Aus Sicht der SVP ist dem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch und seiner Umsetzung…
Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention)
Vernehmlassungsantwort der Schweizerischen Volkspartei (SVP)
Aus Sicht der SVP ist dem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch und seiner Umsetzung zuzustimmen, wenngleich die Schweiz die entsprechenden Bestimmungen auch autonom einführen könnte und die Anforderungen des Übereinkommens bereits weitgehend erfüllt. Zu begrüssen ist, dass die Konvention sexuelle Handlungen mit Kindern unter Strafe stellt, eine Vereinheitlichung des Schutz- und Mündigkeitsalters wäre jedoch ebenfalls angebracht gewesen. Dass sexuelle Handlungen mit Unmündigen gegen Entgelt in Art. 196 neu bestraft werden, ist zu begrüssen. Nicht nachvollziehbar ist, weshalb in diesem Zusammenhang nicht auch die die sexuellen Handlungen anbietende Person bestraft wird. Die Konvention verletzt zudem teilweise das Territorialitätsprinzip, was als kritischer Punkt anzumerken ist. Aufgrund der Schwere der entsprechenden Delikte ist dieser Eingriff vertretbar, wenngleich dies ohne funktionierende Rechtshilfeabkommen toter Buchstabe bleibt.
Die Lanzarote-Konvention hat zum Ziel, die Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kinder zu stärken und Kinder vor solchen Übergriffen zu schützen. Im Zentrum stehen dabei die Rechte der minderjährigen Opfer und deren Schutz. Damit ist sie die erste und bislang einzige internationale Konvention, welche die Bekämpfung der verschiedenen Formen sexuellen Kindsmissbrauchs regelt. Am 25. Oktober 2007 wurde der Vertrag an der Justizministerkonferenz in Lanzarote zur Unterzeichnung aufgelegt. Die Schweiz hat das Übereinkommen am 16. Juni 2010 unterzeichnet. Die Konvention trat am 1. Juli 2010 in Kraft und wurde bisher von 15 Staaten ratifiziert.
Das Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, sexuelle Handlungen gegenüber Kindern unter Strafe zu stellen. Das Schweizer Strafrecht erfüllt die Anforderungen der Konvention bereits im Wesentlichen. Die Problematik mit Konvention wie der folgenden liegt darin, dass die unterzeichnenden Staaten Vorbehalte anbringen können, was zu einer nicht zu unterschätzenden Unübersichtlichkeit und damit zu einer Rechtsunsicherheit führt. Die Schweiz hat Vorbehalte bezüglich Art. 20 Abs. 1 Bst. a und e, Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 Bst. e angebracht, was materiell nicht zu beanstanden ist.
Die Konvention bestimmt in Art. 18 Abs. 2, dass jede Vertragspartei das Alter nach ihrem nationalen Recht festlegt, bis zu welchem sexuelle Handlungen mit einem Kind nicht erlaubt sind (sexuelles Mündigkeitsalter). In der Schweiz liegt dieses bei 16 Jahren. Es ist unverständlich, dass die Konvention dieses Alter nicht für alle Vertragsstaaten einheitlich festlegt. Wenn die Konvention schon ein derart wichtiges Thema aufgreift, müsste ein einheitliches Alter definiert werden. Sinn und Zweck von derartigen Konventionen müsste sein, eine gewisse Rechtsvereinheitlichung herbeizuführen. Wenn dies nicht erfolgt, ist Sinn und Zweck solcher Konventionen zu hinterfragen.
Art. 23 der Konvention definiert die Kontaktanbahnung zu Kindern zu sexuellen Zwecken. Im Vordergrund steht dabei die Kontaktaufnahme zu Kindern, die das sexuelle Mündigkeitsalter noch nicht erreicht haben, mittels Informations- und Kommunikationstechnologien. Aufgrund dieser Bestimmung steht die Schaffung eines entsprechenden separaten Straftatbestandes zur Diskussion, dem sog. Grooming. Das geltende Recht ist diesbezüglich noch nicht ausgeschöpft. Ein separater Tatbestand ist somit richtigerweise nicht zu schaffen.
Art. 19 der Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, das Anwerben oder Zuführen zur Prostitution (Abs. 1 Bst. a), die Nötigung eines Kindes zur Prostitution, Gewinnerzielung daraus oder sonstige Ausbeutung eines Kindes zu solchen Zwecken (Abs. 1 Bst. b) sowie die Inanspruchnahme der Prostitution von Kindern (Abs. 1 Bst. c) strafbar zu erklären. Die Umsetzung der Konvention setzt hier eine Ergänzung des Strafgesetzbuches voraus, weil sexuelle Handlungen mit Unmündigen gegen Entgelt in der Schweiz derzeit nicht strafbar sind, sofern die unmündige Person älter als 16 Jahre ist. Die Schaffung von Art. 196 StGB ist grundsätzlich zu begrüssen, jedoch müsste auch die die sexuellen Handlungen gegen Entgelt anbietende Person bestraft werden können. Die die sexuellen Handlungen in Anspruch nehmende Person muss grundsätzlich auf die Altersangabe vertrauen und kann diese aufgrund der Anonymität in dieser Prostitutionsbranche nicht überprüfen. Selbstverständlich ist eine Berufung auf allfällige Rechtfertigungsgründe möglich.
Gemäss Art. 5 Abs. 1 StGB ist diesem Gesetz auch unterworfen, wer sich in der Schweiz befindet, nicht ausgeliefert wird und im Ausland bestimmte Taten begangen hat. Dieser Eingriff in das Territorialitätsprinzip ist für die erwähnten Delikte vertretbar und die Ergänzung des StGB mit den neu zu schaffenden Be-stimmungen (sexuelle Handlungen mit Abhängigen [Art. 188]; sexuelle Handlungen mit Unmündigen gegen Entgelt [Art. 196]) zu unterstützen. Die Strafverfolgung von im Ausland verübten Taten gemäss Art. 5 StGB darf jedoch nicht toter Buchstabe bleiben. Die hiesigen Strafverfolgungsbehörden sind bei diesen Verfahren von der Kooperation des Staates abhängig, in dem die Tat verübt wurde. Der Abschluss entsprechender Rechtshilfeabkommen ist deshalb dringend angezeigt.