Vernehmlassung

Rolle des Bundesrates bei Volksabstimmungen

Die SVP lehnt den vorliegenden Entwurf als untauglich und staatspolitisch bedenklich ab. Statt der heute ausufernden so genannten „bundesrätlichen Information“ Einhalt zu gebieten, wird diese mit…

Antwort der Schweizerischen Volkspartei (SVP)

Die SVP lehnt den vorliegenden Entwurf als untauglich und staatspolitisch bedenklich ab. Statt der heute ausufernden so genannten „bundesrätlichen Information“ Einhalt zu gebieten, wird diese mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf noch ausgeweitet. Das vorliegende Projekt ist juristisch unklar und lässt einen enormen Interpretationsspielraum. 

Die SVP hat im Verlaufe der letzten Jahre bei verschiedenen Gelegenheiten auf die immer häufigeren Propagandafeldzüge des Bundesrates aufmerksam gemacht und diese verurteilt. Weder das aktive Führen von Abstimmungskämpfen noch das Sammeln von Unterschriften für Referenden und Initiativen gehören zu den eigentlichen Aufgaben von Regierung und Verwaltung. Als hervorstechendes und gleichzeitig staatspolitisch bedenkliches Beispiel ist etwa die Volksinitiative „für einen Beitritt der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO)“ zu nennen, welche nur dank der Unterschriftensammlung in der Bundesverwaltung zustande kam. Noch bevor die Initiative im Parlament behandelt wurde, fertigte die Bundesversammlung bereits Propagandamaterial in Hochglanzformat an, um bei den Stimmbürgern für ein JA zum UNO-Beitritt zu werben. Bei der Abstimmung zu Schengen/Dublin ging der Bundesrat sogar noch einen Schritt weiter: Bereits weit im Vorfeld der Abstimmung wurde von der Bundesverwaltung ein vertrauliches Propagandakonzept erarbeitet, mittels welchem so genannte Vertrauens- und Sympathieträger Schengen/Dublin das „innenpolitische Negativimage abstreifen und […] als das „Winner“-Dossier“ darstellen sowie die Stimmbürger systematisch bearbeiten sollten. Auch bei der Abstimmung über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit mit der EU kamen die vom Bundesrat und der Bundesverwaltung eingesetzten Steuermittel ausschliesslich der Befürworterseite zu. Jüngstes Beispiel ist (gemäss einem Bericht der NZZ am Sonntag vom 25.06.06) ein mit Fr. 24’000.- dotierter Projektauftrag an ein PR-Büro durch das Bundesamt für Gesundheit, mittels welchem auf die Ablehnung der Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ hingearbeitet werden soll. Dies, noch bevor eine offizielle Stellungnahme des Bundesrates besteht und sich auch das Parlament noch nicht mit der Sache befasst hat. Im Nachgang zu Abstimmungen kommt es auch immer wieder vor, dass der Bundesrat von „guten“ oder „schwarzen“ Sonntagen spricht und das Volk in „gute“ und „schlechte“ Stimmbürger einteilt. 

Tatsache ist, dass sich der Bundesrat in den letzten Jahren immer mehr von der langjährigen Praxis einer zurückhaltenden Information und damit der Garantie einer freien Willensbildung gemäss Art. 34 Abs. 2 BV entfernt hat. Der Bundesrat wird immer öfter Partei in Abstimmungskämpfen und vergisst, dass er dem gesamten Volk zu dienen hat. Dies ist nicht zuletzt ein Grund dafür, weshalb der Bundesrat zunehmend an Glaubwürdigkeit verliert. 

Die Stimmbürger fühlen sich durch die immer stärkere Beeinflussung durch Bundesrat und Verwaltung in ihrer freien Meinungsbildung gestört und eingeschränkt.

Die massive Einmischung der Exekutive in Abstimmungskämpfe und die darin aus Steuergeldern finanzierte Propagandatätigkeit von Seiten der Bundesverwaltung und des Bundesrates hat denn auch den Verein „Bürger für Bürger“ veranlasst, eine Volksinitiative einzureichen. Dieses Volksbegehren ist Ausdruck dafür, dass dieses Problem ein gravierendes Ausmass erreicht hat und dringend einer Lösung bedarf. 

Vor diesem Hintergrund wäre es grundsätzlich zu begrüssen, wenn die staatspolitische Kommission des Nationalrates das Problem nun angehen will. Doch statt dem überbordenden Aktivismus des Bundesrates und der Bundesverwaltung in Abstimmungskämpfen entgegenzuwirken und diesen einzuschränken, soll die bundesrätliche Propaganda im vorgeschlagenen Art. 10a Abs. 2 mittels unbestimmten Rechtsbegriffen noch ausgeweitet werden. Die langjährige Praxis, wonach der Bundesrat zurückhaltend zu informieren und keine kommerziellen Werbemittel einzusetzen hat, wird zugunsten einer „umfassenden“ Information gänzlich über Bord geworfen. Dies ist sicher nicht im Sinne der Bevölkerung und widerspricht auch in weiten Teilen dem Bericht über „Das Engagement von Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen“ der AG KID vom November 2001, wo u. a. „aus rechtlichen und staatspolitischen Bedenken […] der Einsatz von kommerzieller Kommunikation im Abstimmungskampf nicht angezeigt [und] für die Kommunikation […] auch nicht notwendig [ist]“ (Bericht S. 52). 

Neben der falschen Stossrichtung enthält der Entwurf mehrere heikle Formulierungen. So ist unklar, was man sich unter dem Begriff „kontinuierlich“ vorzustellen hat. In den Erläuterungen heisst es dazu, dass der Bundesrat seine wesentlichen Beweggründe für oder gegen eine Vorlage „von Anfang an“ offen zu legen hat. Dies kann so verstanden werden, dass dem Bundesrat bereits in der Vorphase einer Abstimmung Gelegenheit gegeben wird, seine Botschaft zu verkaufen. Der Bundesrat hat vorwiegend im Abstimmungsbüchlein und anlässlich der Abstimmungsansprache des zuständigen Departementsvorstehers im Schweizer Fernsehen zu orientieren; alles andere ist Propaganda. Deshalb ist „kontinuierliche“ Information gerade nicht Aufgabe des Bundesrates. Damit schafft er bereits vor dem eigentlichen Abstimmungskampf nicht mehr wettzumachende Ungleichheiten zwischen Bundesrat und Verwaltung einerseits und politischen Parteien, Initianten oder Gegnern einer Vorlage andererseits. In Abs. 1 heisst es: „Der Bundesrat vertritt die Haltung der Bundesbehörden“. Am Schluss wäre das die Haltung des Parlamentes. Eine kontinuierliche Information erscheint bereits aus diesem Blickwinkel unpraktikabel.

Auch die Begriffe „sachlich“, „transparent“ und „verhältnismässig“ sind rechtlich nicht genügend bestimmt. Sie basieren allesamt auf subjektivem Empfinden und können nicht objektiv definiert werden. Was z. B. ist mit verhältnismässig gemeint? Soll der Bundesrat gleich viel informieren wie die Gegner einer Vorlage? Gibt es einen absoluten Richtwert oder einen bestimmten Betrag, den die Verwaltung für ihre Information einsetzen darf? Oder hängt das alles von der Bedeutung der Vorlage ab? Staatliches Handeln erfordert klare Regelungen, die keinen Interpretationsspielraum zulassen. 

Die Natur unseres direkt-demokratischen Systems bringt es mit sich, dass Abstimmungskämpfe von Vertretern des Souveräns, also vor allem von den politischen Parteien, von Komitees und von Verbänden geführt werden.

Deshalb hat auch die Propaganda zu Abstimmungen nicht von der Verwaltung zu erfolgen, sondern ist Aufgabe dieser Interessengruppen. 

Sollte diese aus Sicht der SVP untragbare Vorlage so beschlossen werden, wird sich die SVP die Unterstützung der Volksinitiative „Volkssouveränität statt Behördenpropaganda“ ernsthaft überlegen.

 
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