Gespräch mit der Berner SVP-Nationalrätin und jungen Mutter Andrea Geissbühler über falsch verstandene Familienförderung…
Gespräch mit der Berner SVP-Nationalrätin und jungen Mutter Andrea Geissbühler über falsch verstandene Familienförderung
Extrablatt: Im Herbst 2009 haben die eidgenössischen Räte beschlossen, es sei für die Drittbetreuung von Kindern ein Abzug vom steuerbaren Einkommen von jährlich 10’000 Franken bei den Bundes- und Kantonssteuern (Obergrenze offen) zu gewähren. Die SVP-Fraktion hat das erfolglos bekämpft. Warum eigentlich?
Andrea Geissbühler: Weil dieses Konzept zur Familienförderung falsch und für Hunderttausende von Eltern steuerlich diskriminierend ist. Mit solchen Steuerabzügen fördert die Bundesversammlung ausschliesslich Doppelverdiener-Familien, die ihre Kinder in fremde Obhut geben und sie von bezahlten Dritten erziehen und betreuen lassen. Wer aber seine Kinder selber betreut und dafür auf einen Zweitverdienst verzichtet und sonstige Auslagen hat, geht leer aus und wird steuerlich krass benachteiligt.
Welche Vorstellungen von steuerlich besserer Familienförderung haben denn Sie und die SVP?
Als Berner Mutter darf ich an Jeremias Gotthelf erinnern, der schrieb: „Im Hause muss beginnen, was leuchten soll im Vaterland." Auch für die SVP ist die Familie das Fundament unserer Gesellschaft. Aber die SVP setzt sich für die Stärkung der Eigenverantwortung ein und bekämpft jede Tendenz, elterliche Pflichten an den Staat abzuschieben. Darum hat die SVP als Reaktion auf den diskriminierenden Bundesbeschluss eine Volksinitiative eingereicht, die folgenden Verfassungsartikel zur Abstimmung unterbreitet: „Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, muss für die Kinderbetreuung mindestens ein gleich hoher Steuerabzug gewährt werden wie Eltern, die ihre Kinder fremd betreuen lassen." Ich glaube, Gotthelf hätte diese Initiative auch unterschrieben!
Laufen Sie damit nicht Gefahr, einfach eine weitere Giesskannensubvention zu schaffen?
Es gehört nach meinem Verständnis zu den familienpolitischen Grundgeboten, dass die Art der Kinderbetreuung aufgrund des Kindeswohls und nicht aufgrund von steuerlichen Vor- oder Nachteilen zu treffen ist. Nach gegenwärtigem Stand der Dinge hätten wir künftig in der Schweiz zwei Kategorien von Eltern. Eine, die ihre Erziehungs- und Betreuungspflichten an den Staat delegiert und dafür steuerlich belohnt wird, und eine zweite Kategorie, die von solcher Entlastung ausgeschlossen bleibt, weil sie selber zu ihren Kindern schaut. Dass das nichts mehr mit Steuergerechtigkeit zu tun haben kann, leuchtet wohl jedermann ein. Und auch familienpolitisch ist es falsch, ausgerechnet das Delegieren von Erziehungspflichten an den Staat steuerlich zu honorieren.
Aber in den skandinavischen Ländern hat man doch mit solcher Familienpolitik gute Erfahrungen gemacht, oder nicht?
Falsch! Tatsache ist, dass zum Beispiel Schweden überhaupt keine Steuererleichterungen für Familien gewährt. Andererseits gehen fast alle skandinavischen Länder den von der SVP ebenfalls als richtig erkannten Weg und zahlen sogar ein Erziehungsgeld an Eltern, die keine staatlichen Betreuungsangebote beanspruchen. Davon sollten wir lernen…