Es kommt schon fast politischer Zwängerei gleich, dass wir nun im September zum dritten Mal in Serie über eine Initiative zur Wohneigentumsförderung abstimmen müssen: zuerst die Bauspar-Initiative…
von SP-Nationalrätin Yvonne Feri, Wettingen (AG)
Es kommt schon fast politischer Zwängerei gleich, dass wir nun im September zum dritten Mal in Serie über eine Initiative zur Wohneigentumsförderung abstimmen müssen: zuerst die Bauspar-Initiative, dann die HEV-Initiative „Eigene vier Wände“ und jetzt die Initiative mit dem ansprechenden Titel „Sicheres Wohnen im Alter“. Alle diese politischen Vorstösse basieren auf der ökonomisch und politisch falschen Überlegung, dass dank solchen steuerlichen Förderungsmassnahmen alle statt nur wenige in den Genuss eines Eigenheims kommen könnten. Tatsache ist aber, dass immer in erster Linie hohe Einkommen profitieren. Viel sinnvoller sind stattdessen direkte Fördermassnahmen für den sozialen Wohnungsbau für die unteren und mittleren Einkommen, weil dort weitgehend sichergestellt ist, dass jene profitieren, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Es kommt hinzu, dass die vorgeschlagenen Massnahmen zu unverantwortlichen Steuerausfällen führen. Zudem verkomplizieren solche fiskalischen Privilegierungen das bereits wenig übersichtliche Steuersystem weiter.
Die Initiative „Sicheres Wohnen im Alter“ würde insbesondere zu einer Ungleichbehandlung der Generationen führen. Die am 23. Januar 2009 eingereichte Volksinitiative will Rentnerinnen und Rentnern ein einmaliges Wahlrecht einräumen, den Eigenmietwert nicht mehr zu versteuern. Im Gegenzug sind die mit dem Wohneigentum verbundenen Schuldzinsen nicht mehr abziehbar. Hingegen sollen die jährlichen Unterhaltskosten bis zu einem Höchstbetrag von 4000 Franken und die Kosten für Massnahmen, die dem Energiesparen, dem Umweltschutz und der Denkmalpflege dienen, vollumfänglich abzugsberechtigt bleiben.
Wissen Sie, geschätzte Anwesende, das vorgesehene Wahlrecht bei der Wohneigentumsbesteuerung gilt nur für Besitzerinnen und Besitzer im AHV-Alter und diskriminiert die jüngeren Familien. Diese Privilegierung einer Generation gegenüber den anderen ist staatspolitisch unhaltbar.
Sind Sie sich bewusst, dass die Reform Wohneigentumbesitzende bevorzugt, denn Mieterinnen und Mieter profitieren nicht von der Möglichkeit, die eigene Steuerbelastung zu reduzieren.
Bund, Kantone und Gemeinden müssten bei einer Annahme der Initiative mit Steuerausfällen in Millionenhöhe rechnen. Die Zeche dafür in Form von Leistungsabbau oder Steuererhöhungen hätten aber alle zu bezahlen, nicht nur jene, die von der Reform profitieren könnten.
Die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung bei gleichzeitigem Beibehalten von Unterhaltskostenabzügen lässt sich nicht rechtfertigen und wurde in mehreren Volksabstimmungen regelmässig verworfen.
Der vorliegende Vorschlag macht unser Steuersystem komplizierter und bringt mehr administrativen Aufwand, da zwei verschiedene Steuervarianten parallel gültig wären.
Es gibt tatsächlich eine Gruppe von Rentnerinnen und Rentnern, die ihr Häuschen fast oder ganz abbezahlt haben und die durch die Eigenmietwertanrechnung eine für sie hohe Steuerrechnung zu berappen haben. Ihnen käme diese Initiative entgegen. Für sie gibt es aber Lösungen ohne die Nachteile der Initiative: In den fortschrittlichen Kantonen gibt es eine Härtefallregelung, die die Steuerbelastung dieser Rentner und Rentnerinnen massiv reduziert, indem nur noch ein bestimmter Anteil des Eigenmietwertes angerechnet wird. Diese Möglichkeit könnte schnell in allen Kantonen und auch beim Bund geschaffen werden.
Man kann jungen Leuten nicht erklären, warum nur Leute im AHV-Alter wählen können, wie sie bezüglich ihres Wohneigentums besteuert werden wollen. Je nachdem, ob es sich um selbstgenutztes oder vermietetes Wohneigentum handelt, werden auch Mieterinnen und Mieter und sogar Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer ungleich behandelt. Studien zur Wohlstandsverteilung und Studien zum Erbschaftswesen zeigen, dass die Zielgruppe, die man zu privilegieren beabsichtigt, in der Schweiz keineswegs flächendeckend in einer Notlage steckt – im Gegenteil.
Es gibt zwar individuelle Härtefälle, die gibt es aber auch bei anderen Personengruppen. Das Armutsrisiko des Personenkreises über 65 Jahren ist nicht zu unterschätzen. Gemäss dem Bundesamt für Statistik lag die Armutsquote 2010 dieser Gruppe bei 32% – ein doch sehr hoher Anteil. Doch es gilt dabei zu beachten, dass nur gerade 29% der Bevölkerung über Wohneigentum verfügt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine grosse Anzahl Personen dieser Altersgruppe in Mietwohnungen lebt, oder gar bereits in einer Pflegeinstitution. Denn, wie Sie sicher wissen liebe Anwesende, ist für die ältere Bevölkerung leider das grösste Armutsrisiko die Pflege. Und dies können wir nicht mit der Initiative lösen. Übrigens, bei der Gruppe 18-64 Jahre, sind 49% der Personen von Armut betroffen! Also um ein vielfaches höher!
Gerne wird von Befürwortern der Initiative auch ins Feld geführt, dass die ältere Generation aufgrund der Unternutzung von zu grossen Häusern finanziell zu stark belastet werde. Genau dafür sieht das geltende Gesetz einen Unternutzungsabzug vor, mit dem man gerade auch solchen Situationen von älteren Personen Rechnung trägt, die nach dem Wegzug der Kinder in ihrem Eigenheim bleiben wollen. Für all diese Punkte, die zur Begründung der Initiative geltend gemacht werden, sind im heutigen Recht Ausnahmeregelungen vorgesehen.
Somit würde die neue Initiative nur zu einer doppelten Ungleichbehandlung führen: eine Ungleichbehandlung zulasten der jüngeren Generationen und eine Ungleichbehandlung zulasten der Mieterinnen und Mieter. Die Wahlfreiheit im Alter bedeutet in erster Linie eine Privilegierung besser gestellter Rentnerhaushalte, die entweder bereits im Erwerbsleben ihre Hypothekarschulden beseitigt haben oder dies aufgrund ausreichender Finanzen im Rentenalter noch nachholen können.
Sie, liebe SVP-Mitglieder, wollen doch sicher keine Bevorzugung einer Alterskategorie. Sind Sie sich bewusst, dass die Volksinitiative Wohneigentumbesitzende gegen über Mieterinnen und Mietern bevorzugt, da die Wohneigentumbesitzenden ihre Steuerrechnung zu ihren Gunsten gestalten können. Ist das in Ihren Augen korrekt?
Des Weiteren verursacht die Initiative Steuerausfälle, wie dies bei jedem Wahlrecht zwischen verschiedenen Modellen der Fall ist. Wie wollen Sie das kompensieren?
Und, die Initiative hat einen unnötigen Mitnahmeeffekt, da auch Gutsituierte davon profitieren können.
Die beste Lösung zur Behebung der Ungerechtigkeiten bei der Wohneigentumsbesteuerung wäre ein reiner Systemwechsel: keine Eigenmietwertbesteuerung – keine Abzüge für Zinsen oder Unterhalt. Dieses System schafft keine Unterschiede zwischen pensionierten und erwerbstätigen Wohneigentümern und behebt jene zwischen Mieterinnen und Hausbesitzern.
Dies alles zeigt klar, dass diese ungerechte, teure Initiative, die Gräben zwischen den Generationen aufreisst, abgelehnt werden muss. Ich empfehle Ihnen ein „Nein“ zur Initiative „Sicheres Wohnen im Alter“.