Wie kann der Erfolg des Wirtschaftsstandortes Schweiz nachhaltig gesichert werden?

Vielen Dank, dass Sie mich an dieser Delegiertenversammlung in der Waadtländer Region teilnehmen lassen und mir die Möglichkeit geben, mich zu äussern. Orbe ist eine Stadt mit einer besonders reichen Geschichte, die bis in die Römerzeit zurück reicht, und sie hat eine sehr dynamische Wirtschaft sowohl im Lebensmittelsektor als auch im noch innovativeren „Cleantech“-Bereich. Zudem verfügt die Gemeinde über eine grosse Gefängnisanlage, in der sich mit 364 Hektaren Fläche das drittgrösste landwirtschaftliche Gut der Schweiz befindet. Wirtschaft und Landwirtschaft – Sie sehen, als Wirtschaftsminister fühle ich mich in dieser Gemeinde in meinem Element.

Guy Parmelin
Guy Parmelin
Bundesrat Bursins (VD)

– Es gilt das gesprochene Wort –

Ich möchte Ihnen zunächst kurz die fünf Hauptbereiche vorstellen, auf die ich meine Tätigkeit im Bundesrat konzentriere.

Zunächst einmal will ich die administrative Belastung für unsere Unternehmen reduzieren. Zweitens will ich die Wirtschaft unseres Landes auf einen Wachstumspfad bringen und so zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen in der Schweiz beitragen.

Ich strebe auch den Ausbau unserer Handelsbeziehungen an. Dies jedoch auf der Grundlage der Prioritäten, die die Schweiz selbst gesetzt hat, das heisst im Einklang mit den Interessen des Landes.

Ich will unsere Landwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit und Produktivität stärken.

Weiter beabsichtige ich, die berufliche Aus- und Weiterbildung zu verbessern.

Zu jedem dieser Punkte möchte ich Ihnen einige weiterführende Erläuterungen geben.

Was die administrative Überlastung betrifft, so bin ich der Meinung, dass unsere Unternehmen, insbesondere unsere KMU, mit viel zu hohen bürokratischen Auflagen konfrontiert sind. Ich beobachte die Situation genau und isch muss Ihnen sagen: -Diese Unternehmen erwarten zu Recht, dass sie entlastet werden. Zwar funktioniert das System, es wird aber von Tag zu Tag komplizierter. Zudem setze ich mich dafür ein, Projekte zu fördern, die systematisch zu administrativen Vereinfachungen führen. Diese verteidige ich im Bundesrat und vor dem Parlament.

Ich bin besorgt über das geringe Produktivitätswachstum in unserem Land, einem Land, das zu Recht für seine harte Arbeit bekannt ist. Infolgedessen wird die Bevölkerung trotz eines hohen Ausbildungsniveaus und eines gesunden Arbeitsmarktes für ihre Bemühungen schlecht entschädigt. Daher ist es notwendig, die Ursachen zu analysieren und Massnahmen zu definieren, um unsere Wirtschaft in dieser Hinsicht wieder auf Kurs zu bringen.

Wie ich bereits angedeutet habe, wird sich meine Aussenwirtschaftspolitik auf unser Landes-Interesse an bestimmten Märkten und auf das Potenzial dieser Märkte konzentrieren. Deshalb setze ich mich für ein Freihandelsabkommen sowohl mit den Vereinigten Staaten als auch mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern ein. Dennoch sollte unsere Strategie in diesem Bereich in alle Richtungen gehen: Die Schweiz muss sich gezielt auf Nischenmärkte konzentrieren, in denen unsere Wirtschaft am besten in der Lage ist, ihre Stärken zu entwickeln.

Die heimische Landwirtschaft ihrerseits muss konsequent auf produktives Unternehmertum ausgerichtet sein. Dabei müssen ihr jedoch unnötige Auflagen erspart bleiben. Denn auch hier sehe ich ein Übermass an Bürokratie. Glücklicherweise hat mein Departement dieses Problem erkannt und wir handeln. Die laufenden Reformprojekte und die Agrarpolitik selbst müssen diesen berechtigten Anspruch auf einen Bürokratieabbau beinhalten.

Neben mehr Unternehmergeist muss auch unsere Landwirtschaft noch nachhaltiger werden. In einer Zeit, in der Initiativen wie jene „Für sauberes Trinkwasser“ und jene „Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide“ die einheimische Produktion gefährden, ist es wichtig, dass die Landwirtschaft und die massgebenden politischen Akteure die Führung übernehmen. Genau dies ist eines der Ziele der Agrarpolitik AP22+. Unser Land muss auch den Grundsatz einer attraktiven Berufsausbildung verteidigen. Das darf nicht auf Kosten der akademischen Ausbildung gehen.  Unser Gewerbe muss sich weiterhin auf qualifizierte Arbeitskräfte und eine sichere Zukunft verlassen können. Dieses Engagement und diese Bemühungen müssen auch in Richtung Weiterbildung gehen, sonst wird die berufliche Bildung ärmer und damit auch unser Land.

Die Aus- und Weiterbildung ist in der Tat das A und O unserer Wirtschaft, daher meine Entschlossenheit, sie aufzuwerten.

Ich möchte Ihnen nun einige Hintergrundinformationen über die Gesundheit unserer Schweizer Wirtschaft und die Massnahmen zur Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit geben. Betrachtet man die Gesamtsituation, so stelle ich fest, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2018 etwas verlangsamt hat, wie dies auch beim internationalen Handel der Fall war. Gemäss den Konjunkturprognosen unserer SECO-Experten sollte das Wachstum für das laufende Jahr mit 1,2 Prozent weiterhin moderat bleiben. Diese Prognose ist etwas günstiger als von uns erwartet und ist darauf zurückzuführen, dass sich die Wirtschaftstätigkeit im vergangenen ersten Quartal überraschend erholt hat.

Im Zuge eines internationalen Konjunkturabschwungs wächst auch der Welthandel schwach. Dies führt zu einem Rückgang der Nachfrage nach Schweizer Produkten und damit zu einem Rückgang des Volumens unserer Exporte und der Nachfrage nach unseren Produktionskapazitäten. Darüber hinaus herrscht ein Klima grosser Unsicherheit, das unsere Unternehmer nicht zu Investitionen anregt. Für 2020 wird jedoch mit einer leichten Wachstumssteigerung auf 1,7 Prozent gerechnet, sofern der Handelsstreit zwischen China, den USA und der Europäischen Union etwas nachlässt.

Auf der Beschäftigungsseite bleibt die Schweizer Situation günstig. Die Arbeitslosenquote von 2,4 Prozent ist im Jahresdurchschnitt nach wie vor niedrig, und die Beschäftigung wächst weiter, wenn auch weniger stark als im Vorjahr. Dennoch wird erwartet, dass die Auswirkungen der konjunkturellen Verlangsamung mit einiger Verzögerung spürbar werden, wobei Experten einen Anstieg der Arbeitslosenquote um zwei Zehntel bis 2020 erwarten.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Bedeutung der Frage betonen, wie wichtig es ist, einen hohen Integrationsgrad von Jung und Alt in den Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten. Das Risiko eines Arbeitskräftemangels ist real, zumal die Schweiz ab 2035 mehr als einen Rentner pro zwei Erwerbstätige haben wird. Das Handwerk wird neben der Medizin und der Informationstechnologie zu den am stärksten von der drohenden Verknappung betroffenen Sektoren gehören. Das bedeutet, dass die Herausforderung für alle Bereiche – sowohl die Hochschulbildung als auch die Berufsbildung – gilt, und dass bestimmte Fähigkeiten dringend aktiv gefördert werden müssen, da unser Land sonst möglicherweise nicht in der Lage ist, seine zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde, dieses Ziel ist von grundlegender Bedeutung und muss unsere absolute Priorität bleiben. Deshalb ist die Initiative „Berufsbildung 2030“ zu unterstützen. Diese von Bund, Kantonen und Partnerorganisationen ins Leben gerufene nationale Plattform «Berufsbildung 2030» dient der Neubelebung unserer Ausbildungspolitik.

Diese Initiative bietet lediglich einen Rahmen. Sie ist nicht für die Entwicklung von Inhalten verantwortlich. Sie kann daher die verschiedenen Bereiche nicht ersetzen. Ich appelliere deshalb an die Frauen und Männer, die im Mittelpunkt des Berufslebens stehen, die prägenden Ausrichtungen – grundlegend und kontinuierlich – zu definieren. Dieser Informationsaustausch ist entscheidend, wenn unser Land im 21. Jahrhundert aller Umbrüche zum Trotz erfolgreich bleiben soll.

Ich will mein Mandat nutzen, um mich auf die Stärkung der Berufsausbildung zu konzentrieren. Unser Schweizer System ist bekannt, sein guter Ruf reicht weit über unsere Grenzen hinaus.

Ein Engagement für die berufliche Bildung bedeutet gleichzeitig eine Stärkung unserer Wirtschaft. Die Schweiz wäre nicht führend, wenn sie diesen Aspekt vernachlässigen würde. Unser Bildungsgut besteht aus einem vielfältigen und attraktiven Ausbildungsangebot, aus Karrieremöglichkeiten auf tertiärer Stufe durch eine höhere Berufsausbildung sowie einer ständigen Durchlässigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft.

Der Erfolg dieses Modells zeigt sich auch darin, dass jedes Jahr etwa zwei Drittel unserer Jugendlichen den Weg einer Berufsausbildung wählen. Dennoch müssen wir die Lage beobachten, wenn wir vermeiden wollen, dass, wie es derzeit der Fall ist, fast 20 Prozent der Ausbildungsplätze kurz vor den Ferien noch unbesetzt sind.

Eine verstärkte Berufsausbildung ist von dreifachem Nutzen für die Gesellschaft: erstens die Sicherung qualifizierter Arbeitskräfte, sowohl in Bezug auf die Fach- als auch auf die Führungsqualitäten; zweitens die Gewährleistung einer möglichst niedrigen Jugendarbeitslosigkeit; und schliesslich die Gewährleistung einer hohen sozialen Stabilität.

Da die Kantone und der Bund für die Erarbeitung der Rahmenbedingungen verantwortlich sind, bin ich den Akteuren sehr dankbar für ihren Beitrag zur Gestaltung der von mir erwähnten Inhalte. Besonders begrüsse ich, dass Sie sich für dieses Ziel freiwillig engagieren, dass Sie Ausbildungsplätze bereitstellen und dass Sie das Ausbildungsangebot durch Betreuung und Entwicklung an die Bedürfnisse unserer Zeit anpassen.

Ohne unsere KMU, ohne die Organisationen, die Sie zusammenführen, wäre die Berufsausbildung nicht mehr sinnvoll, weil sie einfach keine Zukunft hätte. Aber gerade für diese Zukunft und für jene unseres Landes müssen wir uns privat, beruflich und vor allem politisch engagieren.

Mit dieser festen Überzeugung wünsche ich den Kandidatinnen und Kandidaten, die sich bereits im Wahlkampf befinden, und jenen von uns, die sich entschieden haben zu kandidieren, alles Gute. Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sommer, viel Glück und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Guy Parmelin
Guy Parmelin
Bundesrat Bursins (VD)
 
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