Die SVP begrüsst grundsätzlich die Veröffentlichung eines Sicherheits-politischen Berichts. Der aktuelle vorliegende Bericht limitiert sich aber auf eine Analyse der Bedrohungen und Gefahren, welche sich in den letzten Jahren nicht grundsätzlich verändert haben. Konkreten Bedrohungen stehen leider vagen Zielformulierungen gegenüber. Die Haltung im Bericht, dass die Schweiz in einer vermehrt interdependenten Welt grundsätzlich vermehrt Kooperationen eingehen muss und in Gremien wie dem UNO-Sicherheitsrat Einsitz einnehmen soll, erhöht jedoch die Verletzlichkeit der Schweiz. Der Bericht ist zudem eine verpasste Chance, konkrete Massnahmen bezüglich dem Sicherheitsverbund Schweiz einzuleiten. Es fehlen insbesondere Denkanstösse, um das «Erfolgsmodell Milizarmee Schweiz» sicherzustellen. Dabei sollte die Integrati-on des Zivildienstes in den Zivilschutz ein zentraler Lösungsansatz darstellen.
Der Bundesrat beabsichtigt, mindestens einmal pro Legislaturperiode einen sicherheitspolitischen Bericht zu verfassen. Der vorliegende Bericht wird jedoch dem aktuellen Anspruch, inwieweit die Schweizer Sicherheitspolitik und ihre Instrumente sich der veränderten Bedrohungslage anpassen müssen, nicht gerecht. Dem strategischen Krisenmanagement (wie im Postulat 21.3449 gefordert) wird keine Bedeutung zugemessen. Die Bildung von strategischen Krisenstäben, welche die Entscheidungsgrundlagen des Bundesrates in den verschiedensten Krisen erarbeiten sollten, werden ausgeklammert. Dies stellt die Handlungskompetenz des Bundesrates in seiner Gesamtheit in Frage.
Getrübte sicherheitspolitische Wahrnehmung bezüglich der Weltordnung
Die Gliederung des konzisen Berichts in drei Teile; Lage, sicherheitspolitische Interessen und Ziele sowie Umsetzung scheint auf den ersten Blick zielführend. Jedoch sind die Aussagen politisch motiviert, es wird ein Weltbild einer liberalen Weltordnung beschworen, in welchen die Notwendigkeit der Kooperation und Wichtigkeit von Internationalen Organisationen hochgehalten wird. Deshalb wird die Wichtigkeit von Akteuren, wie dem UNO-Sicherheitsrat, im Bericht einseitig unterstrichen. Dieses vorherrschende Weltbild der Bundesverwaltung, welche die Schweiz in den UNO-Sicherheitsrat treibt, bedeutet die defacto Aufgabe der Unabhängigkeit der Schweiz, welche die Schweiz seit Jahrhunderten hochhält. Wie die Schweiz ihre «Guten Dienste» in einem Umfeld sich zunehmend konkurrenzierender Grossmächte anbieten soll, aber gleichzeitig Einsitz in einem solchen Gremium nimmt, welches über Tod oder Leben entscheidet, wird von den Autoren des Berichts beispielsweise nicht erläutert. Weitere grundlegende Fragen wie eine Kosten- und Nutzenanalyse bei Teilnahmen und Assoziierungen an sicherheitsrelevanten EU-Projekten (z.B. Aussenschutz der EU-Grenzen (Frontex)) werden nicht thematisiert.
Lageanalyse: Ausführlich, aber fehlende Gewichtung und Konsequenzen
Der Bericht unterstreicht zwar zurecht, dass sich die Bedrohungs- und Gefahrenlage in den letzten Jahren nicht grundlegend verändert, sondern nur nuanciert hat. Leider begnügt sich der Bericht damit, eine Aufzählung von relevanten Akteuren zu liefern, anstatt diese Akteure in ein passendes realpolitisches Umfeld einzuordnen sowie eine Gewichtung vorzunehmen. Einmal mehr erhält der Leser den Eindruck, dass die Autoren des Berichts den Staaten nur noch eine marginale Rolle im sicherheitspolitischen Umfeld zuordnen, und Bedrohungen als vorzugsweise chaotisch auftretend wahrnehmen. Ohne systematische Gewichtung der Bedrohungen – und zwar konkret für die Schweizer Bevölkerung – verliert der Sicherheitspolitische Bericht jedoch an Aussagekraft und Relevanz, da keine Konsequenzen gezogen werden können. Der Lesbarkeit halber sollte der Schwerpunkt der Lagebeurteilung auf die wichtigsten neueren Entwicklungen gelegt werden (zB. Bedeutung von Cyberrisiken und Erstarken von identitären Bewegungen). Dazu kommen anhaltende Risiken wie islamischer und politischer Extremismus. Veränderungen, wie die Ausprägung von Duopolen (USA-China), welche sicherheitspolitisch ähnliche Konsequenzen wie während des Kalten Kriegs nach sich rufen, sollten nur dann unterstrichen werden, wenn sie einen direkten Einfluss auf den Sicherheitsverbund der Schweiz haben.
Umsetzung der sicherheitspolitischen Ziele: Keine Schwerpunktbildung
Die in Kapitel 3 aufgeführten 9 Ziele der Sicherheitspolitik stehen grösstenteils keinen klaren Forderungen für deren Zielerreichung (Kapitel 4) gegenüber. Grundsätzlich wird eine Weiterführung der schweizerischen Aussen- und Sicherheitspolitik propagiert. Zwar werden in Kapitel 4.2 einzelne Aspekte vertieft behandelt, diese weisen aber mehrheitlich eine der Flughöhe nicht angepasste Granularität auf. Insbesondere im Bereich der internationalen Zusammenarbeit scheint die Devise zu sein, überall dazu gehören zu müssen. Dabei wird einmal mehr eine Schwerpunktbildung vermisst. Der Auftrag an die Armee, sich vermehrt einer hybriden Bedrohung anzupassen (Kapitel 4.2.3), würde beispielsweise voraussetzen, nachhaltige Lösungen bei der Finanzierung aufzuzeigen. Diese werden aber nicht vor 2022 im Parlament diskutiert. Diesbezüglich scheint auch das von der Bundesverwaltung bevorzugte «norwegische Modell» (Wehrpflicht für Frau und Mann) in der Schweiz politisch nicht mehrheitsfähig ist. Jegliches Festhalten an diesem Modell verzögert deshalb die notwendigen Anpassungen bei der Finanzierung der Armee und deren Auftragserfüllung. Rasch umsetzbare Massnahmen, wie die Integration des Zivildienstes in den Zivilschutz, sind notwendig. Dieser Schritt würde sich positiv auf die finanzielle Ausstattung des Sicherheitsverbunds Schweiz auswirken und stellt eine wichtige nicht vermeidbare Konsequenz dar, welche im Sicherheitspolitischen Bericht abgebildet werden muss.