Die Erfahrung zeigt, dass die Durchführung der 1. und 2. Säule gut funktioniert. Änderungen sind daher nur dort vorzunehmen, wo unmittelbarer Handlungsbedarf besteht oder ein überwiesener parlamentarischer Auftrag vorliegt. Ansonsten ist in diesem Bereich mit Revisionen zurückhaltend zu verfahren. Die Vernehmlassungsantwort trägt diesem Grundsatz jedoch in keiner Weise Rechnung und enthält sowohl in Bezug auf die Altersvorsorge als auch die berufliche Vorsorge mehrere Neuerungen, deren Umsetzung enormen administrativen und finanziellen Aufwand erfordern würde, ohne dass dafür eine Dringlichkeit gegeben wäre. Die SVP lehnt die geplanten Neuerungen daher ab.
Änderungen in der beruflichen Vorsorge
In der 2. Säule soll die Verpflichtung eingeführt werden, dass Vorsorgeeinrichtungen bei jedem Neueintritt eines Versicherten direkt bei der Zentralstelle die Informationen zu allfälligen Freizügigkeitsguthaben der Versicherten einholen (Art. 11 Abs. 3 FZG). Es ist nicht bekannt, ob die Zahl jener, die ihre Freizügigkeitsguthaben verschweigen, erheblich ist. Hingegen wäre der durch solche systematischen Abfragen ausgelöste Mehraufwand beträchtlich, wie ja auch der Bundesrat selber zugibt. Art. 11 Abs. 3 FZG ist daher ersatzlos zu streichen.
Änderungen in der AHV
Mehrere Untersuchungen der Eidgenössischen Finanzkontrolle über die Aufsicht in der AHV und der IV haben eine zeitgemässe Governance in der 1. Säule gefordert – und eben ausdrücklich eine strikte Trennung von Durchführung und Aufsicht. Diesen Forderungen wird die Vernehmlassungsvorlage nicht gerecht. Das BSV als Bundesaufsichtsbehörde soll weiterhin mit reinen Durchführungsaufgaben betraut werden. Konkrete Beispiele sind das Regresswesen, das Tarifwesen, die Durchführungsaufgaben bei internationalen Abkommen, die Vollzugsfragen bei der Verbindungsstelle für Familienleistungen usw. Wir fordern eine Übertragung dieser Aufgaben an die Durchführungsstellen, z.B. an die Zentrale Ausgleichsstelle, die sich mit der Massenverwaltung bestens auskennt.
Unabhängig von der Frage, inwiefern der Vernehmlassungsvorlage die Trennung von Durchführung und Aufsicht gelingt oder eben nicht, weist der prognostizierte Zusatzaufwand von ca. 75 Vollzeitstellen bei den Ausgleichskassen für die Umsetzung der Vorlage darauf hin, dass hier ein Bürokratiemonster herangezüchtet wird.
Diese grundsätzlichen Bedenken vorausgeschickt, nehmen wir zu den Detailfragen wie folgt Stellung:
Informationssystem und Mindeststandards (Art. 49bis AHVG-E)
Die Durchführungsstellen haben in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass sie sämtliche Weichenstellungen des Gesetzgebers fachgerecht, zeitgerecht und ohne Kostenexplosion umsetzen können. Für die SVP ist die angestrebte Bundeskompetenz bei der IT eine echte Gefahr für das tadellose Funktionieren der AHV und die niedrigen Verwaltungskosten. Das BSV verfügt ganz offensichtlich nicht über die hier zwingend notwendige IT-Durchführungserfahrung im Massengeschäft der Sozialversicherungen. Wenn Bundesbeamte – deren Kernaufgabe eben Aufsicht und nicht Durchführung ist – IT-Standards definieren, treten sie in eine Produktionsverantwortung. Das widerspricht aber der Aufsichtsaufgabe. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die IT das Kerngeschäft der Durchführung ist, die ja durch Verwaltungskostenbeiträge der Arbeitgeber finanziert wird und nicht etwa durch den AHV-Fonds oder gar den Bund. Aus Risikoüberlegungen, aus dem Grundsatz der Trennung von Aufsicht und Durchführung sowie aus finanziellen Überlegungen für die Wirtschaft braucht es für das gute Funktionieren der 1. Säule keine Bundeskompetenzen im IT-Bereich. Wir lehnen deshalb die Regelungen zu Informationssystemen und Mindeststandards entschieden ab.
Elektronischer Datenaustausch (Art. 49ter AHVG-E)
Die angestrebte neue Bundeskompetenz muss sich auf den Datentausch zwischen den Durchführungsstellen beschränken.
Aufgaben der Aufsichtsbehörde (Art. 72a AHVG-E)
Die SVP bezweifelt, dass die Einrichtung eines Risiko- und Qualitätsmanagementsystems, eines internen Kontrollsystems, eines zusätzlichen Berichts mit Kennzahlen und die durch das BSV zu erfolgende individuelle Festlegung von Zielen für jede Durchführungsstelle zielführend sind. Dass das BSV nicht nur bei der Definition dieser Vorgaben mehr Kompetenzen eingeräumt bekommt, sondern gleichzeitig seine Aufsichtstätigkeit auf das ganze Gebiet der Erwerbsersatzordnung ausgedehnt werden soll, ist ebenso zurückzuweisen, wie die geplante Ausrichtung des BSV zu einer Aufsichtsbehörde, die eine «proaktive Aufsicht» ausübt. Die heute vorhandenen finanziellen und statistischen Angaben reichen aus für die Systemsteuerung. Alles, was darüber hinausgeht, würde zu einer unbotmässigen Bürokratisierung der AHV führen.
Ein Unikum ist zudem, dass offenbar gar kein Rechtsschutzverfahren im Verhältnis zwischen Durchführung und Aufsicht besteht. Hier braucht es zeitgemässe Mechanismen. Instrumente, wie z.B. die Weisung im Einzelfall durch das BSV, gehören abgeschafft und kommen einem Leerlauf der Trennung von Durchführung und Aufsicht gleich.