Die Notwendigkeit einer Teilrevision des SchKG wird aus den gemachten Erläuterungen zu wenig ersichtlich. Im Übrigen ist die Abwägung zwischen Schuldner- und Gläubigerinteressen einseitig zu Lasten…
Antwort der Schweizerischen Volkspartei
Die Notwendigkeit einer Teilrevision des SchKG wird aus den gemachten Erläuterungen zu wenig ersichtlich. Im Übrigen ist die Abwägung zwischen Schuldner- und Gläubigerinteressen einseitig zu Lasten letzterer ausgefallen. Daher lehnt die SVP den Vorentwurf zur Revision des SchKG ab.
1. Allgemeine Bemerkungen
Grundsätzlich begrüsst die SVP den Ansatz, das SchKG in Bezug auf das Sanierungsrecht punktuellen Anpassungen zu unterziehen und dabei auf eine unnötige Generalüberholung des Insolvenzrechts zu verzichten. Ein wichtiges Merkmal unseres Konkursrechts besteht darin, dass der Richter im Überschuldungsfall einer Gesellschaft alternativ zur Eröffnung des Konkursverfahrens einen Konkursaufschub gewähren kann; dies freilich nur, wenn die konkrete Unternehmenssituation Aussicht auf eine mögliche Sanierung bietet (vgl. Art. 725 f., 820 und 903 OR). Diese Möglichkeit hat der Richter heute schon und daran soll auch nichts geändert werden.
Als Veranlassung für den Revisionsvorschlag wurde verschiedentlich auf die Anpassungsbedürftigkeit einzelner Instrumente des SchKG in Bezug auf Grossinsolvenzen, z.B. Swissair, hingewiesen. Gerade der Fall Swissair hat unseres Erachtens jedoch keinerlei zwingende Anhaltspunkte geliefert, weshalb ein verändertes Nachlassverfahren notwendig wäre. Ein Konkurs muss nicht à tout prix verhindert werden. Er ist im Gegenteil im Sinn einer „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter) oft hilfreicher für einen Neustart als langwierige Sanierungsmassnahmen; zumal, wenn in dieser Phase die Gläubiger zusätzlich auf die lange Bank geschoben werden. Diesen Umstand vermag auch der vorgeschlagene Ausbau der Gläubiger-Mitwirkungsrechte während der Nachlassstundung nicht überzeugend wettzumachen (vgl. Art. 294a und 295a VE-SchKG).
2. Schwächung der Gläubiger
Die SVP steht Änderungen der geltenden Ordnung kritisch gegenüber, welche mit Blick auf imaginäre Erfolgsaussichten Sanierungsunterfangen derart viel Raum geben, dass die Gläubiger bezüglich ihrer berechtigten Ansprüche zusätzlich hingehalten werden.
2.1 Ausserordentliche Kündigung der Dauerschuldverhältnisse
In diesem Zusammenhang ist etwa die Möglichkeit der einseitigen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses durch den Schuldner als übermässiger Eingriff in das Prinzip der Vertragstreue abzulehnen, zumal die zu entschädigende Gegenpartei ihren Anspruch schliesslich nur als Nachlassforderung geltend machen kann (vgl. Art. 297a VE-SchKG).
2.2 Beweislastumkehr
Ebenso wenig im Interesse der Gläubiger ist die Umkehr der Beweislast, wonach die begünstigte Partei beweisen müsste, dass keine Schenkung resp. Begünstigungsabsicht bei der Übertragung eines Vermögenswertes vorgelegen habe (vgl. Art. 286 Abs. 3 und 288 Abs. 2 VE-SchKG). Der Beweis einer negativen Tatsache ist nicht nur systemwidrig („negativa non sunt probanda“), sondern er führt aufgrund seiner schieren Unmöglichkeit faktisch zu einer Kausalhaftung.
3. Einzelfragen
3.1 Retentionsrecht des Vermieters
Der Vorentwurf will das Retentionsrecht des Vermieters abschaffen. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass der Vermieter andere Möglichkeiten habe, seine (finanziellen) Interessen zu schützen, z.B. durch Kaution oder Vorauszahlung der Miete (vgl. Begleitbericht zum Vorentwurf S. 23). Wohl ist es heute nicht unüblich, dass die Hinterlegung von Kautionen verlangt wird; im Geschäftsumfeld durchschnittlich für 3 Monatsmieten. Die Abschaffung des Retentionsrechts wird die Vermieter jedoch tendenziell dazu veranlassen, höhere Kautionen zu verlangen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann daran kein Interesse bestehen. Der (Geschäfts-) Mieter könnte diese Mittel nämlich anderweitig produktiver für sein Unternehmen einsetzen. Auch die Möglichkeit, eine Vorauszahlung der Miete zu verlangen, trifft zwar theoretisch zu, ist in unserem Wirtschaftsalltag aber unüblich und wird kaum praktiziert.
Beide Ansätze „unterschlagen“ zudem, dass es unter Umständen Jahre dauert, bis ein nicht zahlender Mieter exmittiert werden kann, und es dem Vermieter nicht zugemutet werden sollte, während längerer Dauer Leistungen (das Überlassen der Wohnung) erbringen zu müssen, während beispielsweise ein Lieferant, der nicht bezahlt wird, auch faktisch nicht verpflichtet werden kann, weitere Leistungen zu erbringen. Das Retentionsrecht bildet deshalb für den Vermieter eine sinnvolle Kompensation seiner gegenüber dem Mieter nachteiligen Stellung, weshalb an ihm festzuhalten ist.
3.2 Privilegierung von Sanierungsdarlehen
Die Expertengruppe hat darauf verzichtet, so genannte Sanierungsdarlehen (Darlehen, die vor Einleitung eines Insolvenzverfahrens zum Zweck der Sanierung gewährt werden) zu privilegieren, weil der Zugang zur Nachlassstundung erleichtert werde und Sanierungsdarlehen dort geschützt werden können (vgl. Begleitbericht S. 26). Da die Nachlassstundung die Handlungsfreiheit des Unternehmers wesentlich einschränkt, dürfte ein Unternehmer im Zweifel bereits vor der Einleitung formeller Schritte versuchen, sich zu sanieren. Die Chancen, vor dem Insolvenzverfahren zu neuem Geld zu kommen, sind sicher erheblich höher, wenn der Gläubiger / Darlehensgeber bereits in dieser Phase eine Sicherheit hat, dass sein Einsatz geschützt ist und er sich nach einer allfälligen Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mit einer Dividende zufrieden geben muss.
Freilich wird eingewendet, der Darlehensgeber könne sich Sicherheiten geben lassen. Das ist zwar korrekt, bindet aber wiederum Mittel des Unternehmens, welche unter Umständen produktiv zur Unternehmenssanierung eingesetzt werden könnten. Deshalb wäre seitens des Bundesrates zu prüfen, ob und wenn ja, in welcher Form sich eine Privilegierung von Sanierungsdarlehen rechtlich realisieren liesse.