Christoph Blocher Natonalrat und Vizepräsident SVP Schweiz (ZH)
Es war ein Donnerschlag: Bei einer Rekordstimmbeteiligung von 78,7% zeigten 50,3% der Stimmenden und zwei Drittel der Kantone dem Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) die kalte Schulter. So entschied sich…
Es war ein Donnerschlag: Bei einer Rekordstimmbeteiligung von 78,7% zeigten 50,3% der Stimmenden und zwei Drittel der Kantone dem Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) die kalte Schulter. So entschied sich am 6. Dezember 1992 die Schweiz überraschend für die Eigenständigkeit der Schweiz und gegen die Einbindung in die Europäische Union!
Darum ist unser Land nicht Mitglied der Europäischen Union. Der Segen dieses weisen Entscheides ist heute greifbar: Freiheit und Wohlfahrt haben sich in der Schweiz besser entwickelt als in der EU. Es herrscht praktisch Vollbeschäftigung, und zusätzlich strömen seither Hunderttausende von Europäern in die Schweiz, weil sie hier Arbeit und bessere Lebensbedingungen finden.
Erstaunliches Abstimmungsergebnis
Der Entscheid des Schweizervolks ist umso erstaunlicher, als die damalige Abstimmung in einer wirtschaftlichen Rezession stattfand. Für diesen «schicksalhaften» Vertrag stand alles, was Rang und Namen hatte – die ganze Classe politique -, geschlossen ein. Die Befürworter prophezeiten: Ohne Zustimmung sei die Schweiz verloren! Ungeachtet solcher Angstmacherei stimmten das Schweizervolk und die Stände für die schweizerische Eigenständigkeit, für Freiheit und Unabhängigkeit.
Sonderfall Schweiz
Während über 700 Jahren hat sich die Schweiz organisch weiterentwickelt. In kleinen Schritten hat sie sich immer wieder den Erfordernissen der Umwelt angepasst. Dieser eigenständige Weg war und ist für die Schweiz nicht nur von grosser Bedeutung, sondern überlebenswichtig.
Fehlkonstruktion EU
Anderseits ist die EU in allergrösste Schwierigkeiten geraten: Arbeitslosigkeit und gigantische Verschuldung sind die Folgen. Nicht nur Firmen, sondern ganze Staaten müssen vor dem Bankrott mit horrenden Beträgen gerettet werden, mitunter auch durch die Schweiz – mit namhaften Beiträgen!
Vom Kolonialvertrag …
Der EWR-Vertrag hätte die Schweiz verpflichtet, etwa 80% der EG-Gesetze zu übernehmen (die Europäische Union hiess damals noch Europäische Gemeinschaft). Die Schweiz hätte Gesetze, welche die Europäische Gemeinschaft erlassen hatte und in Zukunft erlassen hätte, gezwungenermassen übernehmen müssen. Dieses zwangsweise von der EU vorgegebene Recht hätten die Schweizer nicht mehr ändern oder anpassen können. Gültig wäre gewesen: EU-Recht bricht Schweizer Recht. Eine fremde Macht – hier eben die EU – hätte bestimmt, was in der Schweiz gilt. Das ist das Wesen eines Kolonialvertrages.
… zum EU-Beitritt
Aber nicht genug: Wie alle EWR-Staaten erkannte auch der Bundesrat, dass ein solcher Kolonialvertrag unhaltbar ist. Der EWR war denn auch nur als erste Etappe zum Beitritt der Schweiz in die EU gedacht, was der Bundesrat auch in der bundesrätlichen Botschaft an das Parlament unmissverständlich darlegte: «Unsere Teilnahme am EWR kann nicht mehr als das letzte Wort in unserer Integrationspolitik gelten. Sie ist im Rahmen einer Europastrategie zu sehen, die in zwei Phasen ablaufen soll und den vollumfänglichen Beitritt der Schweiz zur EG zum Ziel hat. So stellt sich unsere Beteiligung am EWR heute als Etappe dar, die uns dem Beitrittsziel näher bringt.» (Botschaft des Bundesrats an das Parlament zur Genehmigung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 18. Mai 1992, S. 59.)
Deshalb reichte der Bundesrat am 20. Mai 1992 auch das EU-Beitrittsgesuch in Brüssel ein, wo es heute noch liegt.
Zu dieser Europastrategie also hat das Schweizervolk am 6. Dezember 1992 Nein gesagt.
Nach der Ablehnung des EWR-Vertrages schloss unser Land wie schon in früheren Jahren mit der EU bilaterale Verträge ab. Nicht alle dienen dem Wohl der Schweiz. Doch die EU verlangt von der Schweiz immer mehr und mehr! Der Appetit kommt mit dem Essen.
Neid und Begehrlichkeiten
Die misslichen Verhältnisse der EU-Staaten einerseits und die bessere Situation der Schweiz anderseits führen zu Neid und Begehrlichkeiten. Die EU übt Druck aus. So wie es jeder tut, der vom andern etwas will. Unser Land soll sich in Zukunft bei jedem Vertrag verpflichten, nicht nur das bestehende, sondern auch das künftige EU-Recht und die europäische Rechtsprechung zu übernehmen. Die EU will wie beim EWR erneut einen Kolonialvertrag. Man redet von institutionellen Bindungen und EU-Gerichtsbarkeit.
Die Schweiz als Kolonie der EU?
Wehrt sich unsere Regierung entschieden dagegen? Die Zeichen sind leider nicht ermutigend. So schrieb die Bundespräsidentin am 15. Juni 2012 der Europäischen Union einen – zunächst geheim gehaltenen – unterwürfigen Brief, in dem sie eine «Art EWR-Vertrag» und schliesslich einen EU-Beitritt – unter Verweis auf das EU-Beitrittsgesuch – verspricht. (Dieser Brief ist abrufbar in französischer Sprache und in deutscher (inoffizieller) Übersetzung unter www.europa.admin.ch/themen.) Also sollen alle künftigen bilateralen Verträge zu Kolonialverträgen werden, bis die Schweiz faktisch in der EU ist!
Damit steht die Schweiz vor einer ähnlich gefährlichen Situation wie schon 1992: Unter einem «harmlosen» bilateralen Vertrag – sicher wird er einen schönen Decknamen erhalten, wie zum Beispiel «Stromvertrag», «Energievertrag», «Dienstleistungsvertrag», «Rahmenvertrag» usw. – sollen bestehendes und künftiges EU-Recht sowie fremde Richter akzeptiert werden. Wie damals sind auch diese Verträge wieder im Rahmen einer Europa-Strategie zu sehen, die den vollumfänglichen Beitritt der Schweiz zur EU zum Ziel hat.
Zerstörung des schweizerischen Wohlstandes
Diese EU-Strategie des Bundesrates ist verhängnisvoll und verhindert eine auf unser Land zugeschnittene, bewährte Wirtschaftspolitik und fördert damit den Zerfall des schweizerischen Wohlstandes.
Die bundesrätliche Europastrategie brächte uns Schweizern:
- noch mehr Gesetze (und erst noch von anderen erlassen)
- noch mehr Funktionäre
- noch mehr Bürokratie
- weniger Freiheit
- höhere Ausgaben
- höhere Schulden
- höhere Steuern
- höhere Abgaben und Gebühren
- tiefere Löhne
- kleinere Einkommen
- mehr Arbeitslose
- Verlust des Schweizer Frankens
- höhere Hypothekarzinsen
- teurere Wohnungen
- kurz: den Niedergang des schweizerischen Wohlstands.
Wie können wir uns wehren?
Verhindern können dies nur noch die Betroffenen selbst – die Schweizer Bürgerinnen und Bürger – an der Urne. Weil die Classe politique leider auch diesmal gegen das Wohl der Schweiz entscheiden wird, müssen die Bürger erneut – wie vor 20 Jahren – ein Bekenntnis zur erfolgreichen traditionellen Eigenständigkeit ablegen und so den erneut angestrebten Beitritt in die Europäische Union verhindern.
Das heisst: Um diesen schleichenden EU-Beitritt zu unterbinden, muss gegen alle Verträge mit sogenannten institutionellen Bindungen das Referendum ergriffen werden, um sie dann an der Urne abzulehnen. Schweizervolk, erwache!
Christoph Blocher, Nationalrat, a. Bundesrat, Unternehmer, Herrliberg (ZH)