Es geht nicht um einen Gegensatz Schul- und Alternativmedizin. Es geht um die Frage, welches Kriterium für den Einschluss von Leistungen in eine solidarisch finanzierte Grundversicherung gelten soll.
Ständerat Prof. Dr. med. Felix Gutzwiller, FDP, Zürich
Es geht nicht um einen Gegensatz Schul- und Alternativmedizin. Es geht um die Frage, welches Kriterium für den Einschluss von Leistungen in eine solidarisch finanzierte Grundversicherung gelten soll. Das zentrale Kriterium muss der Wirksamkeitsnachweis sein, auch für die Schulmedizin. Wenn der Wirksamkeitsnachweis erbracht ist, wie zum Beispiel bei der Akupunktur für bestimmte Indikationen, dann besteht auch kein Problem des Einschlusses in die Grundversicherung. Deshalb wird die Akupunktur nach wie vor vergütet. Sobald entsprechende Effizienznachweise da sind, können weitere Methoden zugelassen werden. Letztlich gilt es, die im Gesetz festgelegten Kriterien (Art. 32 KVG) zur Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit konsequent umzusetzen. Diese Kriterien müssen zudem mit dem Konzept der „Angemessenheit“ (im englischen Sprachraum appropriateness) ergänzt werden. Methoden sollen also dann vergütet werden, wenn sie nachweislich wirksam, kostengünstig und adäquat eingesetzt sind. Dies kann wie folgt illustriert werden: Moderne Bild gebende Methoden sind hoch innovativ. Nicht aber jeder heutige Einsatz kann als „angemessen“ gelten.
Klares Wirksamkeits- und Wirtschaftlichkeitskonzept nötig
In bestimmten Ländern geht die Entwicklung stark in diese Richtung: So gibt es etwa in England ein Institut namens NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence). Im Gesundheitswesen werden nicht nur immer mehr Leistungen angeboten, sondern mit Blick auf die demographische Alterung werden die Grenzen zwischen einem Versicherungssystem für Krankheitsrisiken und einem Auffangbecken für sämtliche altersbezogenen Einschränkungen und Abbauvorgängen zunehmend verwischt. Deshalb braucht es ein klares Wirksamkeits- und Wirtschaftlichkeitskonzept für den Einschluss von Leistungen in der Grundversicherung. Alles Andere findet in der Zusatzversicherung seinen wohlverdienten Platz.
Offene Fragen der Anforderungen und des Inhalts der Ausbildung
Bisher wenig diskutiert ist neben der Forderung des Einschlusses von bestimmten Methoden in die Grundversicherung die Forderung nach der Anerkennung von nicht ärztlichen Diplomen. Diese Forderung, falls umgesetzt, hat aber ein beträchtliches Langzeitpotenzial. Die Schaffung von Berufsbildern in nicht ärztlichen Therapiebereichen, die je nach Zählart zumindest einige Dutzend ernstzunehmende „Kandidatenmethoden“ umfassen, wirft verschiedene Fragen auf: Wer definiert beispielsweise, was eine adäquate Ayurveda-Ausbildung ist, wer überprüft die Anforderungen an chinesische Medizin für nicht ärztliche Therapeuten/Therapeutinnen? Zudem übernimmt die öffentliche Hand mit der Anerkennung auch implizit eine Qualitätssicherungsaufgabe. Schliesslich wird zwar heute gesagt, dass diese Leistungen sicher nur in die Zusatzversicherung gehören. Einmal als Berufsbilder anerkannt, ist es unschwer vorstellbar, dass auch der Ruf nach einem Einschluss in die Grundversicherung von nicht ärztlichen Leistungen in diesem Bereich erschallen würde.