Vernehmlassung zum Konsolidierungsprogramm 2011-2013 (KOP 2011/13) und zum Bericht zur Umsetzung der Aufgabenüberprüfung des Bundes
Vernehlmassungsantwort der Schweizerische Volkspartei (SVP)
Die SVP beurteilt die im Rahmen des hier vorgelegten Konsolidierungsprogrammes vorgesehenen Massnahmen als vollkommen ungenügend. Wenn der Bundesrat nur annähernd willens wäre, die Aufgabenüberprüfung (AÜP) konsequent anzugehen, wären solche Pseudo-Entlastungsprogramme gar nicht notwendig. Die AÜP wäre das geeignete und wirksame Instrument, den Bundeshaushalt insgesamt und langfristig zu konsolidieren.
Besonders bedenklich ist, dass der Bundesrat in seinen Berichten die problematische Entwicklung der Bundesfinanzen, das ungebremste Wachstum der Ausgaben, die bereits absehbaren Zusatzausgaben und Einnahmenlücken sowie die weiterhin bestehenden Risiken und Gefahren für Konjunktur und Wirtschaft erkennt und beschreibt, jedoch keine ernsthaften Konsequenzen daraus ableitet. Stattdessen wird aufgesetzter konjunktureller Optimismus bemüht, um ein nahezu ungebremstes Ausgabenwachstum zu rechtfertigen. Die Beobachtungen und Analysen zur Lage der Finanzen sind realistisch, die Schlussfolgerungen und Zielsetzungen stimmen mit diesen jedoch überhaupt nicht überein. Die SVP lehnt deshalb die vorliegenden Berichte und die geplanten Massnahmen als völlig unzureichend ab und fordert vom Bundesrat, endlich die Aufgabenüberprüfung konsequent durchzuführen und wirkungsvolle Reduktionen und Konsolidierungen seines aufgeblähten Aufgabenkataloges umzusetzen. Sie erwartet zudem, dass der Bundesrat grundsätzliche, langfristige und substanzielle Entlastungs- bzw. Sanierungsmassnahmen im Sinne strategischer Weichenstellungen vorschlägt und sich nicht weiter in zaghaften und unübersichtlichen Minimallösungen verliert. Im Folgenden werden aus Sicht der SVP eine Reihe notwendiger Schlüsse und Konsequenzen aufgezeigt.
1. Verweigerung nachhaltiger Sanierungsmassnahmen
Bereits im Jahr 2003 wurde der Bundesrat im Nachgang zur katastrophalen Entwicklung der Bundesfinanzen in den 90er Jahren durch verschiedene Vorstösse – unter Anderem seitens der SVP – beauftragt, eine echte Aufgabenverzichtsplanung durchzuführen und eine grundsätzliche Reduktion staatlicher Leistungen und Aufgaben in die Wege zu leiten. Der Bundesrat hatte damals sowohl den Handlungsbedarf (Schuldenberg und strukturelle Defizite im Staatshaushalt) bestätigt wie auch die Stossrichtung der geforderten Sanierungsmassnahmen (umfassende Aufgabenüberprüfung und -verzichtsplanung) klar unterstützt. Wortreich pries er den Segen einer nachhaltigen, tiefgreifenden und substanziellen Sanierung der Staatsfinanzen und beantragte, alle Vorstösse in Postulate umzuwandeln. Erst nach Ermahnungen – z.B. durch eine Motion der Finanzkommission (04.3615 Aufgabenverzichtplanung) – rang sich der Bundesrat Ende August 2005 zu einer Absichtserklärung durch, die Aufgaben des Bundes einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen. Doch wiederum geschah nichts. Jahr für Jahr wurden die Forderungen erneuert, meist seitens der SVP (05.3783 Po. Prioritätensetzung und Aufgabenverzicht; 05.3782 Mo. Ausarbeitung eines Konzeptes zum Schuldenabbau; 06.3753 Mo. Entlastungsprogramm 2007/2008; 08.3858 Mo. Finanzplan 2011-2013. Aufgabenüberprüfung; 09.4173 Mo. Aufgabenverzichtplanung). Der Bundesrat ignorierte konsequent seine eigenen Zielsetzungen und Versprechungen. Stattdessen genehmigte er sich ein langfristiges Wachstum seiner Ausgaben von 3 Prozent pro Jahr, was deutlich über dem realen Wachstum der Schweizer Wirtschaft liegt.
Erst als sich die Folgen der Wirtschaftskrise in aller Härte abzeichneten und sich der Druck auch auf die Bundesfinanzen erhöhte, beschloss der Bundesrat im Februar 2009 ein sogenanntes neues Umsetzungskonzept für die Aufgabenüberprüfung, welche bis dahin jedoch in kaum nennenswerter Weise in Angriff genommen worden war. Das hohe Ausgabenwachstum von 3 Prozent wurde selbstredend belassen, während die einzelnen Aufgabengebiete bzw. Departemente ihre Reformen zeitlich und umfangmässig nun nach individuellen Bedürfnissen und Umständen planen und umsetzen sollen. Unter dem Vorwand dringend benötigter Flexibilität und konjunktureller Abstimmung wurden jegliche Zielorientierung und jeglicher Umsetzungsdruck mit einem Schlag aufgehoben.
2. Aktuelle Situation und Prognosen
Im August 2009 ergab die Finanzplanung des Bundesrates für die Jahre 2011-2013 ordentliche Finanzierungsdefizite von jährlich rund 4 Milliarden Franken. Unter Berücksichtigung der Schuldenbremse wären nach seiner Einschätzung jedoch höchstens Defizite von 1.6, 1.0 und 0.4 Milliarden zulässig gewesen, was einem Bereinigungsbedarf von 2.5, 3.2 und 4.0 Milliarden Franken entspricht. Im Finanzplan ging der Bundesrat noch von einem realen BIP-Wachstum von durchschnittlich 1.5% aus, welches er nun aber auf 2.0% nach oben korrigiert. Daraus wiederum prognostiziert er heute Mehreinnahmen von durchschnittlich über 2.4 Milliarden pro Jahr, sodass er den oben erwähnten Bereinigungsbedarf auf Grund der überrissenen Wirtschaftsprognosen glatt halbiert und gleichzeitig eine Steigerung des Ausgabenwachstums von 2.9% auf 3.1% zulässt.
Der Bundesrat schreibt in seinem Bericht selbst, dass diese Zahlen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet seien und dass verschiedene politische Beschlüsse in Zukunft zu Mehrbelastungen des Bundeshaushaltes führen werden. In einer Liste zeigt er nur die wichtigsten Positionen auf und kommt dabei bis ins Jahr 2013 auf Zusatzausgaben von 3.4 Milliarden (Unterhalt und Erneuerung Schienenverkehr, Landesverteidigung, Unternehmenssteuerreform III, Erhöhung Entwicklungshilfe etc.). Diesen ziemlich sicher eintretenden Mehrbelastungen stehen klare Gefahren für den konjunkturellen Aufschwung und damit erneute Einnahmenrückgänge gegenüber. Die Euro-Krise infolge des faktischen Staatsbankrotts von Griechenland und die hohe Staatsverschuldung anderer europäischer Länder sollten mehr als nur Warnung sein. Die Schweizer Nationalbank kauft in nie dagewesenem Mass Euro gegen Franken ein, um die Schweizer Exportwirtschaft vor einem zu harten Franken zu bewahren. Diese Konstellation zeigt klar die weiterhin bestehenden Risiken und Gefahren für die künftige Einnahmenentwicklung der Bundesfinanzen auf.
Die Erhöhung der MwSt. zur angeblichen Sanierung der maroden Invalidenversicherung ist beschlossen, wird aber erst Anfang 2011 wirksam. Die Arbeitslosenversicherung sowie die EO (letztere infolge der ausufernden Kosten der Mutterschaftsversicherung) sind ebenfalls bereits in Schieflage. Das Auffangen all dieser Sozialwerke wird die Schweizer Wirtschaft und Bevölkerung ab 2011 mit 2.5 bis 3 Milliarden Franken pro Jahr zusätzlich belasten. Das ist oben noch nicht einmal mit eingerechnet!
3. Die vom Bundesrat geplanten Massnahmen sind untauglich und ungenügend
Der Bundesrat präsentiert verschiedene Massnahmen, welche zu Ausgabenreduktionen führen sollen. Aus Sicht der SVP sind aber die meisten davon, insbesondere die betragsmässig grossen Positionen, nicht tauglich oder wirksam.
Lässt man diese Pseudo-Sanierungsmassnahmen ausser Acht, verbleiben vom bundesrätlichen Vorschlag für die Jahre 2011 bis 2013 nur noch rund 538, 693 respektive 819 Millionen Franken an echten Massnahmen durch Querschnittkürzungen und die Aufgabenüberprüfung.
4. Bereinigungsbedarf an der Wirtschaftsentwicklung orientieren
Nach Auffassung der SVP müssen die Berechnungen für die erwähnten Jahre erneut durchgeführt werden, wobei realistische Szenarien zugrunde zu legen sind und daraus griffige Massnahmen zur Konsolidierung und Sanierung des Bundeshaushalts abgeleitet werden müssen. Konkret wären folgende Parameter zu ändern:
Die Prognose für das BIP-Wachstum ist bei 1.5% pro Jahr zu belassen und nicht auf 2.0% zu erhöhen. Das Ausgabenwachstum ist – wie vom Bundesrat bei jeder Gelegenheit betont – strikt am BIP-Wachstum auszurichten bzw. darf dieses auf keinen Fall übersteigen. Die Bundesausgaben sind schliesslich um den Betrag der heute schon klar absehbaren Mehrbelastungen für Wirtschaft und Bevölkerung (2.5 bis 3.0 Milliarden) zu kürzen, so dass kleine Überschüsse erzielt und Staatsschulden abgebaut werden können. Insbesondere würde durch die strikte Koppelung der Ausgabenentwicklung an das Wirtschaftswachstum dem fortwährenden Missbrauch der Schuldenbremse zur Rechtfertigung des überhöhten Ausgabenwachstums ein Riegel geschoben. Es darf nicht sein, dass einerseits gepredigt wird, dass das Wachstum der Staatsausgaben nicht höher sein dürfe als jenes der Wirtschaft, um dann mittels Schuldenbremse ein Ausgabenwachstum von 3.1% zu rechtfertigen. Die SVP fordert weiterhin mit Nachdruck, dass die Schuldenbremse auch die sogenannten ausserordentlichen Ausgaben mit einschliesst, d.h. keinerlei Ausnahmen gemacht werden.
Jedes Jahr bemüht sich die SVP im Rahmen des Budget-Prozesses um eine Trendwende gegen die unheilvollen Entwicklung des Bundeshaushaltes, indem sie griffige und wirksame Massnahmen zur Reduktion der Ausgaben erarbeitet und beantragt. Leider werden diese mit wenigen Ausnahmen sogar von den Mitteparteien ignoriert. Im Folgenden werden einige dieser Massnahmen vorgestellt:
Diese Beispiele zeigen, dass es durchaus möglich ist, die notwendigen Korrekturen und Konsolidierungen durchzuführen, obgleich man noch weit entfernt ist von Einschnitten, wie sie in der Privatwirtschaft gang und gäbe sind, wenn Sanierungsmassnahmen anstehen.
5. Durchführung einer echten Aufgabenverzichtplanung
Die SVP fordert den Bundesrat auf, zusätzlich wirksame aber fokussierte Konsolidierungsmassnahmen durchzuführen, da die sogenannten Querschnittmassnahmen („Rasenmähermethode“) allein nicht genügen und die Gefahr bergen, dass auch an Orten, wo es nicht gewünscht oder nicht sinnvoll ist, zuviel reduziert werden muss. Innerhalb des stetig wachsenden Behörden- und Verwaltungsapparates gibt es immer mehr unnötige aber kostspielige Büros, Ämter, Kommissionen usw. Die immer wieder von der SVP vorgebrachten Streichungsanträge wurden bisher ebenfalls konsequent ignoriert. Dennoch wird ohne einschneidende Massnahmen jedes Konsolidierungs- bzw. Entlastungsprogramm eine Farce bleiben. Die im Bericht zur Umsetzungsplanung vorgestellten Massnahmen gehen häufig in die richtige Richtung und werden von der SVP begrüsst. Allerdings müssen sie deutlich weiter gehen als der Bundesrat dies bisher vorsieht und vor allem auch früher greifen (es genügt nicht, mit der Sanierung erst in den Jahren 2013, 2014 oder gar 2015 zu beginnen, wenn der Bereinigungsbedarf viel höher ausfallen wird). Im Folgenden sind einige der im bundesrätlichen Bericht zur Umsetzungsplanung der AÜP definierten Aufgabengebiete aufgelistet (in Klammern: Absolutwert Voranschlag 2008 in Franken sowie Zielwachstum 2008-2015 gemäss AÜP):
Da nicht alle Kürzungs- oder Entlastungsvorschläge der SVP eindeutig den oben erwähnten Gebieten zugeordnet werden konnten, seien einige hier zusammengefasst erwähnt (nicht abschliessend):
6. Fazit
Es besteht kein Zweifel, dass sich der Bundeshaushalt nicht auf einem nachhaltigen Weg der Besserung befindet, sondern im Gegenteil ab 2010 wieder grösste Gefahr läuft, hohe Defizite einzufahren und neue Schulden anzuhäufen. Ebenso ist heute klar, dass die Schuldenbremse nicht genügend greift, um diese Probleme zu lösen. Insbesondere wurden und werden so viele Ausnahmen (ausserordentliche Ausgaben) zugelassen, dass dieses Instrument nahezu wirkungslos ist. Die SVP lehnt die Vorlage des Bundesrates ab und fordert stattdessen dass,
Allfällige Überschüsse sind einzig zur Reduktion der Staatsschulden oder für Steuersenkungen zu verwenden und dürfen nicht mehr zur Rechtfertigung künftiger Defizite missbraucht werden.