Nationalrat und Unternehmer Jean-François Rime warnt vor der willfährigen Unterwerfung unter ein EU-Diktat durch vollständige Harmonisierung der Rechtssysteme. Er lebt in Bulle, ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne. Seit Mai 2012 ist er Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes.
Interview mit Nationalrat Jean-François Rime
Als Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes mit 300’000 Unternehmen im Rücken stehen Sie mit Blick auf die Aussenwirtschaftspolitik vor fast historischen Herausforderungen. Was ist zu tun oder zu lassen, um die wirtschaftlichen Stärken zu fördern?
Unsere Stärken im globalen Umfeld sehe ich dank hoher Qualität in der Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit, weiter in der Standortattraktivität und in der Effizienz und Produktivität. So heben wir uns vom Mittelmass ab. Diese Stärken gilt es zu bewahren und zu fördern. Auf keinen Fall dürfen wir die Verantwortung für unseren wirtschaftlichen Erfolg ans Ausland delegieren. Es wäre verheerend, von dort die Lösung unserer Probleme zu erwarten.
Wo sehen Sie Ansatzpunkte, um mit dieser Strategie zum Erfolg zu kommen?
Ich nenne zwei Stichworte: Frankenstärke beziehungsweise Euroschwäche und Regulierungskosten. Weil die Schweiz keinen direkten Einfluss auf die EU-Probleme hat, müssen wir den Hebel anderswo ansetzen. In den Unternehmen wurde bereits ausserordentlich viel getan. Die Politik ist hingegen noch im Verzug. Dies wegen der selbst verursachten, viel zu hohen Regulierungskosten. Seit 2010 wissen wir, dass wir uns damit nur behindern und strangulieren. Vermeidbare und überflüssige Regulierungskosten fressen rund zehn Milliarden Franken unseres Bruttoinlandprodukts weg. Seit 2013 liegen Pläne in der Schublade des Bundesrates, um diese hausgemachte Benachteiligung gegenüber der Auslandkonkurrenz abzufedern.
Trifft die Vermutung zu, dass sich der Bundesrat vor allem auf die Beziehungen zur EU zu konzentrieren scheint, oder täuscht dieser Eindruck?
Ganz und gar nicht! Der EU als dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz, und zwar auf Gegenseitigkeit, gilt richtigerweise die Hauptaufmerksamkeit. Dabei müssen wir auch auf die Abhängigkeit von der EU achten, weil wir sonst ein Klumpenrisiko schaffen. Die volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und Chancen der Schweiz reichen weit über den EU-Raum hinaus. Ich erinnere daran, dass die Schweiz 2013 als erstes Land Europas ein Freihandelsabkommen mit der Volksrepublik China unterzeichnen konnte.
Und wie soll sich die Aussenwirtschaftspolitik im Verhältnis zur EU positionieren?
Es gilt vor allem, die Vorteile und die guten Bedingungen der bilateralen Verträge mit der EU zu pflegen und weiter zu entwickeln. Herausgefordert sind jetzt mehr denn je die verhandlungsstarken Kräfte unserer Wirtschaftsdiplomatie. Nicht Überheblichkeit oder Arroganz helfen uns, sondern selbstbewusste Besinnung auf unsere Stärken. So wird man als Verhandlungspartner ernst genommen. Bittsteller, die mit vorauseilendem Gehorsam vorgehen, haben verloren, bevor sie den Sitzungstisch in Brüssel erreichen. Gift für unseren Wirtschaftserfolg sind auch die unsäglichen Swiss-Finish-Regulierungen. Als Musterknaben befolgen wir diese hausgemachten Knebelvorschriften punktgenau, nur um unsern Verhandlungspartnern zu gefallen, aber wir schwächen uns selber damit.
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen des von der EU so dringend gewünschten institutionellen Rahmenabkommens mit der Schweiz?
Ich warne vor der willfährigen Unterwerfung unter ein EU-Diktat durch vollständige Harmonisierung der Rechtssysteme. Das würde unseren globalen Handlungsspielraum zunichte machen und unsere Position dauerhaft schwächen. Denn vielfach ist es richtig und besser, wenn wir anders handeln und uns anders entwickeln als die EU. Wir würden mit einem Rahmenabkommen nach Vorstellungen der EU als bedeutungsloser Kleinstaat sang- und klanglos untergehen, ohne der EU beizutreten. Die bessere Alternative sehe ich in der sorgfältigen Pflege der bilateralen Abkommen, weil uns dieses Vertragssystem Rechtssicherheit garantiert. Die bilateralen Verträge sind Verträge auf Augenhöhe. Kein Partner ist dem anderen unterstellt, kein Partner muss Regulierungen oder die Gerichtsbarkeit des anderen übernehmen. Damit das so bleibt, haben wir unsere Verantwortung selber wahrzunehmen und die direkte Demokratie, die uns Selbstbestimmung sichert zu schützen.