Nicht zuletzt dank unserem Leistungswillen, unserem Einsatz und dem sozialem Frieden ist es uns nach dem zweiten Weltkrieg gelungen, aufbauend auf einer weitgehend intakten Infrastruktur ein Wohlstandsniveau zu erreichen, das seinesgleichen sucht. Doch die Welt ist zunehmend im Wandel, die Globalisierung hat längst eingesetzt. Die neusten technologischen Entwicklungen, zum Beispiel im Kommunikations- und Medienbereich, machen uns dies immer deutlicher bewusst.
Die Schweiz hat zunehmend Mühe, mit dem Tempo dieser Veränderungen Schritt zu halten. Viele Schweizerinnen und Schweizer haben noch nicht erkannt, was sich in dieser Welt abspielt und wie sich die Industrie bewegt, oder anders gesagt, aus der Schweiz wegbewegt – nicht zuletzt als Folge der politisch begründeten Rahmenbedingungen. Die schweizerische Maschinenindustrie hat in den letzten 30 Jahren rund einen Drittel ihrer Arbeitsplätze verloren. Und die Betriebe, die noch hier bleiben, gehören mehr und mehr ausländischen Investoren. Wenn im letzten Jahrzehnt die Staatsquote doppelt so stark gewachsen ist wie die Wirtschaft, so müssten eigentlich bei allen die Warnglocken läuten. Unser Land gehört seit Beginn der 90er-Jahre zu den Spitzenreitern bezüglich Zunahme von Staatsquote und Regulierungsdichte, dafür zu den Schlusslichtern bezüglich Wirtschaftswachstum.
Wir müssen wissen: Produkte werden in einer globalisierten Welt dort abgeholt, wo sie effizient und kostengünstig angeboten werden und wo die Rahmenbedingungen stimmen. Dies gilt für die Industriegüter in ausgeprägtem Masse und wird auch für die andern Produkte mehr und mehr Gültigkeit haben.
Im Wettbewerbsbericht 2004-2005, herausgegeben vom World-Economic Forum, wird als problematischster Faktor, um in der Schweiz unternehmerisch tätig zu sein, die ineffiziente Verwaltung angegeben. Zum gleichen Resultat kommt die Weltbank in Ihrer Studie „Doing Business in 2004″. Wenn es in der Schweiz gemäss dieser Studie durchschnittlich 20 Tage braucht um eine Firma zu gründen und diese Gründung im Durchschnitt Kosten in der Höhe von 8,6 Prozent eines mittleren Jahreseinkommens verursacht, ist dies inakzeptabel. In Australien dauert die Gründung zwei Tage und kostet viermal weniger. In Dänemark braucht man dazu vier Tage und bezahlt gar nichts.
Ein Konkurs dauert in der Schweiz im Durchschnitt 4,8 Jahre, verglichen mit zehn Monaten in Singapur. Die Gläubiger erhalten dort mindestens doppelt so viel ihres Geldes zurück als in der Schweiz (37 Prozent).
In der Schweiz sind nicht nur Gründung und Liquidation durchschnittlich viel aufwendiger als anderswo, sondern auch die Administration während der ganzen Lebensphase. Administration bedeutet Kosten. Sind diese Kosten hoch, hat man einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der Konkurrenz. Der Bundesrat schätzt die volkswirtschaftlichen Kosten, welche Firmen für die Einhaltung von Vorschriften aufwenden müssen, auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts. Das wären acht bis neun Mia. Franken. Stellen Sie sich vor was passieren würde, wenn dieses Geld den Betrieben für Innovationen, für die Bildung oder die Rationalisierung zur Verfügung stehen würde.
In einem Artikel von Christof Moser von der Weltwoche war im Mai dieses Jahres zu lesen, welche Kontrollen die Firma Victorinox über sich ergehen lassen muss. Bei andern Firmen wird das ähnlich sein. Es sind rund 70 Amtsstellen, die involviert sind. Ihre gut ausgebildeten, fleissigen Beamte kommen ihrer Pflicht nach. Angefangen beim Staatssekretariat für Wirtschaft, das die Bedingungen für die Dauer-Nachtarbeit überprüft, über das kantonale Amt für Umweltschutz, das die Öltanks und die Emissionsanlagen inspiziert bis hin zu den verschiedenen Steuerexperten, welche sporadisch die verschiedenen Steuerabrechnungen begutachten.
Klar am Aufwendigsten in der Administration einer Firma ist heute die Mehrwertsteuer. Seit der Einführung der MwSt. im Jahre 1990 sind zusätzlich rund 3’000 Seiten an Verordnungen und Leitblättern herausgegeben worden. Die muss ich auch als Kleinunternehmer kennen, wenn ich bei einer MwSt.-Revision nicht böse Überraschungen erleben will. Ich muss also beispielsweise wissen, dass in meiner Firma in der Nähe des Kaffeeautomaten kein Stuhl stehen darf, da ich sonst als Restaurantbesitzer eingestuft werde und auf dem Kaffee ein Steuersatz von 7,6 Prozent zu entrichten habe, statt den üblichen 2,4 Prozent. Ja diese Steuer wird sogar auf einem fiktiven Verkaufspreis abgerechnet, falls ich den Kaffee gratis an meine Mitarbeiter abgeben sollte. Die SVP hat diesen Frühling in einer Motion eine radikale Vereinfachung des MwSt.-Systems gefordert. Wir werden sehen, was sich erreichen lässt.
In der zuvor zitierten Studie des World Economic Forum werden auch die restriktiven Arbeitsmarktbestimmungen als hinderlich und belastend empfunden. Das beginnt bei den Ruhezeitbestimmungen, geht über die Lärmvorschriften auf Baustellen und endet bei den verschiedensten Bewilligungen, die eingeholt werden müssen, um ein Geschäft zu betreiben oder um Leute zu beschäftigen. Es ist für mich völlig unverständlich, dass auf den meisten Autobahnbaustellen in der Schweiz nur einschichtig gearbeitet wird und es darf doch nicht sein, dass ein Fanshop bei einem Fussballstadion vor, während und nach dem Spiel nicht geöffnet haben darf, egal ob das Samstagnacht ist oder Sonntagnachmittag.
Bei den Arbeitsbewilligungen von ausländischen Kurzarbeitern kommen wir, so hoffe ich, mit dem Übergang von der Bewilligungspflicht zur Informationspflicht einen grossen Schritt weiter. Dies gilt natürlich auch für das Personal, das wir von unseren Stammhäusern ins Ausland senden. Was nützt es einem Landwirt, der dringend zusätzliche Erntearbeiter braucht und die Arbeitsbewilligungen erst erhält, wenn die Ernte schon eingefahren ist?
Und was nützt es mir als Unternehmer, wenn ich einen unfallbedingten Ausfall in meinem Tochterwerk im Ausland erst mit einer Fachperson aus der Schweiz ersetzen kann, wenn der Verunfallte wieder hergestellt ist oder die Konventionalstraffe infolge Lieferverzögerung schon geschuldet ist. Schwarzarbeit lässt grüssen!
Übrigens hat das Parlament dieses Jahr ein neues Gesetz gemacht, um die Schwarzarbeit zu bekämpfen. Die SVP hat dieses Gesetz in der Schlussabstimmung abgelehnt. Mit dem Schwarzarbeitsgesetz wird reine Symptombekämpfung betrieben – mehr Vorschriften, mehr Kontrolleure, höhere Bussen. Die von der SVP gemachten Vorschläge zur Reduktion des administrativen Aufwands in kritischen Berufsbranchen wurden von der Mehrheit der Räte abgelehnt.
Den Wechsel von der Beiwilligungspflicht zur Informationspflicht, analog den ausländischen Kurzarbeitern, sollten wir auch auf andere Bereiche ausdehnen. Wird beispielsweise ein Baugesuch nicht innert einer Frist von z.B. zwei Monaten behandelt, so gilt die Behörde als informiert und das Gesuch als bewilligt. Stellen Sie sich vor, wie auf diese Art die Effizienz der Verwaltung verbessert werden könnte und wie die Wirtschaft angekurbelt würde.
Ich versichere Ihnen, wir bleiben dran. Bürokratie abbauen, Verwaltung entschlacken, Gesetze vereinfachen oder noch besser, Gesetzesartikel wie z.B. das Verbandsbeschwerde¬recht ganz streichen – das werden weiterhin Kernziele der SVP sein. Denn wir kommen um eine Verbesserung der Rahmenbedingung und eine Senkung der administrativen Kosten für unsere Wirtschaft nicht herum, wenn wir den Exodus der Schweizer Industrie stoppen und künftig vermehrt wieder Produkte statt Arbeitsplätze exportieren wollen.
Es ist klar, Liberalisierung und Deregulierung, Abbau von Vorschriften brauchen Mut. Diesen Mut gilt es aufzubringen. Zu viele Leute sehen das grösste Risiko darin, den Besitzstand zu verlieren. Sie stellen nicht fest, dass das Risiko für diejenigen viel grösser ist, die den Stillstand predigen und nie ein Risiko eingehen. Nichts zu verändern bedeutet nicht, dass alles so bleibt, wie es ist. Um die Wirtschaft vorwärts zu bringen brauchen wir weniger Bürokratie, dafür mehr Leistung. Das sollten wir wagen!