Referat

Parlamentarischer Riesenslalom rund um die Ausschaffungsinitiative

Ich habe in meiner politischen Laufbahn kaum je einen solch politischen Riesenslalom erlebt, wie er im Parlament rund um die SVP-Ausschaffungsinitiative veranstaltet worden ist. Anfänglich räumte…

Maximilian Reimann
Maximilian Reimann
Ständerat Gipf-Oberfrick (AG)

Ich habe in meiner politischen Laufbahn kaum je einen solch politischen Riesenslalom erlebt, wie er im Parlament rund um die SVP-Ausschaffungsinitiative veranstaltet worden ist. Anfänglich räumte man der Initiative, obwohl sie innert bloss drei Monaten mit über 210‘000 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist, im politischen Mitte/Links-Lager kaum grosse Erfolgschancen ein. In der Staatspolitischen Kommission des Ständerates, wo sie im Herbst 2009 zuerst behandelt wurde, verwarf man sie mit allen gegen die beiden SVP-Stimmen. Mit einem sanften Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe hofften die einen sie bändigen zu können. Andere liebäugelten mit einer Ungültigerklärung, und dies, obwohl der Bundesrat in seiner Botschaft klar festgehalten hatte, sie verstosse nirgends gegen zwingendes Völkerrecht. Die Behandlung im Ratsplenum war auf den 12. Dezember 2009 angesetzt.

Der Schock vom Ja zum Minarett-Verbot
Der 29. November 2009 pflügte die politische Landschaft dann gründlich um. Obwohl die Prognosen von SRG/Longchamp ein deutliches Nein erwarten liessen, hiess an jenem „schwarzen Sonntag“ – aus Sicht der Mitte/Links-Koalition – das Schweizervolk mit 57,5 % die Minarett-Initiative gut. Der Schock bei Linken und Netten sass tief. Ein Volks-Ja soll es nun ja nicht auch noch bei der Ausschaffungsinitiative geben! Also stoppte der Ständerat die Vorlage, wies sie an die Kommission zurück, stellte erneut ihre Gültigkeit in Frage und verlangte einen direkten Gegenentwurf.

In die Riemen legte sich über den Jahreswechsel dann vor allem die FDP. Bereits am 26. Januar 2010 wartete sie mit einer Medienmitteilung auf. Darin behauptete sie wider besseres Wissen und entgegen der klaren Erkenntnis des Bundesrates, die SVP-Initiative verstosse gegen zwingendes Völkerrecht. Entsprechend präsentierte man einen sanften Gegenvorschlag auf Verfassungsstufe (BV Art. 121b), der deutlich weniger Ausschaffungen von kriminellen Ausländern zur Folge hätte. Weil das aber noch nicht genügte, um auch die Linke ins Anti-SVP-Boot zu holen, stellte man dem Ganzen noch einen 6-teiligen Integrationsartikel (BV Art. 121a) voraus. Das kam im Parlament wohl an, war aber mit einer krassen Missachtung der Einheit der Materie verbunden. Denn nun haben wir in Bezug auf den Gegenentwurf die folgende Ausgangslage:

a) Ein Stimmbürger, der einerseits kriminelle Ausländer ausweisen möchte, aber weniger scharf, als es die SVP-Initiative vorsieht, andererseits von den verschrobenen Integrationsmassnahmen aber nichts wissen will, kann diesen Willen nicht zum Ausdruck bringen. Er wird sich somit für ein Ja zur Volksinitiative entscheiden, was uns natürlich sehr willkommen ist.
b) Ein Stimmbürger, der bloss die Integration fördern, kriminelle Ausländer aber nicht ausweisen will, hat keine Möglichkeit mehr, diesen Willen auf dem Stimmzettel kundzutun. Er wird folglich zweimal Nein stimmen. Der Gegenentwurf aus der Feder der FDP, der unsere Initiative überflüssig machen wollte, dürfte sich somit zum Rohrkrepierer entwickeln.

Die Kantone ausgehebelt!
Aber es kommt noch dicker in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Bekanntlich auferlegt der Gegenentwurf den Kantonen und Gemeinden eine ganze Reihe von Pflichten zur umtriebigen und kostspieligen Förderung der Integration. Aber man unterliess es, bei Kantonen und Gemeinden eine ordentliche Vernehmlassung durchzuführen. Sie wurden regelrecht überfahren. Das ist ein klassischer Eingriff in die kantonale Hoheit. Anlässlich der letzten Plenarversammlung der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) wurde denn auch bitter beklagt: „Angesichts der weitreichenden Konsequenzen, die der Integrationsartikel bei einer Annehme des Gegenvorschlages durch Volk und Stände für das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen hätte,“ so das KdK-Protokoll wörtlich, „stellt sich für die Kantonsregierungen die Frage, ob und wie sie sich im Hinblick auf die Volksabstimmung positionieren sollen.“ Ich meinerseits möchte der KdK empfehlen, dazu auch den Ratschlag der Rechtsgelehrten vom Club Helvétique einzuholen. Denn ich bin selber gespannt, wie man in diesem hehren Gremium, dass sich ach so sehr für wahre Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzt, auf diese krasse Missachtung der föderalistischen Zuständigkeitsordnung im Bereich des Ausländerintegration reagieren wird. Eine Abfuhr hat der Club Helvétique in dieser Sache bereits erlitten. Obwohl über direkte Drähte ins Parlament verfügend, gelang es ihm nicht im Geringsten, die Ungültigerklärung der SVP-Ausschaffungsinitiative durchzudrücken.

 

 

Maximilian Reimann
Maximilian Reimann
Ständerat Gipf-Oberfrick (AG)
 
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