Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens
Die SVP lehnt den Vorentwurf zur Umsetzung von Art. 123c BV in der vorliegenden Form ab. Die SVP kann nur einem Vorentwurf zustimmen, welcher Art. 67 Abs. 4ter VE-StGB (bzw. Art. 50 Abs. 4ter VE-MStG) streicht (Variante 2) und eine Bestimmung enthält, welche Liebensbeziehungen unter Jugendlichen (sog. „Jugendliebe“) als Grund für ein Tätigkeitsverbot ausnimmt.
Am 18. Mai 2014 haben Volk und Stände die Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ angenommen. Damit wurde die Bundesverfassung wie folgt ergänzt:
Art. 123c (neu) Massnahme nach Sexualdelikten an Kindern oder an zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Personen.
Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben, verlieren endgültig das Recht, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben.
Es wird nicht bestritten, dass Art. 123c BV nicht direkt anwendbar ist, sondern vom Gesetzgeber auf Gesetzesstufe konkretisiert und ergänzt werden muss. Dabei hat sich der Gesetzgeber jedoch so eng wie möglich an den Verfassungstext und die von den Initianten im Vorfeld der Abstimmung gemachten Erläuterungen zu halten. Die Initianten haben stets betont, dass die „Pädophileninitiative“ keinen Spielraum für Ausnahmen offen lässt, ausser für den Bereich der sog. „Jugendliebe“.
Die Volksinitiative wurde sehr deutlich angenommen. 63.5% der Stimmberechtigten legten ein „Ja“ in die Urne und sämtliche Stände stimmten zu. Die Stimmberechtigten haben ein Anrecht darauf, dass die Initiative korrekt umgesetzt wird. Dieses Prinzip ist auch ein Eckpfeiler unserer direkten Demokratie. Die Variante 1 kommt dieser Anforderung nicht nach; im Gegenteil: Die Variante 1 hebt Sinn und Zweck der Volksinitiative quasi auf. Gemäss Variante 1 kann in leichten Fällen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbots abgesehen werden, wenn ein solches Verbot offensichtlich weder notwendig noch zumutbar ist. Nur bei Menschenhandel, sexueller Nötigung, Vergewaltigung, Schändung oder Förderung der Prostitution soll – gemäss Variante 1 – von einem Tätigkeitsverbot nicht abgesehen werden dürfen. Die Einschränkung („leichte Fälle“) öffnet dem Gericht jedoch Tür und Tor, bei jenen Delikten von einem Tätigkeitsverbot abzusehen, welche nicht in diesen Ausnahmekatalog fallen. Die Ausführungen des erläuternden Berichts zu diesem Punkt sind auch widersprüchlich. Zum einen wird betont, dass der Verhältnismässigkeitsgrundsatz unumstösslich sei, andererseits wird dieser bezüglich Art. 67 Abs. 4ter Satz 2 VE-StGB absolut ausgeschlossen.
Variante 2 (streichen von Art. 67 Abs. 4ter VE-StGB) würde dem Gedanken der „Pädophileninitiative“ entsprechen. Gleichzeitig müssten jedoch die Fälle von „Jugendliebe“ geregelt werden. Wie im Vorfeld der Abstimmungskampagne von allen Seiten betont wurde, soll die „Jugendliebe“ vom Inhalt der Verfassungsbestimmung ausgenommen sein. Diese Tatsache umzusetzen darf jedoch nicht mit der in Variante 1 vorgeschlagenen Art erfolgen, indem dem Gericht die Möglichkeit gegeben wird, in unbestimmt vielen Fällen von Grundsatz abzuweichen. Vielmehr ist eine Ergänzung von Art. 187 StGB angezeigt, um diese Fälle von einem Tätigkeitsverbot auszunehmen.