Zuwanderung löst Probleme der AHV nicht

Extrablatt Extrablatt November 2012

Martin Janssen, Unternehmer und Professor für Finanzmarkt-Ökonomie an der Universität Zürich

Eine Person, die heute in Pension geht, lebt durchschnittlich noch 23 Jahre. Diese Zahl erhöht sich jedes Jahr um mehrere Monate, in fünf Jahren sind es mindestens 24 Jahre. Wie kann diese längere Lebensdauer im Rahmen der AHV finanziert werden…  

Gastkommentar: Martin Janssen, Unternehmer und Professor für Finanzmarkt-Ökonomie an der Universität Zürich

Eine Person, die heute in Pension geht, lebt durchschnittlich noch 23 Jahre. Diese Zahl erhöht sich jedes Jahr um mehrere Monate, in fünf Jahren sind es mindestens 24 Jahre. Wie kann diese längere Lebensdauer im Rahmen der AHV finanziert werden, und welche Rolle spielt die Einwanderung?

Die AHV ist ein grosser Geld-Topf, in den im laufenden Monat die AHV-Beiträge und Steuern hineinfliessen und aus dem im nächsten Monat die AHV-Renten bezahlt werden. Steigt die Lebenserwartung, fliesst mehr hinaus als hinein. Was kann man dagegen tun? Man könnte das Pensionsalter hinaufsetzen, höhere AHV-Beiträge erheben, für mehr Wirtschaftswachstum sorgen, die Zahl der Erwerbstätigen erhöhen, die Renten reduzieren oder mehr Steuergelder zur Verfügung stellen. Während der letzten Jahre hat die Zuwanderung von etwa 70’000 Ausländern pro Jahr einen wesentlichen Beitrag geleistet, diesen Topf im Gleichgewicht zu halten, ohne die Beiträge erhöhen, die Renten senken oder andere Massnahmen ergreifen zu müssen.

Dazu drei Bemerkungen: Erstens ist bekannt, dass die Zuwanderung auf dem Wohnungsmarkt, auf den Strassen, in den Zügen und anderswo Kosten verursacht. Man muss sich generell fragen, ob es sich lohnt, diese Kosten auch darum in Kauf zu nehmen, weil mit der Immigration das momentane Gleichgewicht der AHV aufrecht erhalten werden kann. Zweitens muss man bedenken, dass das eigentliche Problem der AHV die Erhöhung der Lebenserwartung und die Veränderung des Bevölkerungsaufbaus ist. Und dieses Problem kann man mit der Einwanderung, die auch umgekehrt wirken kann, nicht lösen. Drittens, und das scheint am wichtigsten, verstellt der «Lösungsansatz Einwanderung» seit Jahren den Blick auf das Wesentliche: Der langfristige Generationenvertrag der AHV kann nur dann erfüllt werden, wenn er auf die Eigenschaften der Schweiz und ihrer Wirtschaft zugeschnitten ist. Hier spielt vor allem das echte Wirtschaftswachstum, das durch eine massive Entbürokratisierung und Deregulierung gestärkt werden müsste, eine zentrale Rolle. Leider kommt die Einwanderung vielen Politikern auch gerade darum recht, weil sie so das Problem der AHV wieder ein paar Jahre länger nicht in Angriff nehmen müssen. Auch hier gilt: «Griechenland ist überall».

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