Die SVP lehnt die hier präsentierte Vernehmlassungsvorlage entschieden ab. Die Vorlage beschleunigt den wirtschaftlichen Abschwung, vernichtet Arbeitsplätze und führt zu einer Erhöhung der…
Teilrevision des Bundesgesetzes über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG)
Antwort der Schweizerischen Volkspartei (SVP)
I. Übersicht
Die SVP lehnt die hier präsentierte Vernehmlassungsvorlage entschieden ab. Die Vorlage beschleunigt den wirtschaftlichen Abschwung, vernichtet Arbeitsplätze und führt zu einer Erhöhung der Zwangsabgaben, bei welcher vor allem schlecht Verdienende übermässig belastet werden. Die SVP wird daher mit aller Vehemenz gegen dieses verfehlte Projekt des Bundesrates, mit dem er von den eigenen Unterlassungen ablenken will, antreten und fordert eine rein ausgabenseitige Revision der Arbeitslosenversicherung (ALV). ^
II. Einleitende Bemerkungen
Als erste politische Kraft machte die SVP bereits am 16. Dezember 2005 auf die Finanzierungsprobleme in der Arbeitslosenversicherung aufmerksam. Sie reichte eine Fraktionsmotion unter dem Titel: „Arbeitslosenversicherung. Abwenden eines Finanzierungsdebakels“ ein und forderte die Inangriffnahme einer ausgabenseitigen Revision der ALV. Zu lange passierte in der Folge
überhaupt nichts. Daraufhin kritisierte die SVP die Missstände in der ALV wiederholt und machte mittels weiterer parlamentarischen Vorstösse (Verlängerung Mindestbeitragsdauer, Senkung Verwaltungskosten, Kürzung der Leistungen für Jugendliche ohne Unterstützungspflicht, Verbot der Scheinbeschäftigungsmassnahmen durch Kantone) Vorschläge, wie die finanzielle Schieflage in der ALV ausgabenseitig korrigiert werden könne. Leider lehnte der Bundesrat die SVP-Vorstösse ausnahmslos ab, was dazu führte, dass die ALV immer weiter ins finanzielle Desaster schlitterte.
Heute sind aufgrund des freien Personenverkehrs mit der EU konjunkturbereinigt mehr Leute arbeitslos als noch vor zehn Jahren. Die Annahmen des geltenden Gesetzes betreffend Arbeitslosenzahlen sind unrealistisch tief angesetzt, auch wenn trotz dem Vorliegen eines Gutachtens unklar ist, wie hoch die konjunkturbereinigte Arbeitslosenzahl effektiv ist (wahrscheinlich dürfte die angegebene Zahl von 125’000 Personen eher zu hoch sein).
Die Vorzeichen, dass sich das Wirtschaftswachstum in den nächsten Quartalen markant abkühlen dürfte, sind nicht mehr zu verleugnen. Es ist daher umso unbegreiflicher, dass der Bundesrat in einer solchen Wirtschaftslage eine starke Erhöhung der Lohnabzüge für die ALV vorschlägt, was den Faktor Arbeit massiv verteuert und dazu führt, dass die Unternehmen gezwungen werden, die Anzahl Arbeitsplätze zu reduzieren oder ins Ausland auszulagern. Durch die Verteuerung des Faktors Arbeit wird der wirtschaftliche Abschwung der Schweiz beschleunigt, statt gebremst.
Eine Erhöhung der Lohnabzüge zu Gunsten der ALV kommt für die SVP daher nicht in Frage. Die SVP fordert stattdessen eine rein ausgabenseitige Sanierung der Arbeitslosenversicherung. Besonders stossend sind auch die so genannte „Flexibilitätsklausel“, welche dem Bundesrat die Möglichkeit gibt, die Lohnprozente ohne Mitsprache des Parlaments und des Volkes anzuheben sowie die ausserordentliche Einführung des Solidaritätsbeitrages.
III. Zu den einzelnen Artikeln
Art. 2 Abs. 2 Buchstabe f AVIG
Die SVP stimmt dieser Regelung nur unter dem Vorbehalt zu, dass der Solidaritätsbeitrag über die Übergangsbestimmungen nicht wieder eingeführt wird. Ansonsten ist die Argumentation des Bundesrates nicht zulässig, wonach gemäss Äquivalenzprinzip hier keine Beiträge erhoben werden dürfen.
Art. 3 Abs. 2 AVIG
Die SVP wehrt sich entschieden gegen die Erhöhung der Lohnabzüge an die Arbeitslosenversicherung von 2 auf 2.2 Prozent und fordert die Beibehaltung des bestehenden Rechts. Insbesondere tief verdienende Einverdienerfamilien mit Kindern, welche mit einem engen Budget ausgestattet sind, werden durch diese Erhöhung der Abzüge massiv stärker belastet. Die SVP lehnt dies entschieden ab.
Art. 11 Abs. 4 AVIG
Zustimmung.
Art. 18 AVIG
Die SVP erachtet die Anhebung der Wartezeit auf 260 Tage als das absolute Minimum. Aus Sicht der SVP müsste die Wartezeit gar auf generell 360 Tage angehoben werden, um insbesondere die Arbeitsanreize von jungen Arbeitnehmern zu erhöhen.
Art. 22 Abs. 2 Bst. a und c
Die SVP begrüsst zwar, dass die Ansprüche der Sozialversicherungen koordiniert werden sollen. Allerdings lehnt sie die Nivellierung der Ansprüche nach oben vehement ab und fordert die Anpassung an den jeweils heute geltenden tiefsten Wert. Daher hat die maximale Taggelddauer in allen Zweigen lediglich 400 Tage zu dauern. Ansonsten wird ein weiterer negativer Anreiz, mehr Leistungen zu beziehen, geschaffen.
Weiter fordert die SVP eine im Zeitverlauf degressiv ausgestaltete Taggeldhöhe. Nach 150 und 250 Bezugstagen sollte die Taggeldhöhe jeweils um mindestens 10 Prozent reduziert werden.
Höchst problematisch erscheint in diesem Zusammenhang auch Art. 33 Abs. 3 Bst. b der Verordnung über die Arbeitslosenversicherung. Gemäss dieser Norm soll eine Invalidität vorliegen, wenn ein Antrag auf Invalidenrente nach Bst. a gestellt worden ist, der nicht aussichtslos erscheint. Mit dieser Norm auf Verordnungsstufe wird eine Invalidität bereits mit dem Antrag vorweggenommen. Dies stellt faktisch eine Einladung zur Antragsstellung für eine Rente dar, um gleichzeitig auch noch von einer höheren Taggeldbezugsdauer profitieren zu können. Der Begriff der Invalidität ist durch den Begriff der Erwerbsunfähigkeit nach Art. 7 ATSG zu ersetzen, wobei die Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit durch einen nicht in die Behandlung involvierten Arzt festgestellt werden muss. Die nicht aussichtslos erscheinende Anstellung darf nicht genügen.
Ausserdem fordert die SVP folgende Anpassung von Bst. a: „ keine Unterhaltspflicht gegenüber Kindern erfüllen…“. Damit wird sicher gestellt, dass nur diejenigen Personen von einem Taggeld von 80 Prozent profitieren, welche ihre Unterhaltspflicht auch effektiv wahrnehmen.
Art. 22, Art. 27 (ergänzender Absatz)
Die SVP fordert zudem, dass Art. 22 und Art 27 AVIG dahingehend ergänzt werden, dass Arbeitnehmer unter 25 Jahren nur noch eine Höchstzahl von 30 Taggeldern beanspruchen können. Arbeitnehmer zwischen 25 und 35 Jahren sollen nur noch maximal 100 Taggelder beanspruchen können.
Die SVP hat dieses Anliegen bereits im Rahmen einer Fraktionsmotion deponiert (07.3186). Ein grosses Problem in der Arbeitslosenversicherung ist, dass die Anreize für junge Leute zu gering sind, im Falle eines Arbeitsplatzverlustes sofort eine neue Beschäftigung zu suchen. Dies muss sich ändern. Junge Arbeitnehmer, welche keine Unterstützungspflicht haben, sollen nur noch eine minimale Unterstützung seitens der Arbeitslosenversicherung erhalten. Die Niederlande kennen heute bereits eine solche Regelung und offensichtlich hat sich diese Regelung bewährt. Junge Arbeitnehmer müssen einen Anreiz haben, sich schnell in den Arbeitsprozess zu integrieren. Gerade bei Studienabgängern ist heute eine regelrechte Mentalität der Art „ich will nicht arbeiten und gehe auf Reisen, dazu beanspruche ich Arbeitslosengeld“ entstanden. Dies ist falsch. Junge Leute sollten möglichst schnell Eingang in den Arbeitsmarkt finden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie nie mehr in den Arbeitsprozess integriert werden können. Dies hätte fatale Folgen für Volkswirtschaft und Sozialversicherungen. Im Unterschied zu Ländern wie etwa den Niederlanden, welche für junge Arbeitslose gar keine Unterstützung gewähren, soll aber eine minimale Taggeldunterstützung beibehalten werden.
Art. 23 Abs. 3bis, 4 und 5 AVIG
Zustimmung.
Art. 24 Abs. 4 AVIG
Die SVP fordert die Beibehaltung des geltenden Rechts. Siehe Begründung zu Art. 22 a AVIG.
Art. 27 Abs. 2
Die SVP unterstützt im Grundsatz die Einführung einer abgestuften, von der Beitragszeit abhängigen Bezugsdauer. Allerdings ist die jeweilige Mindestbeitragszeit, welche zum Bezug von Taggeldern berechtigt, viel zu tief angesetzt. Insbesondere mit Blick auf die massive Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem EU-Raum seit der Einführung der Personenfreizügigkeit (und den auslaufenden Kontingenten mit den neuen EU-Staaten), sind die Mindestbeitragsdauern markant anzuheben. Die SVP fordert daher folgende Anpassungen:
Die versicherte Person hat Anspruch auf:
a. höchstens 200 Taggelder, wenn sie eine Beitragszeit von insgesamt 24 Monaten nachweisen kann.
b. höchstens 300 Taggelder, wenn sie eine Beitragszeit von insgesamt 36 Monaten nachweisen kann.
c. höchstens 400 Taggelder, wenn sie eine Beitragszeit von insgesamt 48 Monaten nachweisen kann und
1. das 55. Altersjahr zurückgelegt hat oder;
2. eine Invalidenrente von mindestens 40 Prozent bezieht.
Art. 27 Abs. 5 AVIG
Die SVP unterstützt die ersatzlose Streichung von Abs. 5 und lehnt die dargelegte Variante zur Streichung ab. Die SVP hatte sich auch bereits mittels parlamentarischer Vorstösse gegen diesen Abs. 5 gewehrt, da er von einigen Kantonen für Scheinbeschäftigungsmassnahmen missbraucht wurde (siehe hierzu Vorstösse 06.3329 sowie 05.3897).
Art. 28 Abs. 4 AVIG
Die SVP lehnt die hier vorliegende Regelung ab und fordert eine Anpassung. Der Erwerbsfähige ist besser zu stellen als der Leistungsbezüger. Wenn die Zusammenrechnung der Taggelder einer Taggeldversicherung und der ALV zusammen 100% ergeben, so wird damit ein negativer Anreiz geschaffen, da sich der Geldbezug ohne Erwerbstätigkeit nicht unterscheidet vom Bezug mit Erwerbstätigkeit. Die Zusammenrechnung der Taggelder einer Taggeldversicherung und der ALV darf daher maximal 80, resp. 70 Prozent betragen.
Art. 52 Abs. 1 und 1bis sowie Art. 58 AVIG
Zustimmung.
Art. 59 und 59d, Art. 59e, Art. 60, Abs. 2, 61, 62, 64 AVIG
Zustimmung.
Art. 64a Abs. 1. Bst. c AVIG
Die SVP hält am Erfordernis „nach Abschluss der schweizerischen obligatorischen Schulpflicht“ fest.
Art. 64a Abs. 4bis AVIG
Hier sollten die Kantone mindestens zu 50 Prozent an der Finanzierung beteiligt sein. Ansonsten ist die Gefahr gross, dass unendlich viele Motivationssemester angeboten werden, welche nichts bringen.
Wir schlagen daher folgende Änderung vor: „…Die Kantone übernehmen mindestens 50 Prozent dieser Massnahmen.“
Art. 71a Abs. 2bis (neu) AVIG
Auch wenn Mikrokredite seit den letzten Nobelpreisverleihungen in Mode gekommen sind, besteht aus Sicht der SVP absolut keine Notwendigkeit, dass eine Sozialversicherung Beiträge an Organisationen leistet, welche Mikrokredite verleihen. Daher soll dieser Absatz ersatzlos gestrichen werden.
Art. 90a und Art. 92 Abs. 7bis AVIG
Zustimmung.
Art. 90c Abs. 1 AVIG
Die SVP fordert die Streichung des Solidaritätsprozentes. Folgender Satz ist zu streichen: „Für den Betrag zwischen dem Höchstbetrag und dem Zweieinhalbfachen des versicherten Verdienstes darf der Beitrag höchstens 1 Prozent betragen.“
Art. 90c Abs. 1bis AVIG
Die SVP lehnt diese so genannte „Flexibilitätsklausel“ entschieden ab. Die heutige Regelung ist flexibel genug. Es wäre absolut verheerend, wenn man dem Bundesrat einen Blankoscheck für die Erhöhung der Lohnbeiträge erteilen würde. Die SVP verlangt die ersatzlose Streichung von Art. 90c Abs. 1bis AVIG.
Art. 90c Abs. 2 AVIG
Wenn in den Unterlagen angefügt wird, dass das benötigte Betriebskapital auf unter 1.5 Milliarden Franken gesenkt werden konnte, sollte dies auch im Gesetz festgehalten werden. Mit einer einnahmenseitigen Verknüpfung hat die Verwaltung Fehlanreize, die Beiträge unnötig zu erhöhen. Die SVP schlägt daher folgende Änderung vor:
„Erreicht das Eigenkapital des Ausgleichsfonds abzüglich des für den Betrieb notwendigen Betriebskapitals von 1,5 Milliarden Franken Ende Jahr 2,5 Prozent der von der Beitragspflicht erfassten Lohnsumme, so muss der Bundesrat innert einem Jahr die Beitragssätze nach Artikel 3 Absätze 2 und 3 senken….“
Art. 96c Abs. 2bis (neu) und Art. 97a Abs. 1 Bst. f Ziff 6 AVIG
Zustimmung.
Art. 98 AVIG
Wir weisen bei dieser Gelegenheit auf die widersprüchliche Politik des Bundesrates hin, welcher bei der Mehrwertsteuer grundsätzlich möglichst wenig Ausnahmen machen und einen Einheitssatz einführen will und gleichzeitig permanent neue Ausnahmetatbestände einführt.
Art. 100 Abs. 2 AVIG
Zustimmung.
Übergangsbestimmungen
Die SVP erachtet diese Bestimmung für den Wirtschaftsstandort Schweiz als unhaltbar und rezessionsverschärfend (siehe dazu S. 2 des Vernehmlassungsberichts), lehnt die Übergangsbestimmung ab und fordert deren ersatzlose Streichung.
Weitere Anmerkungen
Die SVP fordert in Analogie zu Art. 59 Abs. 5 IVG eine Norm mit folgendem Wortlaut in das AVIG aufzunehmen:
„Zur Bekämpfung des ungerechtfertigten Leistungsbezugs können die ALV-Stellen Spezialisten beiziehen.“
Weiter fordert die SVP, dass die Regionalen Arbeitsvermittlungsstellen in den Kantonen bezüglich der Verwaltungskosten gründlich unter die Lupe genommen wird. Insbesondere sind Synergien mit anderen Sozialversicherungsträgern (IV, Sozialhilfe) zu suchen, Miet- und Informatikkosten zu reduzieren und generell tiefere Verwaltungskosten anzustreben.
IV. Schlussbemerkungen
Die SVP hat sich gegenüber dem Schweizer Volk am 18. August 2007 verpflichtet, die Steuern für alle zu senken. Wir können einer Erhöhung der Lohnabzüge (und damit einer Erhöhung der Zwangsabgaben für Erwerbstätige) unter keinen Umständen zustimmen. Sollte das Parlament der Vorlage zustimmen, wird die SVP als Oppositionspartei zusammen mit dem Volk gegen die unerhörte Politik der Regierung antreten.
Denn die vorliegende Vernehmlassungsvorlage führt zu einer Verschlechterung der Konjunktur, zu einem Rückgang der Arbeitsplätze und zu einer Verminderung des Einkommens, was vor allem die schlecht verdienenden Personen trifft. Dies ist für die SVP vollkommen inakzeptabel.