung der 2. Säule – Vorstoss für mehr Transparenz und Flexibilität

Patrick Fournier, Nendaz (VS)

Die Lage der 2. Säule ist äusserst besorgniserregend

Mit einem Gesamtvermögen von rund 420 Milliarden Franken stellen die Pensionskassen heute den wichtigsten Pfeiler der drei Säulen unserer Altersvorsorge dar. Noch bis in die jüngste Vergangenheit stammten zwei Drittel ihrer Einnahmen aus den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen und ein Drittel aus den Renditen ihrer Anlagen.

Seit dem Frühjahr 2000 generierten die Anlagen jedoch Verluste, so dass zahlreiche Pensionskassen ihre Reserven aufbrauchten und in eine technische Unterdeckung gerieten. Die hauptsächlichsten Gründe für die Unterdeckung zahlreicher Pensionskassen sind aber weniger im Zusammenbruch der Aktienkurse in den letzten drei Jahren als vielmehr bei den allzu grosszügig gestalteten Versicherungsleistungen sowie bei den Beitragsrabatten, den so genannten „Holiday-Beiträgen“, zu suchen.

Laut Bundesrat Pascal Couchepin beläuft sich die Unterdeckung der schweizerischen Pensionskassen auf insgesamt etwa 50 Milliarden Franken. Das heisst, dass die durchschnittliche Unterdeckung deutlich mehr als 10 Prozent beträgt. Angesichts der stetigen Zunahme der Lebenserwartung und des angewandten Zinssatzes von 3,25 Prozent, mit dem die Altersguthaben gegenwärtig mindestens verzinst werden müssen, nehmen die Verpflichtungen der Pensionskassen rasch zu.

Die gegenwärtige und künftige Unterdeckung stellt unbestreitbar eine schwere Bürde für die erwerbstätige Bevölkerung dar, weil es an ihr liegt, die klaffenden Löcher zu stopfen. Denn auf Grund des geltenden Rechtes dürfen die Rentner nicht verpflichtet werden, sich finanziell an der Sanierung der Pensionskassen zu beteiligen.

Dazu kommt, dass die Pensionskassen verpflichtet sind, eine technische Rendite von 4 Prozent auf den Altersguthaben zu gewährleisten, obschon die Renditen auf sicheren Anlagen gegenwärtig wesentlich unterhalb dieses Niveaus angesiedelt sind. Eine zehnjährige Bundesobligation beispielsweise rentiert gegenwärtig zu einem Jahreszins von 2,42 Prozent. Auch diese zusätzliche Belastung muss von der aktiven Bevölkerung getragen werden.

Ferner basiert die Rentenberechnung auf der Hypothese einer Lebenserwartung, die im Vergleich zur tatsächlichen Langlebigkeit der Leute viel zu tief angesetzt ist. Ich spreche hier vom Rentenumwandlungssatz. Dieser liegt gegenwärtig bei 7,2 Prozent. Das bedeutet, dass eine erwerbstätige Person mit einem Altersguthaben von 100’000 Franken beim Eintritt ins Rentenalter Anrecht auf eine Jahresrente von 7’200 Franken bis zum Lebensende hat.

Der Umwandlungssatz von 7,2 Prozent ist im BVG von 1985 festgeschrieben und stützt sich auf Sterblichkeitstabellen der Eidg. Versicherungskasse (EVK) von 1980, die ihrerseits auf Schätzungen aus den Jahren 1974-78 basieren. Die Erfahrung zeigt aber, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Rentner jedes Jahr um einen Monat zunimmt – bei den Rentnerinnen fällt die Zunahme noch markanter aus. Machen wir die Rechnung: Seit 1978 sind 25 Jahre vergangen; das bedeutet, dass die heutigen Rentner statistisch gesehen mindestens zwei Jahre länger leben als jene von 1985; der Rentenumwandlungssatz müsste also sofort auf 6,5 Prozent herabgesetzt werden. (2003, E65H = 17 Jahre, E65F = 21,5 Jahre)

Im Rahmen der ersten BVG-Revision sah das Parlament vor, diesen Satz innerhalb von zehn Jahren auf 6,8 Prozent zu senken. Das Parlament ging dabei von einem Zinssatz auf den Altersguthaben von 4 Prozent aus. Bis dahin wird jedoch die Lebenserwartung um ein weiteres Jahr gestiegen sein und der Zinssatz auf den Altersguthaben wird wahrscheinlich näher bei 3 Prozent als bei 4 Prozent liegen. Der mathematisch korrekte Umwandlungssatz müsste also bei 6,2 Prozent liegen. Diese erste BVG-Revision ist also kaum etwas anderes als ein Flickwerk, das verhältnismässig rasche weitere Revisionen notwendig machen wird.

Bestimmte Versicherungsgesellschaften haben dieser Entwicklung bereits vorgegriffen, allen voran die Winterthur als Nummer 2 unter den schweizerischen Lebensversicherungsgesellschaften. Deren Modell beinhaltet eine Senkung des Rentenumwandlungssatzes auf 5,84 Prozent für die Männer und auf 5,45 Prozent für die Frauen. Diese Senkung gilt allerdings nur für den überobligatorischen Bereich, d.h. für den Lohnanteil, der 75’960 Franken pro Jahr übersteigt. Dazu kommt eine Senkung der Verzinsung des überobligatorischen Teils auf 2 Prozent (gegenwärtig 3,25 Prozent). Diese Ansätze erscheinen mir – in einer Langzeitoptik – allerdings etwas übervorsichtig.

Angesichts des geltenden Rechts – eine Senkung der Renten steht ausser Frage – geht es konkret darum, dass die Lohnbezüger und die Arbeitgeber neues Kapital einschiessen müssen, um die entstandenen Löcher zu stopfen. Hier drängt sich aber eine ausschlaggebende Frage auf: Ist die Wirtschaft, resp. die Arbeitnehmerschaft, in der Lage, diese zusätzliche Last überhaupt zu tragen?

Meiner Ansicht nach besteht das Problem der künftigen Sanierung der Pensionskassen in der Tatsache, dass die beruflich aktive Bevölkerung allzu stark zur Kasse gebeten wird.

Eigentlich ist es normal, dass die Jungen im Sinne der Solidarität unter den Generationen in die Tasche greifen müssen. Die Last ist jedoch bereits schwer genug und welches ist der moralische Wert einer Versprechung, die im Namen von Personen gemacht worden ist, die zu jung sind, um sich dazu äussern zu können, oder die noch gar nicht geboren sind? Zu Ihrer Information: Jeder meiner Söhne ist bereits heute mit mehr als 15’000 Franken verschuldet. Warum? Weil die Verschuldung der Eidgenossenschaft einen Betrag von 122 Milliarden Franken locker übersteigt… Ich habe mir immer gewünscht, meinen Kindern einmal etwas hinterlassen zu können. Dabei habe ich allerdings nicht an die Verpflichtung gedacht, Beiträge zu meiner eigenen Rente zu leisten, zu allem Überfluss noch für die 2. Säule. Meine Kinder werden mit Bestimmtheit genug zu tun haben, um die 1. Säule (AHV) zu finanzieren, weil in einigen Jahrzehnten in der Schweiz auf einen Rentner nur noch 2,1 Erwerbstätige kommen, es sei denn, es setze bald ein Baby-Boom ein.

Die Rentenproblematik ist komplex. Die beabsichtigte Reform benötigt zweifellos noch mehrere zusätzliche Korrekturen, weil die von Bundesrat Couchepin vorgeschlagene Erhöhung des Rentenalters nur etwa zu einem schwachen Viertel zur Lösung der Problematik beitragen würde.

Eine dieser zusätzlichen Korrekturen besteht darin, die Jungen früher an der Bildung der 2. Säule zu beteiligen. Das gegenwärtige Alterslimit liegt bei 25 Jahren. Wesentlich effizienter wäre es jedoch, die verschiedenen Pensionskassen in eine Konkurrenzsituation zu bringen. Das will heissen, dass jeder Versicherte seine Pensionskasse frei wählen könnte, unter der Bedingung allerdings, dass die dabei fakturierten Mutationsgebühren in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Auf einem liberalisierten Markt würden die weniger guten Verwalter/Pensionskassen nach und nach auf der Strecke bleiben, was die globale Effizienz der 2. Säule stärken würde.

Heute geht es auch darum, sämtliche staatlichen Massnahmen, welche die Pensionskassen benachteiligen, definitiv aus dem Weg zu räumen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist mit dem jüngsten Steuerpaket getan worden, und zwar in dem Sinn, dass das Wohneigentum als Instrument der Altersvorsorge attraktiver gestaltet worden ist. Demgegenüber bedauert es die SVP ausserordentlich, dass es nicht möglich war, im gleichen Steuerpaket die Umsatzabgabe aufzuheben, welche die Pensionskassen, und damit indirekt auch die Versicherten, jährlich mit 250 Millionen Franken belastet.

Zum Schluss: Der Grundsatz einer Rente ist zwar ein verbrieftes Recht, doch sollte das Gleiche nicht auch für deren automatische Anpassung an die Lebenshaltungskosten gelten. Wenn also eine Pensionskasse das Niveau ihrer Leistungen anheben will, müsste meiner Meinung nach vorgängig abgeklärt werden, ob sie dazu tatsächlich auch über die notwendigen Mittel verfügt. Es ist gegenüber den künftigen Generationen kaum vertretbar, die aktuellen Renten anzuheben – dies gilt in erster Linie für die öffentlichen Pensionskassen -, wenn man weiss, dass sie sich in einer chronischen Unterdeckung befinden.

Ein Beispiel: In der letzten Woche berichteten die Medien, dass der Deckungsrad der Pensionskasse des Kantons Neuenburg im letzten Jahr von 78 Prozent auf 69 Prozent gesunken sei, was die Kantonsregierung zu folgendem Kommentar veranlasste: „besorgniserregend, aber nicht katastrophal“. Aufgrund dieser Feststellung wurde in Neuenburg beschlossen, die Altersguthaben nach wie vor mit 4,25 Prozent zu verzinsen. Dieser bedauerliche Beschluss ist meiner Ansicht nach besorgniserregend, aber auch katastrophal, kurz, er ist unverantwortlich.

Schlussfolgerungen

1) Verbieten wir jeder Pensionskasse, ihre Leistungen zu verbessern, solange sie nicht über einen ausreichenden Deckungsgrad verfügt.

2) Bringen wir die verschiedenen Pensionskassen in eine Konkurrenzsituation, indem den Versicherten die freie Wahl der Pensionskasse zugestanden wird.

 
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