Vernehmlassung

Änderung des Bundesgesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (AVEG) zur Umsetzung der Motionen 20.4738 Ettlin und 21.3599 WAK-N

Die SVP fordert die getrennte Behandlung der zwei umzusetzenden Motionen, da ein materieller Zusammenhang fehlt. In Bezug auf die Erstellung von Transparenz der Finanzflüsse paritätischer Kommissionen fordert die SVP wichtige Präzisierungen, um missbräuchliche Finanzströme seitens der paritätischen Kommissionen effektiv zu unterbinden. Die Umsetzung der Motion «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen» wird unterstützt.

Motion 21.3599 WAK-N «Transparenz über die finanziellen Mittel paritätischer Kommissionen
Die Motion 21.3599 fordert, dass die paritätischen Kommissionen (PK) der allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträge (AVE GAV) verpflichtet werden, ihre Jahresrechnung und somit ihre Finanzströme zu veröffentlichen. Die Verdunkelung der Finanzströme ist leider aktuell Teil eines Geschäftsmodells für die Finanzierung von sachfremden Leistungen. Beispielsweise enthalten viele AVE GAV Rückerstattungsmechanismen mit Zahlungen an Arbeitnehmer- und vereinzelt auch an Arbeitgeberorganisationen, die mit keinen spezifischen Leistungen hinterlegt sind. Diese können grundsätzlich nicht gerechtfertigt werden. Einzelne AVE GAV enthalten sogar einen spezifischen Rückerstattungsmechanismus, der explizit vorsieht, dass die Arbeitnehmerorganisationen mit diesen «Kickbacks» den bei ihnen eingeschriebenen Personen die Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft rückerstatten können.
Dies sind unbedingt zu behebende gesellschaftliche Missstände mit massiven Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit. Allgemeinverbindlich erklärte Lohnabzüge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die von der gesamten Branche entrichtet werden müssen, werden auf diese Weise in die Organisation der betreffenden Sozialpartner gelenkt und nicht für die eigentlich vorgesehenen Leistungen wie den Vollzug oder die Bildung eingesetzt. Damit werden die zwangsabgeführten Abgaben der unterstellten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zweckentfremdet. In diesem Sinne unterstützt diese Vorlage die Erhöhung der Rechenschaft der PK und wirkt missbräuchlichen Finanzströmen entgegen. Dies unterstützt die SVP ausdrücklich.

Es gibt jedoch weiteren Handlungsbedarf. Aus den Fonds der PK werden oftmals indirekt die Sozialpartner finanziert. Diese Fonds werden durch Zahlungen von Unternehmen und Arbeitnehmende unabhängig ihrer Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft gespiesen. Dies rechtfertigt das hohe branchenübergreifende Interesse an einer Offenlegung dieser Finanzströme beziehungsweise der Veröffentlichung der Jahresrechnung der PK. Deshalb ist das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von GAV wie folgt zu ergänzen:

Art. 3 Abs. 1
Bestimmungen über Ausgleichskassen und andere Einrichtungen im Sinne von Artikel 323ter Absatz 1 Buchstabe b des Obligationenrechts dürfen nur allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn die Organisation der Kasse oder Einrichtung ausreichend geregelt ist und Gewähr für eine ordnungsgemässe Führung besteht und keine Rückerstattungsmechanismen zur Reduktion von Mitgliederbeiträgen an die Arbeitnehmer- und/oder Arbeitgeberorganisationen bestehen.

Art. 5 Abs. 3 und 4 (neu)
Abs. 3: Organe, die für die gemeinsame Durchführung nach Artikel 357b Absatz 1 des Obligationenrechts verantwortlich sind, müssen ihre detaillierte Jahresrechnung elektronisch veröffentlichen.
Abs. 4: Zur detaillierten Jahresrechnung gehören die Bilanz, die Erfolgsrechnung und der Anhang zur Jahresrechnung.

Motion 20.4738 Ettlin «Sozialpartnerschaft vor umstrittenen Eingriffen schützen»
Die Motion 20.4738 fordert eine höhere Gewichtung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) als allfällig den GAV zuwiderlaufende kantonale Mindestlöhne. Die SVP unterstützt grundsätzlich die Umsetzung der Motion. Gleichzeitig erkennt sie den vom Bundesrat herausgestrichenen Konflikt der verfassungsrechtlichen Kompetenz der Kantone, sozialpolitische Mindestlöhne eigenständig festzulegen. Ein AVE GVA geniesst nicht dieselbe demokratische Legitimation wie ein vom kantonalen Stimmvolk festgelegten Mindestlohn. In diesem Sinn muss auch erwägt werden, dass allfällige höhere kantonale Mindestlöhne eventuell nur dann geltend gemacht werden können, wenn auf die Allgemeinverbindlichkeit eines Gesamtarbeitsvertrags verzichtet wird. Dies folgt, da der GAV mit der Umsetzung der Motion, als absolut zwingend ranghöhere Norm mit dem kantonalen Mindestlohn in Konflikt steht und das Günstigkeitsprinzip, im Sinne von «dem Fünfer und das Weggli» einfordern, deshalb nicht zur Anwendung kommen sollte. In einem solchen Fall wäre ein erneuter gesetzgeberischer Handlungsbedarf nicht auszuschliessen, da die Erreichung des Schutzzwecks eines AVE GVA, welcher gemäss Art. 110 der Bundesverfassung die eigentliche ratio legis eines AVE GVA darstellt, eventuell durch höhere kantonale Mindestlöhne besser erfüllt ist als durch den AVE GAV selbst.

Im Rahmen dieser Ausführungen unterstützt die die SVP die Umsetzung der beiden Motionen in zwei getrennten Vorlagen.

Vernehmlassungsvorlage Allgemeinvergnlichkeiterklärung von Gesamtarbeitsverträgen.

 
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