Volk und Stände haben die schweizerische Bundesverfassung beschlossen. Sie sind der Souverän. Doch heimlich und gezielt ist in den letzten Jahren der Vorrang des Völkerrechts gegenüber der Bundesverfassung vorangetrieben worden, und das Bundesgericht hat diesen Vorrang im Jahr 2012 bestätigt. In der Schweiz haben nun ausländische Gerichte und internationale Organisationen das Sagen. Diese Umkehr unserer Rechtsordnung, einem Staatsstreich ähnlich, muss rückgängig gemacht werden!
Gespräch mit Hans-Ueli Vogt (45), SVP-Kantonsrat in Zürich und Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich
Extrablatt: Herr Vogt, die SVP will mit der Selbstbestimmungs-Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter » den Vorrang unserer Bundesverfassung vor dem Völkerrecht in der Bundesverfassung verankern. Das Konzept haben Sie entwickelt. Welche Ziele stehen dahinter?
Hans-Ueli Vogt: Es geht um die Frage: Wer bestimmt, was in der Schweiz als höchstes Recht gilt? Die Initiative gibt eine klare Antwort auf diese Frage: Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger und die Kantone bestimmen, was in der Schweiz als höchstes Recht gilt, also Volk und Stände. Sie sind der Souverän, die oberste rechtsetzende Gewalt im Land. Damit sind wir sehr gut gefahren. Unsere freiheitliche Ordnung, aber auch unser Sozialstaat ist auf dieser Grundlage entstanden, nicht durch eine Anbindung an internationale Organisationen und ausländische Gerichte. Darum sollten alle, die für die Selbstbestimmung der Schweiz sind, die Selbstbestimmungsinitiative unterstützen, gleich, ob sie politisch links oder rechts stehen. Nur das zwingende Völkerrecht steht über unserer Verfassung.
Wie definieren Sie den Unterschied zwischen Völkerrecht und Landesrecht?
Beim Völkerrecht kann man drei Quellen unterscheiden. Es besteht erstens aus den Verträgen, die die Staaten miteinander abschliessen. Zweitens ist Völkerrecht das Recht von internationalen Organisationen, Behörden und Gerichten. Und drittens gibt es einige gewohnheitsrechtliche Grundsätze des Völkerrechts. Landesrecht ist demgegenüber das Recht, das ein Staat selber geschaffen hat.
Was ist denn nun das Problem mit dem Völkerrecht?
Das Problem sind nicht die völkerrechtlichen Verträge. Das Problem ist der immer grössere Einfluss des Rechts von internationalen Organisationen, Behörden und Gerichten, wie zum Beispiel der UNO, der OECD, der EU oder des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strassburg. In diesen Organisationen, Behörden und Gerichten schaffen Beamte bzw. Richter für alle Lebensbereiche immer mehr neue Regelungen, Richtlinien, Empfehlungen und Urteile. Die meisten dieser Beamten und Richter müssen sich keiner demokratischen Wahl und Wiederwahl stellen, und sie tragen keine Verantwortung für die finanziellen Lasten, die sie mit ihren Regelungen usw. den Staaten und letztlich den einzelnen Bürgern aufbürden. Man kann sie darum mit Fug und Recht als «fremde Richter» bezeichnen. Sie operieren weitgehend in einer eigenen Welt und treiben die Globalisierung der Politik und des Rechts fast unkontrolliert voran.
Und was bedeutet diese Entwicklung für die Schweiz?
Wenn nun, wie das neuerdings vertreten wird, alles Völkerrecht – also nicht nur das zwingende – über unserer Verfassung steht, heisst das, dass eine Handvoll Beamter und Richter in internationalen Organisationen und ausländischen Gerichten in der Schweiz mehr zu sagen haben als 5 Millionen stimmberechtigte Schweizerinnen und Schweizer. Dadurch wird die Demokratie ausgehöhlt, die Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger bestehen nur noch auf dem Papier: Sie können zwar noch abstimmen, aber wenn die Beamten und Richter in den internationalen Organisationen und ausländischen Gerichten etwas anderes beschliessen, ist das Ergebnis der Volksabstimmung bedeutungslos. Die Volksabstimmung verkommt zur Meinungsumfrage. Das ist aus meiner Sicht ein unhaltbarer Zustand. Darum muss die Verfassung über dem nicht zwingenden Völkerrecht stehen.
Gibt es Beispiele für diese Aushöhlung der Demokratie?
Man sieht das bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative, die das Volk und die Kantone angenommen haben. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 12. Oktober 2012 entschieden, dass das Parlament bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Strassburg befolgen muss. Die Initiative kann darum nicht eins zu eins umgesetzt werden. Nicht zwingendes Völkerrecht soll also über unserer Verfassung stehen. Die Urteile der Richter in Strassburg sollen in der Schweiz grösseres Gewicht haben als das Ergebnis der Volksabstimmung vom 28. November 2010. Das Ergebnis: Der Beschluss von Volk und Ständen wird nicht umgesetzt.
Was würde sich mit der Annahme der Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» daran ändern?
Es wäre dann klar, dass das, was das Volk und die Kantone beschlossen haben, umgesetzt werden muss. Wenn es einen Widerspruch zwischen der Verfassung und dem nicht zwingenden Völkerrecht gibt, muss der betreffende völkerrechtliche Vertrag neu ausgehandelt werden. Kann der Widerspruch im Rahmen einer Neuverhandlung nicht beseitigt werden, muss der Vertrag gekündigt werden.
Welche Probleme sehen Sie bei der sogenannten institutionellen Anbindung der Schweiz an die EU? Schützt uns die Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter» vor einer solchen Anbindung?
Die grösste Bedeutung hat die Volksinitiative tatsächlich im Zusammenhang mit der drohenden institutionellen Anbindung der Schweiz an die EU. Dieser Aspekt ist in der bisherigen Debatte über diese Initiative völlig untergegangen. Eine solche Anbindung an die EU würde bedeuten, dass wir eine von der EU beschlossene Weiterentwicklung der bilateralen Verträge – Achtung: «Weiterentwicklung » ist ein ver harmlosender Begriff für «Änderung» – auto- matisch als unser Recht akzeptieren müssten oder dazu zumindest faktisch gezwungen wären. Die institutionelle Anbindung würde zudem auch bedeuten, dass der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) über Streitigkeiten, die die Schweiz betreffen, entscheiden würde. Solche von der EU beschlossenen Änderungen von Verträgen und die Urteile des EuGH gehören ebenfalls zum Völkerrecht, sie würden also über unserer Verfassung stehen. Das Ergebnis wäre: Die EU und der EuGH wären der neue Souverän in unserem Land, nicht mehr Volk und Stände. Die EU und der EuGH könnten unsere Verfassung faktisch abändern. Die Unterwerfung nicht nur unter fremde Richter, sondern auch unter eine fremde Regierung wäre perfekt. Der heimliche EU-Beitritt wäre eine Tatsache, obwohl man bei der Abstimmung über eine institutionelle Anbindung natürlich nur von einer «Verbesserung » oder «Erneuerung» der bilateralen Beziehungen sprechen wird. Damit es niemals so weit kommt, muss in unserer Verfassung festgeschrieben werden, dass die Verfassung über dem nicht zwingenden Völkerrecht steht. Und genau das ist das Ziel der Volksinitiative «Schweizer Recht statt fremde Richter».
Prof. Dr. Hans-Ueli Vogt
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