Das Eigentum ist gewährleistet. Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, werden voll entschädigt. So ist die Eigentumsgarantie im Artikel 26 der Bundesverfassung verankert. Die Realität sieht aber ganz anders aus, vor allem im Immobilienbereich. In der gleichen Verfassung wird diese Eigentumsgarantie im Artikel 109 wieder deutlich relativiert, indem dem Bund Gesetzeskompetenzen gegen missbräuchliche Mietzinse, missbräuchliche Kündigungen oder für die Allgemeinverbindlichkeit von Rahmenmietverträgen gegeben werden. Über diese Einschränkungen, die im Mietrecht zusammengefasst sind, werden wir am 8. Februar ein weiteres Mal abstimmen.
Damit wir Immobilien mit all den Eigentumseinschränkungen überhaupt erwerben dürfen, haben wir vorerst nebst den Notariats- und Handänderungsgebühren auch die Grundstücksgewinnsteuern zu bezahlen, denn diese sind selbstverständlich im Kaufpreis, der an den Verkäufer geht, inbegriffen. Wenn wir selber bauen oder renovieren, dann fallen auf allen Arbeiten und Materialien 7,6% Mehrwertsteuern an, dann folgen die Einkommenssteuern auf Mieterträgen oder auf dem Eigenmietwert und zu guter Letzt fällt selbstverständlich noch die Vermögenssteuer an. Und da wundert man sich, dass bei dieser 4- bis 5-fachen Besteuerung und den massiven Eigentumseinschränkungen im Mietrecht immer weniger Investoren bereit sind, Mietwohnungen zu erstellen.
Mietrecht verknappt Wohnungsangebot
In seinem Argumentarium gegen die Mietsrechtsrevision behauptet der Mieterverband, Grund für die Wohnungsnot sei nicht das Mietrecht mit dem verfassungsmässigen Auftrag des Mieterschutzes auch bei der Preisgestaltung, sondern die Renditemöglichkeit am Markt. Das ist doch gerade der entscheidende Punkt: weil das Mietrecht die Renditemöglichkeit einschränkt und zuviel Administration und rechtliche Auseinandersetzungen den Ertrag zusätzlich schmälern, ziehen es viele Investoren vor, in leicht handelbare Wertschriften oder andere Anlageinstrumente statt in Mietwohnungen zu investieren. Wenn man den Preis nicht anpassen kann, dann passt sich eben das Angebot an, d.h. es wird weniger investiert. Die Marktwirtschaft funktioniert auch bei eingeschränktem Markt, aber nicht notwendigerweise zum Vorteil der Mieter. Die Abkehr von der freien Marktwirtschaft erfolgte bekanntlich mit der Akzeptanz der Kostenmiete, wie sie dem heutigen Mietrecht aus dem Jahre 1990 zugrunde liegt. Spätestens seit der Verbreitung von Festhypotheken und anderer Finanzierungsformen ist die Anbindung der Mietzinse an den Hypothekarzinssatz aber überholt. Aber die Alternativen, die das revidierte Mietrecht anbietet, sind ebenso marktverzerrend.
Wie bei vielen Abstimmungsvorlagen gibt es auch beim revidierten Mietrecht Gründe dafür und dagegen. Den einen geht die Vorlage zu weit, den anderen zu wenig weit. Die Mieterverbände etwa behaupten, dass sich die Situation der Mieter verschlechtern werde. Die Mieterverbände hätten den Kündigungsschutz auch lieber noch weiter ausgebaut und die Teuerung hätte weiterhin zu 20-40% von den Vermietern getragen werden müssen. Die Mieterverbandsfunktionäre im Parlament wollten auch verhindern, dass Anfangsmietzinse mit der neu eingeführten Vergleichsmiete bis zu 15% über der Marktmiete angesetzt werden können. Die Mieterverbände bekämpfen zudem die Handänderung als Erhöhungsgrund. Dadurch werde der Spekulation Vorschub geleistet. Die gleichen Sprüche haben wir ja von den Mieterverbänden schon einmal gehört, als sie die Pensionskassen und Versicherungen für den Immobilienboom der späten 80er Jahre verantwortlich machten. Wie eine detaillierte Untersuchung später zeigte, war diese Anschuldigung falsch. Auch die Behauptung, wegen dem revidierten Mietrecht würden die Mieten steigen und das teure Wohnen verteure den Wirtschaftsstandort Schweiz, kann ich nicht teilen. Diese Denkweise beruht auf der irrigen Annahme, dass die Mieten in der Schweiz höher als im Ausland seien, weil die Schweizer Vermieter geldgieriger seien. Dies ist keineswegs der Fall. Die Renditen im Ausland sind wesentlich höher. Die Differenz besteht vor allem in den teuren Bodenpreisen, die wiederum eine Folge der Bodenverknappung wegen der Zonenplanungen etc. sind. Dazu kommen Qualitätsunterschiede, aber selbstverständlich auch die teureren Baukosten sowie die grosse Steuerlast. Wenn wir tatsächlich etwas für die Mieter tun wollen, dann müssen wir hier ansetzen: grosszügigere Bereitstellung von Bauland, weniger Bauvorschriften, tiefere Steuern auf Immobilien.
Ordnungspolitik
Sie haben es sicher schon bemerkt: ich bin kein Freund der Mieterverbände. Mir geht die Vorlage nicht zu weit, sondern zu wenig weit. Auch das revidierte Mietrecht ist ordnungspolitisch falsch. Der Staat mischt sich immer noch zu stark in den Markt ein. Preisbeschränkungen oder die neuen komplizierten Regelungen zu gestaffelten Mietpreisanhebungen bei Handänderungen oder wertvermehrenden Investitionen sind Eingriffe in den Markt, die es abzulehnen gilt. Die Markteingriffe führen zu Marktverzerrungen, zu Wohnungsknappheit. Und der gleiche Staat wird dann diese Fehler mit neuen Fehlern zu korrigieren versuchen, zum Beispiel mit der bisher sehr verlustreichen Wohnbauförderung oder wie z.B. die Stadt Zürich mit dem im Regierungsprogramm vorgeschlagenen Bau von 10’000 Wohnungen. Da sollen also Steuerzahler die Wohnungen von anderen verbilligen, ein weiterer ordnungspolitischer Verstoss. Und diese verbilligten Wohnungen, immerhin sind es in der Stadt Zürich bereits heute 6-7% aller Wohnungen, dienen dann noch als „Vergleichsmiete“ für die privaten Wohnungshersteller. Warum ein Mietpreis, der statistisch ermittelte Vergleichsmieten von Objekten mit ähnlichen Eigenschaften und Standortqualitäten um mehr als 15% übersteigt, missbräuchlich sein soll, hat mir bis heute niemand erklären können.
Landesindex der Konsumentenpreise
Selbstverständlich bin auch ich der Meinung, dass Vermieter Kostensteigerungen auf die Mieter überwälzen dürfen, denn diesen kommt ja der Nutzen von Unterhaltsarbeiten etc. zu. Wenn man aber die Entwicklung des Landesindex als Massstab nimmt, der wiederum zu rund 20% von den Mietpreisen beeinflusst wird, dann muss man sich nicht über steigende Mieten wundern. Sie alle erinnern sich sicher noch an die unheilvolle Preisspirale, die in den 80er-Jahren durch diesen Mechanismus ausgelöst wurde.
Komplizierter statt einfacher
Eigentlich wollte man mit der Revision das Mietrecht vereinfachen. Dieses Ziel wurde jedoch klar verfehlt. Im Gegenteil, mit der Einführung einer Vergleichsmiete wird das System noch komplizierter. Von Transparenz und Einfachheit kann keine Rede sein und deshalb muss man auch wieder mit einer Zunahme der gerichtlichen Auseinandersetzungen rechnen. Es bedeutet auch wieder zusätzliche Administration. Wahrscheinlich haben die meisten Haubesitzer unter ihnen diese Tage bereits das 8-seitige Formular des Bundesamtes für Statistik erhalten, auf dem sie detailliert über ihren Liegenschaftsbesitz Auskunft erteilen müssen. Der Bund will übrigens die Vergleichsmieten mindestens einmal jährlich erheben.
Dies sind die wesentlichen Gründe, warum ich der Meinung bin, dass das revidierte Mietrecht höchstens weniger schlecht, aber noch keineswegs akzeptabel gut ist. Ich bin mir bewusst, dass viele von ihnen dennoch lieber für den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach stimmen werden. Gestatten Sie mir deshalb noch eine Schlussbemerkung. Auch ich habe im Dezember 2000 dem Gegenvorschlag zur Initiative „ Ja zu fairen Mieten“ zugestimmt. Damals war dieser Spatz in der Hand tatsächlich besser als der Pleitegeier auf dem Dach. Inzwischen, d.h. am 18. Mai 2003, wurde die Volksinitiative „Ja zu fairen Mieten“ aber mit einem 67% Nein-Anteil klar abgelehnt. Heute stellt sich deshalb für mich die Frage, soll ich einem revidierten Mietrecht, das zwar zaghaft in die richtige Richtung geht, aber ordnungspolitisch falsch ist zustimmen? Ich bin der Meinung, eine nochmalige Überarbeitung der Vorlage wäre klüger.