Die SVP begrüsst die Ratifizierung des Pariser und Brüsseler Übereinkommens sowie des Gemeinsamen Protokolls. Mit einer Ratifikation der internationalen Kernhaftungsübereinkommen kann die…
Antwort der Schweizerischen Volkspartei
Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung von Übereinkommen zur Haftung auf dem Gebiet der Kernenergie
Die SVP begrüsst die Ratifizierung des Pariser und Brüsseler Übereinkommens sowie des Gemeinsamen Protokolls. Mit einer Ratifikation der internationalen Kernhaftungsübereinkommen kann die Gleichbehandlung der Schweiz und der schweizerischen Opfer im Schadensfall gewährleistet werden.
Hingegen erachten wir die Erhöhung der obligatorischen Versicherungsdeckung auf 2.25 Mrd. Franken als unangemessen, im internationalen Vergleich wettbewerbsverzerrend und nur den ideologischen Überzeugungen, die gewisse Bereiche der Energiepolitik beherrschen, geschuldet. Die SVP verlangt, dass die Versicherungsdeckung entsprechend der 1. und 2. Tranche gemäss der obzitierten Übereinkommen auf 1.8 Mrd. Franken beschränkt wird.
Die Übereinkommen sehen eine Teilung der Mindestdeckungssumme von 1.5 Mrd. Euro (ca. 2.25 Mrd. CHF) in drei Tranchen vor. Die erste beträgt 700 Mio. Euro und muss durch Mittel des haftpflichtigen Inhabers der Kernanlage gedeckt werden. Dies entspricht der heute geltenden schweizerischen Regelung, die eine Deckungssumme von 1.1 Mrd. CHF, inklusive des Anteils für Zinsen und Verfahrenskosten, vorsieht.
Die zweite Tranche sieht eine Erhöhung der Versicherungsdeckung auf bis zu 1.2 Mrd. Euro vor. Gemäss Brüsseler Zusatzübereinkommen sind diese zusätzlichen 500 Mio. Euro allerdings durch öffentliche Mittel derjenigen Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet die Kernanlage liegt, bereitzustellen.
Die dritte Tranche von 300 Mio. Euro schliesslich wird durch alle Vertragsparteien geleistet. Diese Mittel stehen der Schweiz im Schadensfall ohnehin zu. Der Anteil der Schweiz beträgt derzeit 9 Mio. Euro und nicht 300 Mio., wie die Vorlage suggeriert. Es besteht deshalb kein Grund, die gesamte Deckungssumme um diesen Betrag auf 2.25 Mrd. CHF zu erhöhen. Dies würde letztlich auch den internationalen Übereinkommen widersprechen.
Es ist klar, dass die durch die Erhöhung der Versicherungsdeckung entstehenden Kosten die Gestehungskosten von Elektrizität grundsätzlich erhöhen und auf die Kunden überwälzt werden. Zu diesem Resultat kommt selbst die in Auftrag gegebene Studie. Inakzeptabel ist aber, dass diese Mehrkosten nicht beziffert, sondern gönnerhaft als tragbar bezeichnet werden. Allerdings korrespondiert dieser Befund mit der grundsätzlichen Kritik der Koreferenten an der Studie. Eine Verteuerung der Gestehungskosten bzw. der Preise für die Konsumenten ist inopportun vor dem Hintergrund der europaweiten Öffnung des Strommarktes. Damit wird lediglich eine Wettbewerbsverzerrung zuungunsten der schweizerischen Elektrizitätswirtschaft geschaffen, und die Kunden sehen sich weiterhin mit gegenüber dem Ausland höheren Strompreisen konfrontiert. Letztlich werden damit nur die Anstrengungen des Parlaments, ein ausgewogenes und auf das ursprüngliche Ziel gerichtetes Stromversorgungsgesetz zu schaffen, unterlaufen.
Die SVP kommt nicht umhin, einmal mehr die ideologischen Überzeugungen zu kritisieren, welche die Politik hinsichtlich der Kernenergie bestimmen. Wir erinnern mit Nachdruck daran, dass sich Volk und Stände zuletzt im Mai 2003 mit grosser Mehrheit für die Option Kernenergie ausgesprochen haben. Die sich in naher Zukunft abzeichnende Versorgungslücke bestätigt nur, dass dieser Entscheid richtig war. Ob und wie lange der Entscheid Deutschlands aus der Kernenergie auszusteigen aufrechterhalten wird, muss sich unter einer neuen Regierung erst noch weisen. Und das Beispiel Italien zeigt schliesslich nur die Abhängigkeiten und Unsicherheiten auf, welche die Umsetzung eines solchen Entscheids nach sich zieht.
Insgesamt gilt es, sowohl im Hinblick auf die Marktöffnung als auch auf eine Grundsatzdebatte über die Kernenergie, die internationale Entwicklung gesamthaft (und nicht anhand von Einzelbeispielen) zu beobachten. Es besteht keinerlei Grund dass die Schweiz hier wiederum eine Vorreiterrolle einnimmt. Mit Fug und Recht darf auch gefragt werden, welche Wirkung die „international wegweisende“ Rolle überhaupt haben kann, wenn mehr als zwanzig Jahre vergehen, bevor drei weitere Länder eine unbegrenzte Haftung einführen. Zu bemerken wäre noch, dass eines dieser drei Länder, Österreich, über keine kommerziellen Kernanlagen verfügt!
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen verlangt die SVP, dass die Versicherungsdeckung gemäss den zu ratifizierenden Abkommen auf 1.8 Mrd. Franken begrenzt wird. Ob die 2. Tranche von 500 Mio. Euro (700 Mio. CHF) den Inhabern der Kernanlagen auferlegt oder aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden sollen, spielt für die Konsumenten letztlich keine Rolle. Entscheidend jedoch sind die Positionierung der Schweizer Elektrizitätswirtschaft im internationalen Wettbewerb einerseits und die Vorgaben der internationalen Übereinkommen andererseits. Vor diesem Hintergrund plädieren wir dafür, dass die 2. Tranche, wie im Brüsseler Zusatzübereinkommen vorgesehen, mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Eine darüber hinaus gehende Erhöhung der Versicherungsdeckung ist in der derzeitigen Situation nicht angezeigt. Sie kann zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden – wenn die internationale Entwicklung dies verlangt.