Die von der Parteileitung der SVP eingesetzte Arbeitsgruppe hat Vorschläge dazu ausgearbeitet, wie die von Herrn Blocher beschriebenen Probleme, die wir in den letzten Jahren feststellen konnten…
von Kantonsrat Hans-Ueli Vogt, Zürich (ZH)
Die von der Parteileitung der SVP eingesetzte Arbeitsgruppe hat Vorschläge dazu ausgearbeitet, wie die von Herrn Blocher beschriebenen Probleme, die wir in den letzten Jahren feststellen konnten, gelöst werden können.
Die Probleme sind in Ziff. II unseres Positionspapiers knapp dargestellt, samt einer Zusammenfassung der Lösungen. Ziff. III enthält detaillierte, kommentierte Vorschläge für eine Änderung der Bundesverfassung. Ich spreche im Folgenden die drei wichtigsten Probleme an und sage, wie wir sie lösen können.
Erstes Problem, erste Fragestellung: Wie können wir sicherstellen, dass die Verfassung wieder die höchste Rechtsquelle ist? Oder anders ausgedrückt: Wie können wir sicherstellen, dass Volk und Stände der oberste Gesetzgeber in der Schweiz bleiben und dass das Initiativrecht des Volkes nicht nur formell, sondern in seiner Substanz erhalten bleibt?
Zum einen, indem ausdrücklich gesagt wird, dass die Verfassung die oberste Rechtsquelle im Land ist und dass sie dem internationalen Recht vorgeht. Das heisst, dass weder der Bundesrat noch die Bundesverwaltung noch das Bundesgericht sich weigern dürfen, eine von Volk und Ständen angenommene Initiative umzusetzen, mit dem Hinweis, sie widerspreche internationalem Recht. Ganz allgemein sollen alle Behörden dieses Landes ihr Tun und Lassen zuallererst an unserer Verfassung ausrichten, nicht am internationalen Recht.
Zum andern wird der oberste Rang der Verfassung in der schweizerischen Rechtsordnung dadurch gesichert, dass die einzige Ausnahme dazu verdeutlicht wird, nämlich die Ausnahme des zwingenden Völkerrechts. Schon jetzt ist, wie Sie wissen, das zwingende Völkerrecht eine Schranke einer Verfassungsänderung; das Parlament muss Volksinitiativen, die dem zwingenden Völkerrecht widersprechen, für ungültig erklären.
Die SVP stellt diese Ausnahme zum Vorrang der Verfassung nicht infrage. Aber sie will sicherstellen, dass die Ausnahme nicht immer weiter ausgedehnt wird und den Grundsatz des Vorrangs der Verfassung immer mehr zurückdrängt. Um hier eine öffentliche Diskussion zu lancieren, hat sich die Arbeitsgruppe entschieden, das ganze Panorama möglicher Regelungsansätze im Positionspapier aufzuführen: eine allgemeine Umschreibung dessen, was unter zwingendem Völkerrecht zu verstehen ist; ein Katalog von Bestimmungen des zwingenden Völkerrechts, wobei der Katalog entweder knapp gehalten oder umfassend sein kann; und schliesslich auch die Streichung des Vorbehalts des zwingenden Völkerrechts.
Zweites Problem: Wie kann die heimliche, schleichende Internationalisierung des schweizerischen Rechts besser kontrolliert und sinnvoll eingeschränkt werden? Angesprochen ist hier die Angleichung unseres Rechts – durch das Parlament, den Bundesrat, die Verwaltung und die Gerichte – an das Recht internationaler Organisationen, vor allem aber auch an das EU-Recht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, Stichworte: autonomer Nachvollzug und automatische Übernahme von EU-Recht.
Selbstverständlich schlagen wir nicht vor, dass es eine solche Angleichung nicht geben kann. Die Schweiz hat aus verschiedenen Gründen durchaus ein Interesse daran, ihr Recht zum Teil an ausländisches Recht anzugleichen. Aber dieser Angleichungsprozess muss transparenter werden, und er muss im Rahmen unseres demokratischen Gesetzgebungsprozesses erfolgen. Konkret stellen wir darum zur Diskussion: Die Angleichung an internationales Recht muss im Rahmen der Verfassung, eines Gesetzes oder eines referendumspflichtigen Staatsvertrages erfolgen. Dass ganze Verordnungen im Wesentlichen aus Abschriften von EU-Erlassen bestehen oder unsere Gerichte ihre Rechtsprechung ändern, nur weil beispielsweise die OECD eine ihrer Richtlinien neu kommentiert hat, das soll es nicht mehr geben.
Mit unserem Lösungsvorschlag wäre auch ein Abkommen mit der EU nicht vereinbar, mit dem wir uns ohne Einschränkung verpflichten würden, neues EU-Recht zu übernehmen. Nötig ist nach unserem Vorschlag immer, dass die wichtigen Regelungen eines bestimmten Bereichs im Abkommen selber enthalten sind.
Drittes Problem: die fremden Richter. Dass Staaten – gleich wie Private – zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen sich selber oder zwischen ihren Staats-angehörigen Gerichte einsetzen, ist etwas Selbstverständliches. Wir wenden uns folglich nicht dagegen, dass die Schweiz Abkommen mit anderen Staaten oder mit der EU abschliesst, mit denen ein Gericht, ein Ausschuss usw. eingesetzt wird, der Streitfälle entscheidet. Aber wir stellen Anforderungen an solche Gerichte auf. Die erste: Das Gericht muss unabhängig und unparteiisch sein; was für jeden Rechtsunterworfenen in diesem Land recht ist, soll auch für die Schweiz in ihrem Verhältnis zum Ausland gelten. Konkret ist nach unserem Vorschlag ausgeschlossen, dass die Schweiz sich der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes mit Bezug auf die Auslegung der Bilateralen Verträge unterwirft.
Und die zweite Anforderung: Das Gericht muss das Recht so anwenden, wie es ursprünglich galt. Damit wendet sich die SVP gegen internationale Gerichte, die die ursprünglich zugrunde gelegten Staatsverträge dynamisch und schöpferisch weiterentwickeln – das sind Euphemismen dafür, dass diese Gerichte sich nicht an das ursprünglich vereinbarte Recht halten – und die Erlasse berücksichtigen, die noch gar nicht in Kraft waren, als man den Staatsvertrag abschloss. Die SVP ist dagegen, dass sich die Schweiz durch internationale Abkommen den Machtansprüchen ausländischer Gerichte unterwirft.
Dies die drei wichtigsten Probleme, die in unserem Positionspapier aufgegriffen werden, und die Lösungsvorschläge, die wir dazu präsentieren.
Lassen Sie mich zum Schluss etwas klarstellen, und zwar zu den Staatsverträgen. Staats¬verträge sind für die Schweiz wichtig. Durch sie erschliessen wir uns die für den Kleinstaat lebensnotwendigen Beziehungen zum Ausland. Und es ist wichtig, dass sich die Schweiz an Staatsverträge hält. Nichts in unserem Positionspapier stellt das infrage, im Gegenteil.
Unserem Positionspapier liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Einfluss des internationalen Rechts auf die Schweiz heute grösstenteils gerade nicht mehr auf Staatsverträgen basiert und dass genau dies zum Nachteil der Schweiz ist. Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die EMRK in einer von niemandem vorausgesehenen Art und Weise auslegt – was wir dann umsetzen müssen -, hat das mit Vertrag nicht mehr viel zu tun. Wenn internationale Organisationen und Behörden Regeln aufstellen, in Länderberichten Empfehlungen abgeben und Länder auf schwarze Listen setzen – worauf wir dann unser Recht anpassen -, hat das mit Vertrag nicht mehr viel zu tun. Wenn unsere Gerichte die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen, die nach der Übernahme des betreffenden EU-Rechts ergangen ist, hat das mit Vertrag überhaupt nichts zu tun. Gegen diesen gerade nicht durch Staatsverträge begründeten und darum intransparenten und undemokratischen Einfluss des internationalen Rechts wenden wir uns.
Was den Umgang mit Staatsverträgen angeht, wollen wir den Gedanken der ver¬traglichen Treue stärken und das Herumwursteln zwischen Missachtung des Volkswillens und Einhalten von Staatsverträgen beenden und stattdessen festhalten: Wenn die Verfassung oder ein neueres Gesetz einem Staatsvertrag widerspricht, muss der Bundesrat den Staatsvertrag neu aushandeln oder nötigenfalls kündigen; widerspricht umgekehrt ein älteres Gesetz einem neueren referendumspflichtigen Staatsvertrag, muss das Gesetz angepasst werden. Das sind einfache, intuitiv und rational einleuchtende Regeln, die uns zu redlichen, vertrauenswürdigen Vertragspartnern machen – wozu, wie im Wirtschaftsleben, auch gehört, dass man an seinen Partner gelangt und einen neuen Vertrag abschliesst, wenn man die Regeln für die Zukunft ändern will.