Die Initiative will automatische Volksabstimmungen über Staatsverträge in sogenannt „wichtigen Bereichen". Was auf den ersten Blick vernünftig daherkommt, erreicht das Gegenteil. Die Initiative ist…
Ständerat Pirmin Bischof, Solothurn (SO)
Was will die Initiative?
Die Initiative will automatische Volksabstimmungen über Staatsverträge in sogenannt „wichtigen Bereichen“. Was auf den ersten Blick vernünftig daherkommt, erreicht das Gegenteil. Die Initiative ist unnötig, unklar und gefährdet Arbeitsplätze.
Die Initiative ist unnötig: Die Mitbestimmung des Volkes in der Aussenpolitik ist gewährleistet.
Das Staatsvertragsreferendum gibt es seit 90 Jahren und es hat sich bewährt. Die Schweizerinnen und Schweizer geniessen weltweit einzigartige Mitbestimmungs-rechte in der Aussenpolitik. Und das soll auch so bleiben. Bereits heute gilt für den Beitritt zu einer supranationalen Gemeinschaft wie der EU oder zu einer Organisation für kollektive Sicherheit (NATO) das obligatorische Referendum. Es muss also zwingend darüber abgestimmt werden und es braucht eine Ja-Mehrheit von Volk und Ständen. Hier ist unbestritten, dass dies „wichtige“ Vorlagen sind.
Staatsverträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (UNO-Beitritt der Schweiz 2002), wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert, sind heute schon dem fakultativen Referendum unterstellt. Das heisst, 50’000 Stimmberechtigte oder acht Kantone können in diesen Fällen eine Volksabstimmung verlangen. Es entscheidet also ein Teil der Bevölkerung, ob ein Thema als wichtig erachtet wird, und nicht die Interpretation des Parlaments.
Die Schweiz schliesst jährlich rund 500 Staatsverträge ab. Ein Grossteil der Verträge hat keine besondere Tragweite und kann deshalb vom Bundesrat und der Bundesverwaltung selbständig abgeschlossen werden. Im Parlament behandeln wir jährlich 20 bis 40 Verträge, wovon wir rund 20 dem fakultativen Referendum unterstellen. Nur weil das Volk nicht über jeden der 500 Staatsverträge abstimmen kann, liegt noch lange nichts im Argen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass in den letzten 90 Jahren nur in zehn von 257 möglichen Fällen das Referendum ergriffen wurde. Nur 2 Staatsverträge (IDA-Kredit 1976 und Handelsabkommen mit Frankreich 1923) wurden abgelehnt. Die Initianten stört vermutlich mehr, dass das Volk oft (etwa bei allen bilateralen Abstimmungen mit der EU) anders entschied, als sie wollten. Das ist kein Grund, die Verfassung zu ändern!
Was heisst „wichtige Bereiche“?
Eine grosse Schwachstelle der Initiative ist ihre Ausformulierung. Die Initianten lassen offen, was sie unter sogenannt „wichtigen Bereichen“ verstehen. Die Initianten verweisen auf Art. 164 der Bundesverfassung, dort ist aber die Rede von wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen. Das ist nicht das gleiche wie „wichtige Bereiche“. Was ist ein „wichtiger Bereich“? Landwirtschaft? Seeverkehr? Steuerrecht? Wenn immer Sie „JA“ sagen, fallen künftig alle Abkommen in diesen Bereichen unter eine automatische Volksabstimmung. Dutzende von unnötigen Abstimmungen wären die Folge!
Die Initiative bringt teure Leerläufe
Der von den Initianten verlangte Abstimmungsautomatismus würde dazu führen, dass letztlich Staatsverträge zur Abstimmung gelangen, die von keiner Seite bestritten sind. Das würde zu teuren Leerläufen für Bund, Kantone und Gemeinden führen. Wir erreichen nicht mehr Demokratie, indem wir die Stimmberechtigten über alles Mögliche abstimmen lassen, sondern über das, was die Stimmberechtigten als wichtig erachten. Das ist mit dem heutigen, bewährten und ausgeglichenen System gewährleistet. Über unbestrittene Bundesgesetze werden auch keine automatischen Abstimmungen durchgeführt.
Die Initiative gefährdet Arbeitsplätze
Fakt ist: Die Schweizer Wirtschaft ist zu einem guten Teil dank Staatsverträgen wettbewerbsfähig. Unser Wohlstand hängt zu einem grossen Teil vom internationalen Handel mit Gütern und Dienstleistungen ab. Unsere Unternehmen sind aber auf verlässliche Regeln und Strukturen im internationalen Handel angewiesen. Von den jährlich rund 500 abgeschlossenen Staatsverträgen sind für die Wirtschaft insbesondere das dichte Vertragsnetz von 28 Freihandelsabkommen, 120 Investitionsschutzabkommen sowie 82 Doppelbesteuerungsabkommen von grosser Wichtigkeit. Während wir hier sitzen, stehen ein weiteres Duzend Freihandelsabkommen und 20 Doppelbesteuerungsabkommen in Aushandlung.
Freihandelsabkommen beseitigen Handelshemmnisse und verbessern so die Konkurrenzfähigkeit im Exportmarkt. Dank ihnen erzielt die Exportindustrie jährlich Zolleinsparungen in dreistelliger Millionenhöhe. Umgekehrt profitieren auch die Konsumentinnen und Konsumenten: Allein für Importe aus der EU belaufen sich die Zolleinsparungen auf rund 2 Milliarden Franken pro Jahr. Schweizer Unternehmen werden zudem vor Schikanen des Gaststaates geschützt. Der Ausbau von Staatsverträgen mit wichtigen Wachstumsmärkten wie beispielsweise Asien reduziert die wirtschaftliche Abhängigkeit von der EU.
Die Schweiz muss ein attraktiver und verlässlicher Handelspartner bleiben. Aussenpolitische Handelsfreiheit hat oberste Priorität. Geht es jedoch nach dem Willen der Initianten, müsste jedes Doppelbesteuerungsabkommen – vielleicht sogar jede Revision bestehender Doppelbesteuerungsabkommen – Volk und Ständen zur Abstimmung vorgelegt werden. Das schafft grosse Rechtsunsicherheit, die wir uns nicht leisten können!
Die aktuelle Weltwirtschaftslage ist äusserst ungemütlich. Der Standortwettbewerb wird zusehends härter. Viele Staaten reagieren, indem sie ihre Märkte abschotten, Zölle erhöhen oder andere Handelshemmnisse zugunsten heimischer Produkte einführen. In den letzten drei Jahren wurden weltweit rund 1‘000 solche Massnahmen ergriffen. Etwa 200 davon betreffen die Schweiz direkt. Erfolg hat in einem solchen Umfeld nur, wer wettbewerbsfähig bleibt. Unsere Unternehmen kämpfen bereits heute mit dem starken Franken und den weltweit beinahe höchsten Produktions- und Lohnkosten. Werden nun auch noch wichtige internationale Abkommen behindert und Vertragspartner verunsichert, gefährdet dies Arbeitsplätze. Die Initiative schwächt unsere Position in der Welt und schränkt den aussenpolitischen Handlungsspielraum unnötig ein.
Deshalb empfehle ich Ihnen, am 17. Juni NEIN zu sagen.