Der Druck der EU auf unser Steuersystem zeigt, dass die Aussenpolitik eine immer wichtigere Rolle spielt. Ob die Schweiz eine erfolgreiche Zukunft hat, ob sie ihren Wohlstand halten kann, hängt nicht
Der Druck der EU auf unser Steuersystem zeigt, dass die Aussenpolitik eine immer wichtigere Rolle spielt. Ob die Schweiz eine erfolgreiche Zukunft hat, ob sie ihren Wohlstand halten kann, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie wir auf dem internationalen Parkett unsere Interessen durchsetzen können. Dazu müssen unsere besten Leute mit höchster Kompetenz und Verhandlungsgeschick das Optimum für die Schweiz herausholen.
Leider war bisher oft das Gegenteil der Fall. Verhandlungen wurden von erklärten EU-Beitrittsbefürwortern geführt (von Chefunterhändler Kellenberger bis Bundesrat Leuenberger), die massive Fehleinschätzungen begingen – mit entsprechen katastrophalen Resultaten. Im Aussenpolitischen Bericht des Bundesrates vom 15. November 2000 heisst es: „Die Wahrung der Landesinteressen kann nicht die einzige Richtschnur des aussenpolitischen Handelns sein.“ Zu dieser Zeit war mit CVP-Bundesrat Joseph Deiss ein vehementer EU-Befürworter Aussenminister.
Eine solche Aussage dürfte niemals in einem Aussenpolitischen Bericht stehen: Das Kernstück der Aussenpolitik ist die selbstbewusste und überzeugte Vertretung der Landesinteressen. Dafür sind unsere Bundesräte gewählt – und für nichts anderes.
Absicht oder Dummheit?
Zur Zeit ist die hohe Zuwanderung aus Deutschland in aller Munde. Diese Zuwanderung stellt die Schweiz vor verschiedene Fragen. Noch viel alarmierender ist aber, wie falsch die Voraussagen waren: Landauf, landab wurde von den Verantwortlichen (inklusive den Medien) vor der Abstimmung behauptet, die Personenfreizügigkeit werde nur geringe Auswirkungen zeigen. Wer warnte, die Zuwanderung werde beträchtlich sein, so lange die Schweiz einen Wohlstandsvorsprung aufweist, wurde mit den heute üblichen Totschlagargumenten wie „fremdenfeindlich“, „isolationistisch“ und dergleichen betitelt. Es ist absurd, dass nun ausgerechnet diejenigen Medien eine populistische Kampagne gegen die deutsche Einwanderung führen, die damals die Skeptiker in die populistische oder gar rechtsextreme Ecke gestellt haben.
Und so stellt sich die zentrale Frage, ob diejenigen, welche auch jetzt wieder falsche Prognosen (betreffend Zuwanderung aus Deutschland) gemacht haben, die Stimmbürger absichtlich hinters Licht geführt haben, oder ob sie zu dumm waren, die absehbare Entwicklung vorauszusehen.
Das Desaster beim Landverkehr
Wir haben das schon beim Verkehr erlebt. Sie erinnern sich an die Prognose, es werde keine Lastwagenlawine geben (im Abstimmungsbüchlein!); an die Prognose, die Zahl der alpenüberquerenden Lastwagen werde bis zwei Jahre nach Eröffnung des Lötschberg-Neat-Tunnels von 1.3 Millionen auf 650’000 reduziert. Haben das die Verantwortlichen geglaubt? War das Dummheit oder hat man der Bevölkerung bewusst einen Unsinn erzählt?
Wir hätten die 28-Tonnen Limite für Lastwagen beibehalten und ausländische 40-Tönner gegen beliebig hohe Gebühren durch die Alpen fahren lassen können. Wir hätten im wahrsten Sinne ein „Huhn“ gehabt, „das goldene Eier legt“. Flexible Preisfestsetzungen hätten uns – nebst jährlichen Milliarden in der Steuerkasse – zudem die Möglichkeit gebracht, wirksam zu steuern, wie viel Verkehr auf die Schiene verlagert wird, ganz ohne Staus auf den Strassen. Stattdessen haben wir uns (1) verpflichtet, für zweistellige Milliardenbeträge zwei NEAT-Achsen zu bauen. Wir geben (2) Milliardensummen aus, um den Verkehr mit „flankierenden Massnahmen“ (angeblich) auf die Schiene zu verlagern. Wir decken (3) die hohen Defizite der SBB ab, die wegen den EU-Abkommen keine kostendeckenden Preise verlangen kann. Wir zahlen (4) horrende Milliardenbeträge, um unsere Strassen auf die schwerer als geplanten Lastwagen „umzurüsten“. Und unsere Volkswirtschaft bezahlt (5) die Staukosten. Wir haben unzählige Milliarden von Franken ausgegeben, statt Unsummen an Transitgebühren verdient, was wiederum zur wichtigen Frage führt: Waren das Fehleinschätzungen oder Absicht (Weshalb haben z.B. sogar die Grünen „Ja“ zu den 40-Tönnern gesagt?!).
In Zukunft endlich die wahren Interessen der Schweiz verfolgen
Sind die bilateralen Dossiers tatsächlich zu unserem Vorteil, oder haben sich die Verantwortlichen generell verschätzt? Haben sie „vergessen“, beim Luftverkehrsabkommen den Anflug auf Schweizer Flughäfen miteinzubeziehen. Lag es wirklich in unserem Interesse, wenn pensionierte EU-Beamte bei uns nicht besteuert werden oder wenn wir hohe Zahlungen an die EU-Oststaaten leisten? Oder waren auch das Fehleinschätzungen oder gar ein bewusstes Hintergehen des Steuerzahlers? Wie dem auch sei. Jedenfalls ist dafür zu sorgen, dass wenigstens künftig die Interessen der Schweiz durch Leute verfolgt werden, die sich wirklich für unser Land einsetzen und deren Voraussagen nicht schon nach wenigen Jahren oder sogar Monaten völlig über den Haufen geworfen werden.
Ich setze als bekannt voraus, welche weiteren Verhandlungen mit der EU auf der Traktandenliste stehen: Seit längerem einige Dossiers vom Strom bis zur Weltraumfahrt; seit den gescheiterten Freihandelsverhandlungen mit den USA nun auch ein mögliches EU-Landwirtschafts-Freihandelsabkommen; dazu kommen die Ausweitung der Personenfreizügigkeit und allfällige „Kohäsionszahlungen“ bezüglich Rumänien und Bulgarien.
Endlich Gegenleistungen und Bedingungen zu Gunsten der Schweiz
Im Besonderen ist klar – oder müsste eigentlich klar sein – dass bei zweiseitigen Verträgen jede Leistung unseres Landes eine Gegenleistung der EU beinhalten muss, sei das beim Strom, bei der Landwirtschaft, beim Cassis-de-Dijon-Prinzip, bei zukünftigen Zahlungen oder wo auch immer. Im jetzigen Umfeld bedeutet dies insbesondere folgendes:
Die Schweiz hat kein Interesse an einem Machtkampf mit der EU und schon gar nicht an einer Verletzung bestehender Verträge. Hingegen haben wir gegenüber unserer Bevölkerung die Pflicht, bei Vertragsverhandlungen unsere wahren Interessen zu verteidigen, wie dies jeder andere Staat dieser Welt tut. Die Vertretung der schweizerischen Landesinteressen muss im Zentrum der Aussenpolitik stehen. Wir dürfen uns nicht mehr derart übers Ohr hauen lassen, wie dies in der Vergangenheit leider zu oft geschehen ist.