Zu den Fortschritten der SVP in der Westschweiz haben verschiedene Faktoren beigetragen. Der Einfluss der SVP Schweiz ist einer der wichtigen Gründe. Der Blocher-Effekt hat ebenfalls eine Rolle…
Gilberte Demont, Koordinatorin Westschweiz
Zu den Fortschritten der SVP in der Westschweiz haben verschiedene Faktoren beigetragen. Der Einfluss der SVP Schweiz ist einer der wichtigen Gründe. Der Blocher-Effekt hat ebenfalls eine Rolle gespielt. Diese beiden Elemente allein hätten für einen derart deutlichen Vormarsch allerdings nicht ausgereicht. Es war notwendig, dass sich die hauptsächlich Interessierten einerseits angesprochen fühlten und andrerseits motiviert waren, vorwärts zu machen. Die Schweizer Mutterpartei hat einen bedeutenden Schritt Richtung Romandie getan und umgekehrt. Diese Bindung ist ausschlaggebend für die Einen wie für die Andern. In diesem Bereich hat die SVP einmal mehr eine Länge Vorsprung.
Wie mit den Romands umgehen?
Ihnen immer nur etwas vorschlagen und niemals etwas vorschreiben. Die SVP Schweiz hat ihren Westschweizer Sektionen zu verstehen gegeben, dass sie jederzeit auf ihre Unterstützung zählen können, bei der Führung ihrer Sektion jedoch völlig autonom bleiben. In einem ersten Schritt ist eine Grundlagenarbeit geleistet worden, aus welcher das Konzept SVP Suisse Romande entstanden ist. Es umfasst eine politische Analyse jedes einzelnen Kantons, der Situation der SVP, der zu erreichenden Ziele sowie der Mittel, mit welchen diese Vorgaben erfüllt werden können. Das Konzept, das allen Sektionen zur Konsultation unterbreitet worden ist, ist von diesen gutgeheissen worden. Für die Westschweizer Sektionen wurden Seminare organisiert. Darauf folgten Treffen zwischen SVP-Vertretern aus der französischen und der deutschen Schweiz, und dies hat seine besondere Bedeutung. An diesen Treffen stehen selbstverständlich politische Fragen im Vordergrund. Dazu gesellen sich aber auch der Meinungsaustausch und die Vertiefung zwischenmenschlicher Beziehungen, die wesentlich dazu beitragen, den berühmten „Rösti-Graben“ vergessen zu lassen, ein Graben, der jeden Einzelnen daran hindert, die kulturellen Reichtümer der andern Landesgegenden schätzen zu lernen. Seit die Westschweizer Sektionen festgestellt haben, dass die SVP Schweiz keineswegs die Absicht hatte, eine Minderheit zu unterdrücken, sondern ganz im Gegenteil bereit ist, sie im Bedarfsfall zu unterstützen und dabei die regionalen Sensibilitäten zu respektieren, haben sich viele Dinge verändert. So sind die von der SVP Schweiz lancierten Aktionen – z.B. die Initiativen zur Verwendung des überschüssigen Nationalbank-Goldes, zur Asylpolitik oder für eine Senkung der Krankenkassenprämien – von den Romands nicht nur gutgeheissen, sondern via Unterschriftensammlungen und Organisation von Diskussionsveranstaltungen auch aktiv unterstützt worden.
Parallel dazu verzeichnete jede Westschweizer Sektion steigende Mitgliederzahlen, was die Basis der Partei zusätzlich ermutigte. In bestimmten Fällen gehörten die Neumitglieder vorher keiner politischen Partei an. In andern Fällen, so etwa in den Kantonen Waadt und Neuenburg, und manchmal sogar im Wallis und im Kanton Freiburg, wechselten FDP-Mitglieder zur SVP. In den Kantonen Wallis, Freiburg und Jura waren es vornehmlich CVP-Mitglieder.
Wieso also nicht von diesem Elan profitieren und eine dem Albisgüetli analoge Veranstaltung in der Westschweiz organisieren? Die Waadtländer haben sich dieser Frage angenommen und sich dafür entschieden, im Casino von Montreux die „nationalen SVP-Begegnungen“ auf die Beine zu stellen.
Wahlkampagne à la Romande
Eine gewisse Aggressivität der andern politischen Parteien gegenüber der SVP ist unterdessen auch in der Westschweiz zu verzeichnen. Das war vor vier Jahren noch nicht der Fall. Der Grund dafür ist zweifellos im Vormarsch der SVP in diesem Landesteil zu suchen. Trotzdem ist es erstaunlich zu sehen, wie gewisse Parteien in Panik geraten, oder festzustellen, wie einstige Erzfeinde plötzlich zueinander finden. Ein Bespiel dafür ist die junge Liebe zwischen der CVP und der FDP im Kanton Freiburg. Im Kanton Waadt gehen die Freisinnigen und die Liberalen für die Ständeratswahlen eine Listenverbindung ein, dies obschon ihre Ansichten auf nationaler Ebene oft weit auseinander klaffen. In den Kantonen Genf, Wallis und Neuenburg haben die Mitte-Rechts-Parteien die Türen zugeschlagen; ein eventuelles Zusammengehen mit der SVP wäre für sie offenbar unehrenhaft.
Diese Mobilmachung gegen die SVP löst unter den SVP-Sektionen in der Romandie wie in der Deutschschweiz automatisch einen Geist der Solidarität aus. Das Resultat: Mehrere Sektionen beschliessen, zum ersten Mal einen oder mehrere Kandidaten für die Ständeratswahlen zu nominieren. Die Waadtländer schicken Nationalrat André Bugnon, die Freiburger den ehemaligen schweizerischen Generalsekretär Jean-Blaise Defago und die Neuenburger Yvan Perrin sowie Pierre Hainard ins Rennen. Andere Sektionen der Westschweiz überlegen sich den gleichen Schritt.
Anvisierte Ziele
Die SVP ist eine realistische Partei, die trotz der Erfolgswelle, auf der sie reitet, mit beiden Füssen am Boden bleibt. In Anbetracht der erzielten Resultate bei den eidgenössischen Wahlen von 1999 sowie bei den Kantons- und Gemeindewahlen in der Westschweiz liegt bei den Nationalratswahlen in den Kantonen Waadt, Freiburg und Genf je ein Sitzgewinn im Rahmen des Möglichen. Die SVP Wallis hat für die Nationalratswahlen vier Kandidatenlisten eingereicht: eine Hauptliste, eine Frauenliste, eine Seniorenliste und eine Juniorenliste. Eine ebenso überraschende wie gute Arbeit einer so jungen Sektion. Sie hat gute Aussichten, einen Sitz zu erobern. Ein Fragezeichen muss allerdings hinter die Auswirkungen der Affäre Freysinger gesetzt werden. Die SVP Neuenburg geht zwar mit einer guten Kandidatenliste ins Rennen, doch ist es angesichts des jungen Alters der Sektion und der fehlenden Präsenz auf der politischen Bühne des Kantons nicht leicht, eine Voraussage zu machen. Schwierig präsentiert sich die Situation im Kanton Jura, wo es nur zwei Nationalratssitze zu vergeben gibt. Es ist eine Tatsache, dass die CVP und die SP gute Chancen haben, ihre Sitze zu behaupten. Interessant ist es aber festzustellen, dass die SVP Jura trotzdem eine Liste eingereicht hat. Damit markiert sie Präsenz.
Wenn die SVP in der Westschweiz die Zahl ihrer Sitze von zwei auf fünf steigert, können wir von einem Sieg sprechen.