Seit dem Inkrafttreten des freien Personenverkehrs mit den 15 alten EU-Staaten wird immer wieder behauptet, dass es zu keiner Masseneinwanderung gekommen sei. Dabei sticht doch Schritt auf Tritt ins A
Referat von Bernhard Hess, e. SD-Nationalrat, Bern
Seit dem Inkrafttreten des freien Personenverkehrs mit den 15 alten EU-Staaten wird immer wieder behauptet, dass es zu keiner Masseneinwanderung gekommen sei. Dabei sticht doch Schritt auf Tritt ins Auge, dass ganze Heerscharen von arbeitslosen Deutschen in die Schweiz drängen. Allein zwischen September 2007 und August 2008 wanderten mehr als 119’000 EU-Bürger neu in die Schweiz ein. Davon stammt fast die Hälfte aus Deutschland (50’000). Konkret heisst dies, dass sich jeden Tag über 300 neue EU-Bürger in der Schweiz niederlassen, davon fast 150 Deutsche! Trotz der enormen Zuwanderung nach der Aufhebung der Kontingente war die Landesregierung im Mai 2008 nicht gewillt, die von mir noch im Jahr 2007 im Nationalrat geforderte Ventilklausel zu aktivieren, die für eben diese Fälle vertraglich festgelegt worden war. Anscheinend glaubt der Bundesrat blauäugig an eine endlose Hochkonjunktur. Wie sinnvoll eine neue Kontingentierung gewesen wäre, zeigt sich heute – nur 5 Monate später – angesichts einer drohenden globalen Rezession.
Nein zur Nivellierung nach unten
Nun will man auch noch Rumänen und Bulgaren die freie Einwanderung erlauben. In diesen Ländern verdienen Arbeitnehmer einen Bruchteil des hierzulande – bis anhin – Üblichen. Da braucht man kein Prophet zu sein, um vorauszusehen, dass mit der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf diese mausarmen Staaten unsere Löhne unter massiven Druck geraten werden.
Da das Gefälle zwischen der Schweiz, Deutschland und Portugal, geschweige denn Rumänien und Bulgarien, in vielen Bereichen gross ist, würde die zusätzliche Personenfreizügigkeit für unser Land generell eine starke Nivellierung nach unten zur Folge haben. Diese ökonomische Selbstverständlichkeit lässt sich auch durch so genannte «flankierende Massnahmen» nicht aufhalten.
Nein zu noch mehr Armut
Mit der Personenfreizügigkeit wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Einwanderer einreisen können, die vom ersten Tag an nicht in der Lage sind, ihr Existenzminimum zu decken. EU-Ausländer dürfen auch mit beliebig grossen Familien einwandern. Selbst wenn ihr Lohn über einem allfälligen Mindestlohn liegt, kann in vielen Fällen das Existenzminimum bei weitem nicht gedeckt werden. Wie soll verhindert werden, dass solche Einwanderer von allem Anfang an in Armut leben und der Sozialhilfe zur Last fallen? Selbst wenn Mindestlöhne als «flankierende Massnahmen» eingeführt werden, können oft sehr tiefe Löhne Realität sein. Was ist mit Leuten, die nur einen Arbeitsvertrag für Teilzeitarbeit haben oder die nur mit einem kleinen Barlohn entschädigt werden, weil ein Grossteil für Kost und Logis abgezogen wird?
Infolge der drohenden globalen Rezession und der resultierenden Massenarbeitslosigkeit im EU-Raum besteht zudem auch die Gefahr, dass vermehrt zahlreiche sogenannte «selbständig Erwerbende» in die Schweiz kommen, die auch bei uns in grosser Armut leben werden. Für selbständig Erwerbende gelten die flankierenden Massnahmen (und damit die Mindestlöhne) nicht. Sie können ihre Arbeitskraft zu Preisen anbieten, welche weit unter den üblichen Ansätzen liegt.
Nein zu noch mehr importierter Arbeitslosigkeit
Die Schweiz hat aber selber eine steigende Arbeitslosenrate, die schon durch die Zuwanderung aus den alten EU-Mitgliedsländern ständig wächst und die zweifellos im 2009 noch aufgrund des drohenden Wirtschaftsabschwungs massiv steigen wird. So beklagte sich das grösste schweizerische Boulevardblatt kürzlich über «RAV-gierige Deutsche». In der Tat wurde im Monat September 2008 im Kanton Zürich die Rekordzahl von 827 Deutsche arbeitslos gemeldet, und auch im Kanton Aargau hat die Zahl der arbeitslosen Deutschen im September 2008, im Vergleich zum gleichen Monat des Vorjahres, um 15 Prozent sprunghaft zugenommen. Für Deutsche, die in den kommenden Monaten infolge des eintretenden Stellenabbaus ihre Arbeit verlieren dürften, ist der Gang auf ein schweizerisches Arbeitsamt allenfalls attraktiver als der Bezug von Hartz IV-Brosamen in ihrem Heimatland.
45 Prozent der Rumänen leben heute unter der offiziellen Armutsgrenze. Besonders dramatisch ist die Jugendarbeitslosigkeit mit über 40 Prozent! Nahezu drei Millionen Rumänen leben und arbeiten deshalb mittlerweile im Ausland. Die Zahl der in Italien lebenden Rumänen, vor allem Sinti und Roma, hat sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt. Damit wurde die Zahl der Rumänen mit einer (!) Million zwischenzeitlich zur grössten Ausländergruppe in Italien. Der Wille auszuwandern, ist in sämtlichen mittel- und osteuropäischen Staaten äusserst hoch. Mit der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien wird eine weitere Welle von Arbeitslosen aus dem Ausland in der Schweiz ihr Glück versuchen und die Zahl der Arbeitslosen in der Schweiz in die Höhe treiben.
Nein zu noch mehr Kosten im Sozialbereich
Wer einmal in der Schweiz eine Aufenthaltsgenehmigung hat, wird auch nicht wieder ausreisen, wenn er keine Arbeit oder kein Auskommen mehr findet. Dies umso mehr als die Sozialversicherungen in der Schweiz grosszügige Leistungen vorsehen. Damit ist auch klar, dass die Zuwanderung höhere Kosten im Sozialbereich nach sich ziehen werden. Überhaupt haben wir es seit Jahren nicht mehr mit einer Migration zum Arbeitsplatz Schweiz, sondern mit einer Zuwanderung zum schweizerischen Sozialsystem zu tun.
Nein zu noch mehr Billigkonkurrenz für unser Gewerbe
Jedermann kann als selbständig Erwerbender einwandern. Jeder «Selbständige» erhält eine Aufenthaltserlaubnis, „sofern er den Behörden nachweist, dass er sich zu diesem Zweck niederlassen will“ (Anhang I zum Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU vom 21. Juni 1999, Art. 12 (1)).
Praktisch jede Tätigkeit kann nicht nur als Angestellter, sondern auch als selbständig Erwerbender ausgeübt werden; vom Arbeiter auf dem Bau (z.B. selbständig erwerbender Dachdecker) bis hin zur «selbständigen Schreibkraft» (z. B. Sekretärin, die selbständig erwerbend für verschiedene Büros arbeitet). Jedermann kann als «Ein-Mann-Firma» tätig werden – in Deutschland hat sich der Name «Ich-AG» eingebürgert.
Die Genossen der Bosse
Noch ein Wort zum Verhalten der Gewerkschaftsbosse im aktuellen Abstimmungskampf: Hunderttausende von Gewerkschafter bezahlen Beiträge, damit sich die Gewerkschaften für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen einsetzen. Und was geschieht? Sie alle werden von den Gewerkschaftsbossen schlicht verraten. Denn diese machen mit den Beitragsgeldern Propaganda für die Weiterführung und Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien! Sie helfen den multinationalen Unternehmern, Billigarbeiter aus Mittel- und Osteuropa, insbesondere Deutschland, in die Schweiz zu holen und damit uns allen die Löhne zu drücken.
Seit der Abstimmungskampf zu diesem Thema begonnen hat, schweigen die Gewerkschaftsbosse zum Thema «Lohndumping», obwohl dieses munter weitergeht. Die Gewerkschaften erzählen, dass man das Lohndumping mit «flankierenden Massnahmen» verhindern könne. Und sie wissen genau: Das Gegenteil ist Realität!
Die Schweiz verliert mit der Weiterführung der Personenfreizügigkeit und deren Ausdehnung auf Rumänien und Bulgarien an Wohlstand. Die Arbeitslosigkeit steigt unvermindert an und auch die Kriminalitätsrate erhöht sich. Zudem wird auch wegen der enormen EU-Zuwanderung unser Wohnraum knapp und teuer. Aus all diesen Gründen empfehle ich ein überzeugtes Nein zur EU-Personenfreizügigkeit.