Aus Sicht der SVP kann der geplanten Verordnungsrevision nicht zugestimmt werden. Die Revision klärt nur ungenügend, wie bei einer Interessensabwägung zwischen Erhaltungszielen und anderen Interessen vorgegangen werden soll. Zudem erfolgt die Revision zur Unzeit.
Der Bundesrat erstellt gemäss Art. 5 f. Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) nach Anhören der Kantone Inventare von Objekten von nationaler Bedeutung mit der dazugehörigen Verordnung über das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (VISOS). Dabei stellt das ISOS «nichts» unter Schutz und ist «noch» keine Planung, sondern eine Grundlage für die Planung. Der Bundesrat hat gestützt auf Art. 5 NHG noch weitere Inventare erlassen: Das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (VBLN) und das Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (VIVS). Das ISOS umfasst heute rund 20 % der schweizerischen Siedlungen; bspw. in Zürich sind 76 % aller Bauzonen mit einem Erhaltungsziel belegt.
Die Revision sieht vor, dass in grundsätzlicher Art und Weise Kriterien für die Bewertung von Ortsbildern auf Verordnungsstufe festgehalten werden. Dabei muss ausdrücklich kritisiert werden, dass aufgrund der offenen Bestimmungen nicht ersichtlich ist, welche Kriterien notwendig und hinreichend sind, damit eine Aufnahme in ein Inventar erfolgt. Hier besteht offensichtlich Konkretisierungsbedarf bzw. eine erhebliche Rechtsunsicherheit.
Art. 10 Abs. 2 E-VISOS sieht vor, dass schwerwiegende Beeinträchtigungen eines Objekts i. S. von Art. 6. Abs. 2 NHG zulässig sind, wenn sie durch ein Interesse von nationaler Bedeutung rechtfertigen lassen, das gewichtiger ist als das Interesse am Schutz des Objekts.
Dabei besteht ein unhaltbarer Widerspruch zu Art. 6 Abs. 2 NHG, bei dem ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung im Sinne der Inventare bei Erfüllung einer Bundesaufgabe nur in Erwägung gezogen werden darf, wenn ihr bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen. Aus Sicht der SVP muss die qualitative Schwelle in Art. 6 Abs. 2 NHG ungeschmälert berücksichtigt werden.
Weiter muss beanstandet werden, dass ein dringendes, gewichtiges Anliegen im Entwurf nicht berücksichtigt wird. Nach wie vor ist unklar, wie im Rahmen der Interessensabwägung bei Zielkonflikten zwischen dem ISOS-Erhaltungsziel und anderen Interessen, insb. der Siedlungsentwicklung gegen innen, vorgegangen werden muss. Aus Sicht der SVP haben die Erhaltungsziele des ISOS ohnehin nicht direkt in die Interessenabwägung einzufliessen, sondern müssen zuerst durch die planenden Behörden präzisiert und auf ihre Aktualität hin überprüft werden. Schlussendlich hat, sofern eine Massnahme (ohne dass eine Bundesaufgabe betroffen ist) in ein Inventarobjekt eingreift, die Beurteilung der Zulässigkeit anhand einer einfachen Interessensabwägung i. S. von Art. 2 RPG i. V. m. Art. 3 RPV zu erfolgen.
Schlussendlich erfolgt die Revision des VISOS zur Unzeit. Verschiedene, hängige Vorstösse im Parlament zeigen den notwendigen Klärungsbedarf im Zusammenhang mit der Siedlungsverdichtung und dem ISOS. So soll insbesondere Art. 6 RPG sowie der entsprechende Art. 4a VISOS ergänzt werden: Wenn öffentliche Interessen entgegenstehen, sollen die Kantone die Bundesinventare nicht berücksichtigen müssen bzw. Ausnahmen vorsehen können. Als öffentliches Interesse soll insbesondere die Siedlungsentwicklung nach innen gelten. Die im NHG festgehaltene Zielsetzung, ein Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder zu erstellen, eröffnet Spannungsfelder zur Siedlungsentwicklung nach innen. Mit der stetigen Erweiterung des ISOS und der faktischen Unterschutzstellung teils ganzer Siedlungen wird die Verdichtung vielerorts enorm erschwert oder gar verunmöglicht.
Ebenfalls wird eine Anpassung des NHG angestrebt, wonach Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission eine der Grundlagen für die Entscheidbehörden bilden soll. Kantonale öffentliche Interessen sollen den Interessen an der Erhaltung der Schutzobjekte gegenübergestellt werden. Eine Abwägung der Interessen des Bundes und der Kantone soll zeigen, ob ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung eines Objektes von nationaler Bedeutung geboten ist. Nur mit einer solchen Gesamtinteressenabwägung kann namentlich der kantonalen Richtplanung, aber auch den im öffentlichen Interesse stehenden Bauvorhaben zum Durchbruch verholfen werden.
Die Ergebnisse der hängigen Vorstösse sind abzuwarten, insb. um eine erneute, zweite Revision – und damit unnötiger Mehraufwand – des VISOS zu verhindern.