Die SVP lehnt die Vorlage zum heutigen Zeitpunkt ab und ruft den Bundesrat auf, die Vorlage zurückzustellen und zu einem späteren Zeitpunkt überarbeitet erneut vorzulegen. Das wirtschaftliche Umfeld verträgt derzeit keine Vorschriften, die die Wirtschaft finanziell und administrativ zusätzlich belasten. Auch der Volkswille würde damit respektiert, denn die Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ wurde mit der auf den 1. Januar 2014 in Kraft getretenen „Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (Vergütungsverordnung; VegüV)“ bereits umgesetzt. Mit einer Überführung der Vorschriften in Bundesgesetze kann problemlos zugewartet werden.
Sollte die Vorlage nicht zurückgestellt werden, so lehnt sie die SVP inhaltlich grossmehrheitlich ab.
Zu begrüssen ist, dass der Vorentwurf darauf verzichtet, eine Vorlage zur Umsetzung von Art. 95 Abs. 3 BV und separat eine Vorlage zur restlichen Aktienrechtsrevision vorzulegen, sondern alles in einem Vorentwurf regelt. Eine sinnvolle Trennung wäre nicht vornehmbar. Dass die am 3. März 2013 von Volk und Ständen angenommenen Verfassungsbestimmungen ohne Abstriche umzusetzen sind, ist für die SVP eine Selbstverständlichkeit.
Abzulehnen sind aus Sicht der SVP jene Bestimmungen, welche weiter gehen als jene in der Vergütungsverordnung. Im Sinne der Rechtsicherheit ist es angezeigt, die in der Vergütungsverordnung festgelegten Vorschriften eins zu eins in die entsprechenden Bundesgesetze zu überführen und Erfahrungen mit diesen Vorschriften in der Praxis abzuwarten.
Überdies lehnt die SVP zahlreiche Revisionsbereiche ab, so u.a. die Senkung der Hürden für Rückforderungsklagen, die Möglichkeit des Richters, die Prozesskosten nach Ermessen zu verteilen, die Vertretung der Geschlechter im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung nach Quoten sowie spezielle Vorschriften für Rohstoffunternehmen.
Einleitung
Am 3. März 2013 stimmten 68 Prozent der Stimmenden und alle Kantone der Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ zu. Gleichzeitig wurde der ihr gegenübergestellte indirekte Gegenvorschlag klar abgelehnt. Durch die Annahme der Volksinitiative wurde Artikel 95 der Bundesverfassung (BV) zur privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit um einen Absatz 3 erweitert. Gestützt auf die entsprechenden Übergangsbestimmungen in Art. 197 Ziff. 10 BV, wonach der Bundesrat innerhalb eines Jahres nach Annahme der Volksinitiative die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen hat, setzte der Bundesrat auf den 1. Januar 2014 die „Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (Vergütungsverordnung, VegüV)“ in Kraft.
Keine Revision im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld
Am 15. Januar 2015 gab die Schweizerische Nationalbank die Euro-Franken-Untergrenze auf. In der Folge sackte der Eurokurs innert Stunden auf 85 Rappen hinunter. Mittlerweile hat sich der Kurs bei einem Franken und sieben Rappen eingependelt. Auch dieser Kurs ist für die Schweizer Industrie belastend. Aufgrund der wechselkursbedingten Probleme der Schweizer Wirtschaft, müssen derzeit sämtliche Gesetzesrevisionen, welche die Unternehmen zusätzlich belasten könnten, zurückgestellt werden. Auf unsinnige Regelungen ist grundsätzlich zu verzichten.
Volkswillen als zentrales Element
Die Beachtung des Volkswillens ist für die SVP zentral. Mit der Umsetzung des Verfassungsauftrags in der Vergütungsverordnung wurden die Inhalte der Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ umgesetzt. Gegen eine Überführung dieser Bestimmungen in die entsprechenden Bundesgesetze ist nichts einzuwenden, solange diese eins zu eins übernommen werden, was auch hinsichtlich der Rechtsicherheit und Rechtsbeständigkeit geboten wäre. Jede Änderung/Ergänzung dieser Vorschriften wäre für die Unternehmen mit zusätzlichem finanziellem Aufwand verbunden, was derzeit abzulehnen ist. Andererseits spricht nichts dagegen, die Vergütungsverordnung weiterhin aufrecht zu erhalten und eine Überführung der Bestimmungen in Bundesgesetze zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen.
Revision müsste wirtschaftsfreundlich sein
Inhaltlich geht die aktienrechtliche Revisionsvorlage weiter als die Vergütungsverordnung, weil sich der Bundesrat bei der Vergütungsverordnung inhaltlich streng an den Wortlaut der „Abzockerinitiative“ halten musste. Vorliegend kann sich der Gesetzgeber jedoch überdies auf die allgemeine Bundeskompetenz stützen (Art. 113, 122 und 123 BV). Mit der in die Vernehmlassung gebrachten Vorlage geht der Bundesrat deshalb inhaltlich über die Vergütungsverordnung hinaus und nimmt das Geschäft „Aktien- und Rechnungslegungsrecht (08.011)“ wieder auf, deren Entwurf 1 an ihn zurückgewiesen wurde, und nimmt darin weitere Revisionsthemen auf.
Sollte der Bundesrat – entgegen der Hauptforderung der SVP – an seinen Ansinnen festhalten und die Vorlage ohne Verzögerung dem Parlament unterbreiten, so müsste diese vorgängig überarbeitet und wirtschaftsfreundlicher ausgestaltet werden.
Als wirtschaftsfeindlich abzulehnen und inhaltlich weiter gehend, als die Bestimmungen in der Vergütungsverordnung sind u.a. folgende Bestimmungen:
- Art. 626 Abs. 2 Ziff. 3 VE-OR (gesetzlich vorgeschriebener Statuteninhalt): ein maximal zulässiges Verhältnis zwischen fixer und gesamter Vergütung würde dazu führen, dass eine Vergütung auch dann bezahlt werden müsste, wenn es dem Unternehmen finanziell schlecht geht;
- Art. 652b Abs. 4 VE-OR (Bezugsrecht); diese Bestimmung ist in verschiedener Hinsicht problematisch; unklar ist, wie die unbestimmten Rechtsbegriffe „wesentlich tiefer“ oder „handelbar“ zu verstehen sind; zudem kann gerade bei kotierten Gesellschaften das Einstimmigkeitsprinzip dazu führen, dass eine Sanierungstransaktion verhindert wird; es ist deshalb angezeigt bei kotierten Gesellschaften vom Einstimmigkeitsprinzip abzuweichen; es drängt sich hier auf, wichtige Beschlüsse im Sinne von Art. 704 Abs. 1 VE-OR zu fällen (2/3 der abgegebenen Stimmen und Mehrheit der Nennwerte;
- Art. 678 f. VE-OR (Rückerstattung von Leistungen); die Hürden für Rückforderungsklagen sollen gesenkt werden; ein Verzicht auf die Bösgläubigkeit ist grundsätzlich problematisch und im Falle von Aktionäre sogar falsch; Aktionäre sind selten ausreichend informiert, um beurteilen zu können, ob die Zuteilung von Dividenden gerechtfertigt ist; zudem wäre die vorgeschlagene Erweiterung des Anwendungsbereichs der aktienrechtlichen Rückerstattungspflicht für die Rechtssicherheit und für die Glaubwürdigkeit des Schweizer Kapitalmarkts gefährlich; diese Änderung würde dazu führen, dass Anleger damit rechnen müssen, Jahre nach dem Empfang von Dividendenzahlungen diese rückerstatten zu müssen; der Verzicht auf die Voraussetzungen der Gutgläubigkeit ist aber auch bei den übrigen Passivlegitimierten unangemessen; ist der Vergütungsanspruch rechtsgültig entstanden, bleibt kein Raum für eine nachträgliche Rückforderung, wenn die betreffende Person gutgläubig war; auch der Vorschlag der Umkehrung der Beweispflicht ist abzulehnen; es ist nicht verständlich, warum der Beweis des guten Glaubens einfacher sein soll, als der Nachweis des bösen Glaubens; nicht zu unterstützen ist weiter die Verlängerung der absoluten Verjährungsfrist auf zehn Jahre; diese ist bei fünf Jahren zu belassen;
- Art. 689c Abs. 6 Ziff. 2 VE-OR (Weisungen an die unabhängige Stimmrechtsvertretung); der Vorentwurf sieht vor, dass den Aktionären auch zu Spontananträgen von anderen Aktionären Weisungsalternativen zur Verfügung stehen müssten; es macht keinen Sinn, dass Aktionäre, welche nicht an der Versammlung teilnehmen, im Voraus Stellung zu Anträgen nehmen sollen, die sie noch nicht kennen;
- Art. 697j und k VE-OR; Art. 703 VE-OR; Art. 107 Abs. 1bis VE-ZPO (Klage auf Kosten der Gesellschaft; Verteilung der Prozesskosten nach Ermessen); die Vorschriften sind nicht notwendig; sofern ein Prozess nicht aussichtslos ist, besteht bereits heute bei Mittellosigkeit die Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 117 ff. ZPO);
- Art. 700 Abs. 2 Ziff. 4 und Abs. 3 VE-OR (Form, Inhalt und Mitteilung der GV); die Bestimmung sieht vor, dass die kotierten Gesellschaften verpflichtet werden sollen, in der Einberufung zur Generalversammlung ihren Dispobestand offen zu legen; der Bestand des Dispobestandes ändert sich dauernd; es ist deshalb der Regelfall, dass sich der Bestand zwischen der Einberufung und der Generalversammlung noch ändern wird; andererseits schadet die Publikation des Dispobestandes auch nicht und kann als Reminder für Aktionäre verstanden werden, sich eintragen zu lassen; abzulehnen ist dagegen die Auflage, bei Verhandlungsgeschäften in der Generalversammlung die „Einheit der Materie“ zu wahren; eine solche Vorschrift führt nur zu Unklarheiten; ein Verbot von „Paketabstimmungen“ bei Generalversammlungen würde zudem die Gefahr in sich bergen, dass sich widersprechende Statuten aufgenommen werden könnten; durch die vorgesehene Regelung würden Totalrevisionen von Statuen geradezu verunmöglicht;
- Art. 701g VE-OR (elektronisches Forum); ein solches Forum bringt neue rechtliche Fragen mit sich; solange diese nicht geklärt sind, ist ein solches Forum abzulehnen oder sollte zumindest dispositiver Art sein;
- Art. 703 Abs. 3 VE-OR (Beschlussfassung und Wahlen; Enthaltungen gelten nicht als abgegebene Stimmen); gerade institutionelle Anleger enthalten sich oft der Stimme; diese Enthaltungen nicht zu werten, ist nicht nachvollziehbar; auch eine Enthaltung hat Aussagekraft; die bisherige Regelung in Art. 703 Abs. 3 OR ist somit beizubehalten;
- Art. 716b Abs. 2 Ziff. 3. VE-OR (Übertragung der Geschäftsführung); neu soll detaillierter aufgeführt werden, was das Organisationsreglement zu enthalten hat; im Gegensatz zu heute, müssten künftig auch rein interne Angelegenheiten wie die Kommunikations- und Berichterstattungswege innerhalb des Verwaltungsrates oder zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung offen gelegt werden; dies ist als zu weit gehend zu bezeichnen und deshalb ersatzlos zu streichen;
- Art. 734a Abs. 3 Ziff. 2 und 3 VE-OR (Vergütungen an den Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und den Beirat); die derzeit geltende Regelung, wonach keine Einzeloffenlegung vorgesehen ist, sondern der Gesamtbeitrag der Geschäftsleitung sowie der höchste auf ein Mitglied entfallende Betrag anzugeben ist, hat sich bewährt;
- Art. 734e VE-OR (Vertretung der Geschlechter im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung); eine gesetzgeberische Intervention wäre hier völlig fehl am Platz und wird von der SVP entschieden abgelehnt; es fragt sich überdies, was diesbezüglich die nächsten gesetzgeberischen Schritte wären; denkbar ist, dass als nächstes zwingende Frauenquoten eingeführt würden und entsprechende Sanktionen bei Nichteinhaltung; jede Art von Quote ist abzulehnen; nicht das Geschlecht, die Nationalität oder jede andere Eigenschaft darf entscheidend sein, sondern ausschliesslich die fachliche Qualifikation und eine gute Diversität der Kompetenzen; zu einer guten Diversität gehört nicht nur das Geschlecht, sondern ebenso das Alter, die Ausbildung, die Erfahrung und die Fachkenntnisse; es ist nicht angezeigt, bezüglich einem Kriterium einen anderen Massstab anzuwenden;
- Art. 754 Abs. 1 VE-OR (Haftung für Verwaltung, Geschäftsführung, unabhängige Stimmrechtsvertretung und Liquidation); mit dieser Bestimmung soll der unabhängige Stimmrechtsvertreter unter die Organhaftung fallen; diese Unterstellung ist nicht gerechtfertigt; rechtssystematisch erscheint es nicht nachvollziehbar, die unabhängige Stimmrechtsvertretung potentiellen Klagen von Aktionären auszusetzen;
- Art. 964a ff. VE-OR (Transparenz bei Rohstoffunternehmen); diese Bestimmung lehnt sich an entsprechende Bestimmungen von europäischen Regelungen an und geht darüber hinaus; gemäss Art. 964a Abs. 1 VE-OR sollen vom persönlichen Geltungsbereich alle Unternehmen erfasst werden, die direkt oder indirekt im Bereich der Mineralgewinnung oder beim Holzeinschlag von Primärwäldern tätig sind; die Konzeption von „direkt oder indirekt“ geht zu weit und findet sich auch in den Regelungen der EU nirgends; überdies wird das Aktienrecht hier für sachfremde Zwecke eingesetzt.